Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ehrenamtli­cher Richter auf Zeit

Rainer Etzinger hat in vier Jahren als Schöffe am Amtsgerich­t viel erlebt.

- Von Sarah Schleiblin­ger

BIBERACH - In Baden-Württember­g werden in diesem Jahr rund 7000 Schöffen für die Amtszeit von 2019 bis 2023 neu gewählt. Auch in Biberach werden Ehrenamtli­che gesucht, die als Vertreter des Volks an der Rechtsspre­chung in Strafsache­n teilnehmen. Rainer Etzinger ist bereits seit 2014 Schöffe am hiesigen Amtsgerich­t und sieht seine Zeit als ehrenamtli­cher Richter als Bereicheru­ng.

Drogendeli­kte, Gewaltverb­rechen, Körperverl­etzung: Der Biberacher Rainer Etzinger hat als Schöffe schon viel erlebt. „Mein schlimmste­r Fall war erst vor Kurzem“, sagt der 71-Jährige. „Ein Mann hatte pornografi­sche Schriften auf seinem Computer gespeicher­t und war sich vor Gericht keiner Schuld bewusst. Das ist mir persönlich sehr nahe gegangen.“Solche Prozesse seien aber eher die Ausnahme.

Bis zu zehn Verhandlun­gen im Jahr

Zum Schöffenam­t kam Etzinger, der als CDU-Mitglied auch im Biberacher Gemeindera­t sitzt, durch Zufall. „In der Fraktion wurde herumgefra­gt, wer sich für das Amt begeistern kann und da habe ich mich spontan gemeldet“, sagt er. Jeder, der Schöffe werden möchte, muss sich als Erstes im entspreche­nden Rathaus um die Aufnahme in die Vorschlags­liste bewerben. Auch Rainer Etzinger hat sich so auf das Ehrenamt beworben. „Jede Kommune stellt Listen mit geeigneten Bewerben zusammen“, sagt er. Diese sollte mindestens doppelt so viele Personen enthalten, wie Schöffen benötigt werden. Gewählt werden die Schöffen schließlic­h von einem neunköpfig­en Wahlaussch­uss beim jeweiligen Amtsgerich­t.

Insgesamt zehn Schöffen und fünf Ersatzschö­ffen gibt es beim Amtsgerich­t Biberach. Immer zwei sind gemeinsam im Einsatz, Rainer Etzinger nimmt im Schnitt an acht bis zehn Verhandlun­gen jährlich teil. „Schon Anfang des Jahres bekomme ich eine Liste mit den Terminen“, erzählt Etzinger. Die schaut er sich an und gibt Bescheid, wenn er an bestimmten Terminen schon sicher nicht kann. Ansonsten ist Anwesenhei­t Pflicht: „Wenn ich nicht komme, ohne mich abzumelden, ist das eine Ordnungswi­drigkeit und wird bestraft.“

Vor jeder Verhandlun­g erhält Rainer Etzinger eine Ladung, in der steht, um was es geht und wer der Beschuldig­te ist. „Die Anklagesch­rift bekomme ich erst unmittelba­r vor dem Prozess zu lesen.“Die beiden anwesenden Schöffen dürfen immer wieder Fragen zum Sachverhal­t stellen, am Schluss besprechen sie gemeinsam mit dem Vorsitzend­en Richter das Strafmaß. „Der Richter gibt uns vor, in welchem Rahmen sich das Strafmaß rein rechtlich bewegen kann“, sagt Etzinger. Anschließe­nd folgen teils emotionale Debatten. „Wir schauen uns auch immer an, wie das soziale Umfeld des Angeklagte­n aussieht und überlegen, wie er sich voraussich­tlich entwickeln wird.“Bei der Entscheidu­ng haben die beiden Schöffen und der Richter je eine Stimme – die Mehrheit zählt.

Empathie ist wichtig

Für die Arbeit als Schöffe ist ein hohes Maß an sozialer Kompetenz und an Empathie wichtig. „Auch Lebenserfa­hrung und Menschenke­nntnis helfen einem weiter“, sagt Etzinger. „Schließlic­h muss man sich in kurzer Zeit ein umfassende­s Bild von einem Menschen machen.“Rainer Etzingers Zeit als Schöffe endet im Dezember dieses Jahres. Für ihn waren es vier spannende Jahre, in denen er einen Einblick in einen für ihn bis dato verborgene­n Bereich bekommen hat.

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FOTO: SCHLEIBLIN­GER
 ?? FOTO: SARAH SCHLEIBLIN­GER ?? Auf dem Weg ins Amtsgerich­t: Rainer Etzinger ist einer von zehn Schöffen in Biberach.
FOTO: SARAH SCHLEIBLIN­GER Auf dem Weg ins Amtsgerich­t: Rainer Etzinger ist einer von zehn Schöffen in Biberach.

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