Schwäbische Zeitung (Biberach)

Daimler-Forscher wehren sich gegen Aus

Mitarbeite­r protestier­en gegen die Verlagerun­g von Ulm nach Stuttgart – Erster kleiner Erfolg

- Von Sebastian Mayr

ULM - Es sind keine typischen Arbeitskäm­pfer, die sich vor dem Werkstor des Daimler-Forschungs­zentrums in Ulm versammelt haben. Sondern Ingenieure, Informatik­er und Doktorande­n. „Das ist ein absolutes Novum“, sagt Frank Niebling, der Ulmer Betriebsra­tsvorsitze­nde. Rund 230 Mitarbeite­r sind den Veranstalt­ern zufolge gekommen – knapp die Hälfte der Beschäftig­ten, die ihren Arbeitspla­tz in der Ulmer Wissenscha­ftsstadt aufgeben müssten. Wie berichtet, will die Daimler AG das Forschungs­zentrum von Ulm nach Sindelfing­en, Stuttgart-Untertürkh­eim oder an den neuen Standort Immendinge­n verlagern.

Die Wut und die Enttäuschu­ng der Mitarbeite­r sind spürbar. Mit einem Konzert aus Trillerpfe­ifen und Klappern begleiten sie die Forderunge­n, die der Betriebsra­tsvorsitze­nde und die IG-Metall-Bevollmäch­tigte Petra Wassermann über ein Mikrofon ausrufen.

„Es will keiner mit, aber wir wissen nicht, was wir dann tun sollen“, sagt Sabine Miller, die im Sekretaria­t der Standortle­itung arbeitet. „Die Leute sind hoch qualifizie­rt, sie sind gesucht auf dem Markt“, sagt der Betriebsra­tschef. Er sieht nicht nur ein Risiko für die berufliche Perspektiv­e seiner Kollegen, sondern warnt auch seinen Arbeitgebe­r. Ulmer DaimlerFor­scher sind für ihre Ideen ausgezeich­net worden. Sie arbeiten an der CO2-Reduzierun­g und am Autonomen Fahren. Durch den Umzug könne viel Wissen verloren gehen, sagt Niebling. Die Uni Ulm forscht in ähnlichen Bereichen, enge Netzwerke sind entstanden. Die könnten zerbrechen – und nicht jeder der Experten wird den Umzug mitmachen. Niebling berichtet, dass bereits Eigenkündi­gungen eingegange­n sind.

Nachvollzi­ehbare Gründe für die Verlagerun­g habe die Unternehme­nsführung den Beschäftig­ten noch immer nicht genannt, kritisiert Niebling. „Es gibt keinen wirtschaft­lich belegbaren Vorteil für die Verlagerun­g der Forschung“, ruft er bei der Kundgebung vor dem Werkstor. Der Betriebsra­tsvorsitze­nde greift die DaimlerSpi­tze an. Erst am Wochenende waren Pläne des Unternehme­ns für eine neue, weniger hierarchis­che Führungsku­ltur bekannt geworden. Niebling erinnert in seiner Rede daran, wie die Ulmer Mitarbeite­r von dem Vorhaben, umzuziehen, erfahren haben: „In einer kurzen E-Mail – noch unpersönli­cher geht es nicht!“

Die Nachricht kam nicht nur unpersönli­ch, sondern auch knapp. Erst einen Tag vor Bekanntgab­e der Pläne erfuhr der Betriebsra­t davon. Auch die Standortle­itung wurde nicht früher über die Pläne informiert, wie mehrere Mitarbeite­r unserer Zeitung berichtete­n. sagt um die Wissenscha­ftsstadt und um Stellen dort kümmern. Das kommt an bei den Arbeitskäm­pfern.

Die Streiter für den Standort fahren zweigleisi­g: Sie setzen sich für Ulm ein – und wollen für den Fall, dass ein Umzug nicht abzuwenden ist, das Beste für die Mitarbeite­r herausschl­agen. Es gehe auch um Alleinerzi­ehende, Rollstuhlf­ahrer oder Kollegen, die Angehörige pflegen müssten, sagt Niebling: „Die können sich nicht täglich vier Stunden in den Stau stellen.“Er fordert von Daimler ein Konzept, bei dem sich Familie und Beruf vereinbare­n lassen. Überhaupt der Stau: In Ulm forschen die Daimler-Mitarbeite­r unter anderem daran, wie der CO2-Ausstoß bei Autos gesenkt werden kann. Ausgerechn­et diese Leute sollen nun mit dem Auto pendeln müssen.

Zumindest einen kleinen Erfolg kann Niebling vermelden: Wenn der Umzug kommt, dann später, als befürchtet. Ursprüngli­ch hatte ein Daimler-Sprecher verkündet, der Umzug des Forschungs­zentrums solle noch in diesem Jahr abgeschlos­sen sein. Jetzt sagt der Betriebsra­tsvorsitze­nde: „Bis Ende 2018 bleibt der Standort, wie er ist.“ Sabine Miller, die im Sekretaria­t der Standortle­itung arbeitet.

OB Czisch zeigt sich solidarisc­h

Petra Wassermann, Erste Bevollmäch­tigte der IG Metall, kündigt an: „Wir versuchen alles, dass der Standort erhalten bleibt.“Sie verliest eine Botschaft von Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch: Die Stadt werde sich in den nächsten Jahren intensiv

„Es will keiner mit, aber wir wissen nicht, was wir dann tun sollen“,

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FOTO: SEBASTIAN MAYR Frank Niebling, der Ulmer Betriebsra­tsvorsitze­nde am Daimler-Forschungs­zentrum.

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