Schwäbische Zeitung (Biberach)
Integrationsbeauftragte verlässt Biberach
Martina Eisele hat in mehr als sieben Jahren auf diesem Posten viel bewegt.
BIBERACH - Wenn es um Integration geht, müssen sich die Menschen der Stadt Biberach ab April an eine neue Ansprechpartnerin gewöhnen. Martina Eisele, die 2010 die damals neu geschaffene Stelle der städtischen Integrationsbeauftragten antrat, wechselt in den Landkreis Sigmaringen. Wie sie die Zeit in Biberach erlebt hat und welche Erfolge sie hatte, erzählt sie im Gespräch mit Redakteurin Tanja Bosch.
Frau Eisele, Integrationsbeauftragte zu sein, ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Vor allem im Hinblick auf die vielen Menschen, die zu uns geflüchtet sind. Wie sind Sie mit diesen Herausforderungen umgegangen?
Das Wichtigste an meiner Arbeit ist es, gerne mit Menschen zusammenzuarbeiten und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen. Und dann braucht man viel Geduld. Geduld für die Menschen und ihre unterschiedlichen Geschichten und Kulturen, aber auch Geduld bei der Arbeit, weil doch nicht alles so schnell geht, wie ich mir das vielleicht vorstelle. Manchmal braucht es, auch als Integrationsbeauftragte, viele kleine Schritte, um etwas zu bewegen.
Haben Sie das Gefühl, Sie konnten in Biberach etwas bewegen?
Ja, auf jeden Fall. Wir haben viele Projekte umgesetzt, vieles ausprobiert und auf den Weg gebracht. Wenn ich zum Beispiel an das Elternmentorenprojekt denke, dann war das unser erstes großes Projekt, das inzwischen zum Dolmetscher-Pool „iDol“angewachsen ist. Weitere erfolgreiche Projektbeispiele die wir auf den Weg gebracht haben sind das Café Global im Familienzentrum, die interkulturellen Wochen, der Runde Tisch für Flüchtlingsarbeit, der interkulturelle Schützenflyer und nicht zu vergessen viele kleine und größere Maßnahmen, um die interkulturelle Öffnung der Stadtverwaltung weiterzuentwickeln. Ich sage „wir“, weil für die Arbeit immer Kooperationspartnerschaften notwendig sind.
Wenn Sie das alles so aufzählen, fällt es Ihnen dann nicht schwer, zu gehen?
Doch, es fällt mir sehr schwer. Ich habe hier so viele Menschen kennengelernt und in mein Herz geschlossen. Ich schaffe das auch alles nur, weil ich weiß, dass ich einmal im Monat zum Friseur hierher komme oder zum Filmfest oder zum Interkulturellen Markt. So richtig loslassen kann ich Biberach nicht.
Warum haben Sie trotzdem den Entschluss gefasst zu gehen?
Nach mehr als sieben Jahren ist es einfach Zeit für etwas Neues. Ich mag neue Herausforderungen und einen Wechsel in meinem Leben. Dazu kommt, dass ich jeden Tag von Sigmaringen nach Biberach gependelt bin, da bleibt viel Zeit auf der Straße liegen. Meine Familie lebt im Kreis Sigmaringen und in Berlin. Ich freue mich durch den Wechsel auch auf mehr Zeit für die Familie.
Sind Sie glücklich, dass die Stadt so schnell eine Nachfolgerin für Sie gefunden hat?
Ja, natürlich, es ist sehr wichtig, dass es gleich weitergeht. Ich habe auch vor allem deshalb ein gutes Gefühl, weil wir vor meinem Abschied noch das Haus in der Waldseer Straße für die ehrenamtliche Flüchtlingsarbeit einweihen konnten. Auch das Projekt „Kitchen on the run“, das bald nach Biberach kommt, muss gut vorbereitet werden. Meiner Nachfolgerin wird es also nicht langweilig, es gibt viele Projekte, die entwickelt und begleitet werden müssen.
Das hört sich alles nach richtig viel Arbeit an. Wie ist das alles mit einer Vollzeitstelle zu bewältigen?
Das geht nicht. Eine Stelle ist viel zu wenig, wenn man bedenkt, wie breit gefächert der Bereich ist. Ich bin auch ganz ehrlich, ich hätte das alles nicht geschafft, wenn mich nicht eine Kollegin mit einem Masterstudium in den letzten Monaten mit einer halben Stelle unterstützt hätte. Diese Aufgabenvielfalt kann nicht von einer Person
bewältigt werden. Ich wünsche Biberach sehr, dass sich in diesem Bereich etwas bewegt.
Wie steht es eigentlich um das größte „Projekt“von allen, die Integration?
Wenn wir über Integration sprechen, geht es in den meisten Köpfen immer noch darum, wie schnell oder wie gut sich Migranten in unsere Gesellschaft integrieren. Wir übersehen dann, dass Integration ein Prozess ist, der alle Menschen in einer Stadt betrifft. Dieser Prozess gelingt nur, wenn alle dazu bereit sind und jeder seinen Teil dazu beiträgt. Je offener und vorurteilsfreier wir mit unseren neuen Nachbarn umgehen, je mehr Kontakte und Begegnungen wir persönlich im Alltag ermöglichen, umso schneller werden diese Menschen in unserer Gesellschaft ankommen. Der ständige Blick auf Probleme hilft nicht weiter. Für Integration gibt es kein Patentrezept. Es braucht gute Strukturen vonseiten der Kommune und eine offene Gesellschaft. Dann
wird aus Integration eine Win-winSituation für die gesamte Bevölkerung.
Wie läuft das aus Ihrer Sicht in Biberach?
Es läuft gut, weil viele Stellen daran arbeiten weitere Strukturen aufzubauen. Es gibt ein funktionierendes Netzwerk im Bereich Integration und viele Menschen, die sich ehrenamtlich und hauptamtlich engagieren und sehr motiviert sind. Trotzdem müssten sich die Menschen noch mehr öffnen. Als „Schwaben“gehen wir nicht unbedingt auf unsere Nachbarn zu, warten erst mal ab, wer da kommt. Wenn die neuen Nachbarn nicht unsere Sprache sprechen, wird es schwerer. Ich sehe aber auch, dass Biberach neben traditionell eben auch weltoffen ist und die Stadt auf einem guten Weg ist.