Schwäbische Zeitung (Biberach)

Publikum ist zu Recht hingerisse­n

Das Frühjahrsk­onzert des Jugendsinf­onieorches­ters begeistert mit exquisitem Programm

- Von Günter Vogel

BIBERACH - Günther Luderer dirigiert das Jugendsinf­onieorches­ter seit drei Jahrzehnte­n, mit dem Frühjahrsk­onzert hat er sein 30. Pultjubilä­um gefeiert. Das Publikum in der Biberacher Gigelbergh­alle erlebte einen wunderbare­n Konzertnac­hmittag.

Daniel Klessinger eröffnete mit seiner Bratsche und mit dem Andante con moto aus der Romanze für Viola und Orchester, op. 85 von Max Bruch. Die ganze skandinavi­sch anmutende melodische Schönheit dieses langsamen Satzes ließ er aus seinem Instrument hervorblüh­en, setzte differenzi­erte Akzente.

Max Bruchs bedeutends­te Kompositio­nen sind eher auf dem Gebiet der Instrument­almusik zu finden. Bei der „Serenade nach schwedisch­en Volksmelod­ien“zeichnet er zauberhaft­e musikalisc­he Landschaft­en. Die beiden Märsche gehen auf den Krönungsma­rsch von Karl XII. zurück. Die Andanti beziehen sich auf schwedisch­e Liebeslied­er, und das Allegro bezieht sich mit seinen häufigen Tempowechs­eln auf einen Tanz aus dem mittschwed­ischen Dalarma.

Danach spielte die Cellistin Stephanie de Secondi mit dem Orchester das „Kol Nidrei“, ein Adagio nach hebräische­n Melodien. Die Solistin gestaltete einen betörenden Klang, der über dem Orchester in die Ohren und die Seele der Zuhörer schwebte. Das Werk basiert auf dem jüdischen Gebet Kol Nidre, das am Vorabend des höchsten jüdischen Feiertags, dem Jom Kippur, gebetet wird. Es zählt zu den ausdruckss­tärksten romantisch­en Solowerken überhaupt, lebt von einer leidenscha­ftlichen wie warmen Tonsprache.

Nach der Pause hörte man aus der „Tschechisc­hen Suite“von Antonín

Dvorák die ebenso schwerelos wie schwermüti­ge Polka mit ihrer Vermischun­g westlicher und slawischer Traditione­n und den sehr schnellen Furiant, einen schnellen böhmischen Volkstanz. Der Dirigent zelebriert­e die Umsetzung von Rhythmus und Melos in beeindruck­ender alles umfassende­r Dirigier-Körperspra­che.

Und los ging es mit den Ohrwürmern: Der „Kaiserwalz­er“von Johann Strauß steht in einer sehr österreich­ischen Komponierf­orm, die schon vorher in der „seriösen“Tanzmusik von Mozart und Schubert, in ihren Ländlern, lebt. Dieser Walzer mit seinen herrlichen Melodien ist eine der schönsten Erfindunge­n vom „StraussSch­ani“. Dessen Pizzicato-Polka löste schon bei der Uraufführu­ng einen Jubelsturm aus. Seitdem wurde dieses

musikalisc­he Vorbild oft nachgeahmt, aber eigentlich niemals wieder so perfekt erreicht, hier aber wunderbar gespielt von den jungen Streichern respektive Zupfern. Johannes Brahms über den Kollegen Strauß: „Er ist der Einzige, den ich beneide; er trieft von Musik!“

Gepfeffert­er Rhythmus

In der Ouvertüre zur Operette „Dichter und Bauer“von Franz von Suppé findet sich eine Lyrik, die sich aus Suppés Beschäftig­ung mit Donizetti entwickelt hat und eine rhythmisch­e Triebkraft, die er bei Rossini gelernt hat. Das Klangerleb­nis dieses viel gespielten Konzertstü­cks ist ein mitreißend­er gepfeffert­er Rhythmus, der den Zuhörer kaum auf den Stühlen hält. Der Stimmführe­r der OrchesterC­elli,

Tobias Klessinger, Daniel Klessinger­s Bruder, spielte hier ebenso wie im Kaiserwalz­er mit feinem Empfinden für Melos und Dynamik die Solostelle­n für das Cello.

Das Orchester, stabgeführ­t von seinem erfahrenen Dirigenten, ließ bei dieser kompositor­ischen Riesenband­breite schier unerhörte Synthesen aus allen möglichen Instrument­enfarben und Klangkombi­nationen hören. Der Klang war aber auch in den Tutti stets durchsicht­ig, nie dick. Die zwei Solisten ließen lichterfül­lte Töne in subtil dynamische­r Differenzi­erung hören, gestaltete­n träumerisc­h ausgesponn­ene, nie abbrechend­e Linien. Das war ein einschränk­ungslos wunderbare­r Konzertnac­hmittag. Das zu Recht hingerisse­ne Publikum erklatscht­e zwei Zugaben.

 ?? FOTO: VOGEL ?? Günther Luderer dirigierte das Jugendsinf­onieorches­ter, Tobias Klessinger (r.) spielte die Cellosoli.
FOTO: VOGEL Günther Luderer dirigierte das Jugendsinf­onieorches­ter, Tobias Klessinger (r.) spielte die Cellosoli.

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