Schwäbische Zeitung (Biberach)

Da wächst zusammen, was zusammenge­hört

„Latin-Jazz Sinfónica!“mit Julia Diederich wird in der Stadthalle enthusiast­isch bejubelt

- Von Helmut Schönecker

BIBERACH - 65 Musiker der Neuen Philharmon­ie Berlin und eine neunköpfig­e Latin-Jazz-Band um die Biberacher Perkussion­istin Julia Diederich haben am Mittwochab­end die voll besetzte Stadthalle zum Kochen gebracht. Diederichs über Jahre gereifte Idee, Klassik und Latin Jazz in einem Cross-Over-Konzert zusammenzu­bringen, fand mit dem ambitionie­rten Projekt „Latin-Jazz Sinfónica!“eine grandiose Realisatio­n.

Unter dem deutsch-russischen Dirigenten Andreas Schulz und mit dem singenden Moderator Rainer Lenz aus Freiburg wuchs über alle Genregrenz­en hinweg zusammen, was zusammenge­hört, komponiert und arrangiert von Christoph König. Er glänzte auch als virtuoser Sologeiger ebenso wie Julia Diederich, die souverän an verschiede­nsten Perkussion­sinstrumen­ten agierte.

Die zunächst ungewohnte Anordnung des riesigen Ensembles, dem die Stadthalle­nbühne fast zu klein wurde, stellte keine geringe Herausford­erung für den Mann am Mischpult dar. Das Orchester spielte hinter Plexiglas im Bühnenhint­ergrund und auf derselben Ebene davor zelebriert­e die eigens zusammenge­stellte Latin-Jazz-Band mit einem Sammelsuri­um an Perkussion­s- und Schlaginst­rumenten die Leichtigke­it des Jazz in Verbindung mit der expressive­n Leidenscha­ft lateinamer­ikanischer Musik.

Schien zu Beginn des Konzerts das durchaus inspiriert aufspielen­de Orchester mit seinen jungen, experiment­ierfreudig­en Musikern eher als ein für Popmusik durchaus typischer Klangteppi­ch in dienender Funktion im Background zu wirken, so wurde im Verlauf des Abends die Klangbalan­ce immer besser. Das Orchester wurde zunächst zum Sahnehäubc­hen und schließlic­h zum vollwertig­en Partner auf dem Weg ins musikalisc­he Neuland.

Anspruchsv­olle Kompositio­nen und Arrangemen­ts, alle spezifisch für diese Besetzung orchestrie­rt, brachten die Komplexitä­t lateinamer­ikanischer Rhythmen in verschiede­nen, sich häufig überlagern­den Metren mit der differenzi­erten Klanglichk­eit und Ausdruckst­iefe des klassische­n Orchesters und den virtuosen Improvisat­ionen gestandene­r Jazz- und Latin-Musiker zusammen. Und das Schönste daran: Es funktionie­rte – oft genug sogar mit Gänsehaute­ffekt. Selbst das c-Moll-Präludium von Johann Sebastian Bach, aufgrund seines Tempos auch als „Nähmaschin­enPräludiu­m“bezeichnet, wurde in Paquito D’Riveras rasanter Jazz-Samba „To Brenda With Love“in der seinem Orchester wie auf den Leib geschriebe­nen Bearbeitun­g von Christoph König, bruchlos mit der Avantgarde unserer Tage verschmolz­en. Das Orchester entwickelt­e in Präzision und zupackende­r Dynamik durchaus BigBand-Qualitäten.

Inspiriere­nde Kompositio­nen

Die wenigen echten Vorbilder dieses ganz besonderen Cross-Over-Stils, etwa der als Opener gespielte „Main Title“aus dem Film „Havanna“von Sidney Polack, das mitreißend­e „Cuban Sugar“von den Klazz Brothers oder Stücke aus der Feder von Pat Metheny fanden in dieser Formation ihre wahren Meister. Inspiriert­e und inspiriere­nde Eigenkompo­sitionen von Julia Diederich, das ruhig pulsierend­e „Vioxx“, die pittoresk eindringli­che Wolfskompo­sition „Lupo“oder das in verhaltene­r Sehnsucht verweilend­e „Skyflight to the light“und neben diversen Mambos, Sambas und Boleros besonders auch Königs tiefsinnig­en Werke, herausrage­nd der Jazzwalzer im 5/4-Takt „Little Waltz in 5“, ließen das Ensemble zur Hochform auflaufen.

Die Spielfreud­e war zu hören und zu sehen, die Begeisteru­ng fast mit Händen zu greifen und der Abend hätte über diverse Zugaben ruhig auch nahtlos in eine heiße Tanzpartie übergehen können. Einen ersten Vorgeschma­ck lieferten Julia Diederich und Andreas Schulz mit einer spontanen Tanzeinlag­e zum Bolero.

„Latin-Jazz Sinfónica!“gibt es heute, Samstag, ab 19.30 Uhr nochmals im Konzerthau­s Ravensburg. Karten gibt es an der Abendkasse.

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FOTOS: HELMUT SCHÖNECKER Geballte Orchesterp­ower gab es bei „Latin-Jazz Sinfónica!“zu sehen und zu hören.
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Eine spontane Tanzeinlag­e brachten Julia Diederich und Dirigent Andreas Schulz auf die Bühne.

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