Schwäbische Zeitung (Biberach)
Für den Südwesten bleibt die zweite Reihe
SPD stellt ihre Ministerriege vor – Den Süden vertritt in Merkels Kabinett fast nur die CSU
BERLIN - Das Kabinett für die vierte Amtszeit von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist komplett. Nach CDU und CSU hat nun am Freitag auch die SPD ihre Ministerriege für die nächste Regierung vorgestellt, die nach fast fünf Monaten zähen Ringens am kommenden Mittwoch vereidigt werden soll: Vizekanzler und Finanzminister soll Hamburgs Regierungschef Olaf Scholz werden. Heiko Maas wechselt vom Justiz- ins Außenministerium, Arbeitsminister wird der frühere SPD-Generalsekretär Hubertus Heil. Die bisherige Familienministerin Katarina Barley übernimmt das Justizressort. Die beiden größten Überraschungen: Die bisherige Bürgermeisterin des Berliner Bezirks Neukölln, Franziska Giffey, wird Familienministerin, die frühere nordrhein-westfälische Forschungsministerin Svenja Schulze soll das Umweltressort leiten. Damit steht fest: Kein Minister im künftigen Kabinett Merkel stammt aus BadenWürttemberg.
Leni Breymaier, die SüdwestSPD-Chefin, ist dennoch zufrieden. „Die Mischung passt“, sagte sie am Freitag. Auch ihr Vorgänger Nils Schmid lobte die Zusammensetzung „aus bewährten Politikern und neuen Gesichtern“. Und der fehlende Ministerposten? „Erfahrungsgemäß gibt es dafür einen Ausgleich bei den Staatssekretären“, tröstete SPDFraktionsvize Axel Schäfer die Genossen aus dem Südwesten. Die Staatssekretäre wurden noch nicht benannt, wohl aber zwei SPD-Staatsminister: Wie bisher ist dies der Hesse Michael Roth für Europa, neu hinzu kommt Michelle Müntefering aus Herne für die internationale Kulturpolitik. Mit Annette Widmann-Mauz (CDU), die Staatsministerin für Integration werden soll, gibt es zumindest ein Kabinettsmitglied aus Baden-Württemberg – jedoch steht auch die 51-Jährige aus Tübingen nur in der zweiten Reihe.
Den Süden vertritt an vorderster Front nur Bayerns CSU – mit den drei Ministern Horst Seehofer (Innen), Gerd Müller (Entwicklung) und Andreas Scheuer (Verkehr).
BERLIN - Bei einer Frau kommt die baden-württembergische SPD-Landesvorsitzende Leni Breymaier fast ins Schwärmen: Eine „großartige Personalie“sei Franziska Giffey. Die Bezirksbürgermeisterin von BerlinNeukölln ist die wohl größte Überraschung in der SPD-Ministerriege. Sie steht im Blümchenkleid mit weißem Blazer und hohen Absätzen fast schüchtern lächelnd im WillyBrandt-Haus. „Ich weiß nicht, ob Bundesministerin schwieriger ist als Neukölln“, meint ein schmunzelnder Olaf Scholz, der die Ministerinnen vorstellt. Er verweist darauf, dass Neukölln, wäre es eine eigenständige Stadt, mit seinen 300 000 Einwohnern unter die 20 größten Städte Deutschlands fallen würde.
Franziska Giffey ist die Ziehtochter von Heinz Buschkowsky, ihrem legendären Vorgänger. In Neukölln, wo mehrere Schulen unter Wachschutz stehen, weil sonst die Sicherheit der Kinder und vor allem der Lehrer nicht gewährleistet werden kann, wird oft Tacheles geredet.
Für Klartext bekannt
Und genau wie Buschkowsky steht Giffey nicht für eine Verklärung multikulturellen Miteinanders, sondern sie fordert Regeln für ein friedliches Zusammenleben ein. Sie ist eine, die in der SPD für Recht und Ordnung steht. Dass sie jetzt Familienministerin wird, liegt allerdings nicht nur an ihren unbestrittenen Fähigkeiten, sondern auch daran, dass sie in Frankfurt an der Oder geboren wurde, und die ostdeutschen Landesverbände auf einen Repräsentanten pochten. Der Süden geht bei der SPD dagegen wie so oft leer aus. Aber es hat auch niemand mit einem Minister aus BadenWürttemberg oder
Bayern gerechnet.
Feierlich, auf einem runden roten Teppich, stehen an diesem Morgen im WillyBrandt-Haus die designierte neue SPD-Chefin Andrea Nahles und der künftige Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz, um das Kabinett vorzustellen. Wie bei einer Zeugnisausgabe werden sie einzeln zu den beiden Chefs gerufen, als erste Frau kommt Katarina Barley auf die Bühne. Sie hat sich als Familienministerin nach Manuela Schwesigs Wechsel und in den vergangenen Wochen als kommissarische Arbeitsministerin bewährt und soll jetzt Justizministerin werden. Das Rüstzeug bringt die frühere Richterin mit. Die dritte im Bunde, Svenja Schulze, ist im mitgliederstärksten Landesverband Nordrhein-Westfalen gut bekannt, denn dort war sie sieben Jahre lang Wissenschaftsministerin. „Sie hat die Studiengebühren abgeschafft“, darauf weist Scholz stolz hin. In ihrem neuen Amt als Umweltministerin kann sie auf Erfahrungen aus der Zeit aufbauen, als sie noch umweltpolitische Sprecherin ihrer Fraktion war.
Nicht nur bei der Zahl der Minister, auch bei ihrer Vorstellung setzt die SPD auf Gleichberechtigung. Nachdem Scholz die Frauen nach vorne gerufen hat, übernimmt Nahles die Männer. Zu Scholz als neuem Finanzminister muss sie nicht viel sagen – er ist bekannt. „Er hat die Leidenschaft, gut zu regieren“, lobt ihn Nahles. Und sie erinnert daran, dass Scholz in Zeiten der Finanzkrise als Arbeitsminister vielen Menschen die Arbeitslosigkeit erspart habe durch das Instrument der Kurzarbeit. Der Hanseat muss künftig alle SPD-Minister koordinieren.
Mit feierlichem Gesicht tritt dann Heiko Maas, der neue Außenminister nach vorne. „Einem Saarländer muss man nicht erklären, was Europa bedeutet“, so Scholz. Und als Triathlet bringe Maas darüber hinaus die nötige Ausdauer mit. „Er weiß, wie man sich seine Kraft einteilen muss.“
Partner von Natalia Wörner
Einer breiten Öffentlichkeit ist Maas durch die Berichte in den bunten Zeitungen bekannt, er ist der Mann an der Seite der Schauspielerin Natalia Wörner. Dabei tritt Maas selbst eher zurückhaltend auf, ist aber für seine klugen Analysen ebenso bekannt wie für sein ausgleichendes Wesen und seine Fähigkeit, in der Politik über Parteigrenzen hinaus Freundschaften zu pflegen – zum Beispiel mit der früheren Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, deren Stellvertreter er einst in der schwarzroten Koalition an der Saar war.
Das Arbeitsministerium, für die SPD von besonderer Bedeutung, übernimmt Hubertus Heil. Der frühere SPD-Generalsekretär und stellvertretende Fraktionsvorsitzende bringt jahrelange Erfahrung mit. Andrea Nahles lobt ihn überdies als bestens vernetzt und guten Verhandler.
Ein Quiz mit Fragen zur neuen Ministerriege finden Sie unter schwäbische.de/ministerquiz