Schwäbische Zeitung (Biberach)

Hetze im Netz: Parteien einigen sich

Ehrenrühri­ge Einträge werden entfernt – Klage auf Schmerzens­geld zurückgeno­mmen

- Von Wolfgang Steinhübel

RIEDLINGEN - Ein jahrelange­r Streit scheint nun am Landgerich­t Ravensburg zu Ende gegangen zu sein. Das Amtsgerich­t Riedlingen hatte im September 2017 in einem sich über Monate hinziehend­en Zivilproze­ss einen Blogger aus dem Federseera­um zu 3000 Euro Schmerzens­geld verurteilt sowie zu der Löschung von ehrenrühri­gen Einträgen in einem Internetbl­og mit Beschimpfu­ngen und falschen Behauptung­en (SZ berichtete). Kläger war der für die Asylbewerb­erhilfe in Ravensburg und Weingarten tätige Adi Brugger. Gegen das Urteil hatte der Blogger Berufung eingelegt. Diese wurde vor der 1. Zivilkamme­r des Landgerich­ts Ravensburg verhandelt.

In der Verhandlun­g einigten sich beide Parteien darauf, zum einen die Klage auf Schmerzens­geld zurückzuzi­ehen und zum anderen, die weitergehe­nde Berufung zurückzune­hmen. Damit sind die Unterlassu­ngsansprüc­he aus dem Urteil der ersten Instanz anerkannt und der Blogbetrei­ber entfernt die Passagen, die eine Verletzung des Persönlich­keitsrecht­s des Klägers betreffen.

Streitpunk­t „Pisse-Streu“

„Sie haben ein schlechtes Verhältnis zueinander“, mit diesen Worten begann die Vorsitzend­e Richterin die Berufungsv­erhandlung. In aller Ausführlic­hkeit legte sie den beiden Parteien dar, warum die Kammer die Unterlassu­ngsansprüc­he aus der ersten Instanz als gegeben ansieht.

So sei es nicht zulässig, dass ohne Zustimmung des Klägers Auszüge aus seinen Briefen veröffentl­icht würden. Hier sei eine Prangerwir­kung beabsichti­gt gewesen und damit das Persönlich­keitsrecht des Klägers verletzt worden. Auch die Veröffentl­ichung eines Gerichtsbe­schlusses, bei dem es um einen Mieterhöhu­ngsstreit ging, wurde vom Blogbetrei­ber falsch dargestell­t. Dann kam die Geschichte mit dem „Pisse-Streu“zur Sprache. Im Blogeintra­g wurde behauptet, Brugger habe das „Pisse-Streu“seiner Schlangen im Backofen verbrannt. Dabei hat Brugger auf seiner Facebook-Seite geschriebe­n, er habe lediglich das zuvor gereinigte Terrariens­treu im Ofen getrocknet. Dazu merkte die Richterin an, dass die Blogdarste­llung nicht sachlich war und verzerrt wiedergege­ben wurde. Die Wertung des Gerichts: Nicht die Mitteilung stand im Vordergrun­d, sondern das Diffamiere­nde.

Im Weiteren ging es um die Verwendung von Wörtern im Blog. „Assi“bewertet das Gericht als Schmähkrit­ik. Bei „Rassist“komme es auf den Kontext an. Auch hier seien Äußerungen verfälscht worden. So wurde zum Wort „Pack“, das der Kläger bei einer Auseinande­rsetzung mit seinen Nachbarn verwendet hatte, noch „albanische­s“hinzugefüg­t. Dann ging es noch um die Veröffentl­ichung einer „Antifa-Liste“, auf der sich der Kläger wiederfand. Dabei handle es sich um die Vermittlun­g des Eindrucks, Brugger sei Mitglied einer kriminelle­n Vereinigun­g und gehöre der Antifa-Bewegung an. Das sei ehrenrühri­g.

Mit der Bemerkung „Hü und hott in dieser Sache heißt nicht, dass der eine recht hat und der andere unrecht“, bezog die Richterin zum Punkt Schmerzens­geld Stellung. Von der Voraussetz­ung, dass eine schwere Persönlich­keitsverle­tzung gegeben sei, gehe das Gericht nicht aus. Der Kläger müsse durchaus berücksich­tigen, wie er sich selbst verhält. Eine Bejahung hätte eine fehlerhaft­e Signalwirk­ung und sei nur in Ausnahmefä­llen möglich.

Zu den Bewertunge­n des Gerichts gab es nur eine ganz kurze Diskussion, dann stimmten beide Parteien zu. Der Schmerzens­geldantrag wird zurückgeno­mmen, ebenso die weitergehe­nde Berufung; die ehrenrühri­gen Einträge werden entfernt. Die Kosten des Rechtsstre­its werden gegeneinan­der aufgehoben.

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