Schwäbische Zeitung (Biberach)
Kriminalität sinkt auf Rekordtief
Seit einer Dekade hat das Polizeipräsidium Ulm nicht mehr so wenig Verbrechen verzeichnet
ULM (sz) - Allen Unkenrufen zum Trotz: Das Polizeipräsidium in Ulm hat im vergangenen Jahr so wenig Straftaten wie seit zehn Jahren nicht mehr registriert. Im Bereich des Präsidiums, das die Stadt Ulm sowie die Kreise Alb-Donau, Biberach, Göppingen und Heidenheim umfasst, gingen im vergangenen Jahr 36 586 Straftaten in die Statistik ein. Das sind 1829 weniger als im Vorjahr, wie Polizeipräsident Christian Nill bei der Vorstellung der „Sicherheitsbilanz“vorrechnete. Auch im Bereich „Straftaten je 100 000 Einwohner“liegt die Region mit 4067 auf einem Zehnjahrestief.
Nill bekannte jedoch, dass in weiten Teilen der Bevölkerung „die gefühlte Situation eine ganz andere“sei. Doch für dieses Bauchgefühl, das beispielsweise Frauen auf dem alltäglichen Weg zum Bäcker bei Dunkelheit Angst einjage, gebe es keine Belege. Allerdings bedeute dies nicht, dass die Polizei rund um Ulm keine Sorgen hat. So verzeichnet die Polizei einen Zuwachs bei „Aggressionsdelikten im öffentlichen Raum“. Das sind vor allem Körperverletzungen auf offener Straße. Die 1831 Straftaten in diesem Bereich bedeuten eine Zunahme um 8,6 Prozent. Nill vermutet einen Zusammenhang mit zunehmender Aggression in politischen Debatten sowie in Beiträgen auf sozialen Netzwerken und wahrhaft fliegenden Fäusten. Gewalt am eigenen Leib bekommen seit einigen Jahren vermehrt Polizeibeamte zu spüren: 230 Fälle verzeichnete das Präsidium im vergangenen Jahr, eine Zahl auf dem hohen Vorjahresniveau. „Das können und wollen wir nicht tolerieren“, bekräftigte Bernd Hummel, Leiter der Kriminaldirektion, die Sicht der Polizei. Überwiegend in städtischen Gefilden sei Gewalt ein Thema. In Ulm, „der Eventstadt, die niemals schläft“, wie es Nill ausdrückte, müssten die Sicherheitskräfte oftmals unter „widerwärtigsten Bedingungen“arbeiten.
Nur ein Tötungsdelikt ungeklärt
Versuchte Morde verzeichnete die Polizei Ulm im vergangenen Jahr elf, vollendet wurden fünf. Versuchte Tötungen landeten 21 Mal in der Statistik, vollendete drei. Bis auf einen Fall seien sämtliche 45 „Straftaten gegen das Leben“(2016: 38 Fälle) aufgeklärt worden. Der nicht aufgeklärte Fall sei ein Tötungsdelikt aus Ulm-Söflingen, so Bernd Hummel. Vermeintlich bereits aufgeklärt, tappten die Ermittler bei diesem komplizierten Fall wieder im Dunkeln.
Prinzipiell sei der Raum Ulm verglichen mit anderen Großstädten „sehr sicher“, betonte Nill. Im Gegensatz zu so manchem Diskussionsbeitrag bildeten Ausländer keine größer werdende Tätergruppe: Der Anteil der ausländischen Tatverdächtigen an der Gesamtzahl der Tatverdächtigen liegt auf dem Niveau des Vorjahres, nämlich bei 37,2 Prozent. Insgesamt ist laut Statistik bei der Anzahl der tatverdächtigen Ausländer (inklusive Asylbewerber) ein Rückgang von 6305 auf 6147 Tatverdächtige zu verzeichnen (Rückgang um 158 Personen und damit 2,5 Prozent).
Eine leichte Abnahme ist auch bei den tatverdächtigen Asylbewerbern und Flüchtlingen zu erkennen: Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Tatverdächtigen liegt mit 11,4 Prozent knapp unter dem Niveau des vergangenen Jahres, in dem dieser Wert 11,8 Prozent betrug. Wie Nill betonte, mache den Sicherheitskräften beim Klientel Asylbewerber zunehmend eine vergleichsweise kleine Gruppe an Mehrfachtätern zu schaffen. Mit einer „passgenauen Konzeption“würden jedoch Polizei und Behörden den Druck auf Mehrfachtäter erhöhen. So würden gezielt Ermittlungserkenntnisse personenbezogen gebündelt, um in engem Kontakt, beispielsweise mit den Ausländerbehörden und den Staatsanwaltschaften, zeitnahe Sanktionen zu ermöglichen. Auffällig sei, dass diese Intensivtäter in Asylbewerberheimen wohnen würden. Besser integrierte Flüchtlinge würden weniger straffällig.
Auch die Zahl der schweren Diebstähle ging um 686 Fälle auf 4327 Straftaten zurück. Dies sei unter anderem auf die positive Entwicklung bei der Zahl der Wohnungseinbrüche zurückzuführen. 2017 wurden 589 Einbrüche gezählt, 2016 waren es noch 779. Mit einer Aufklärungsquote im Bereich des Wohnungseinbruchsdiebstahls von 25,8 Prozent liege das Präsidium Ulm deutlich über dem Landesdurchschnitt von 21,7 Prozent. „Auch wenn die Fallzahlen spürbar rückläufig sind und die Aufklärungsquote in diesem Bereich deutlich anstieg, stehen die Verhinderung von Einbrüchen und die Aufklärung von begangenen Delikten weiter im Fokus der polizeilichen Arbeit“, so Bernd Hummel. Durch täterorientierte Ermittlungen, Ermittlungskooperationen mit benachbarten Dienststellen und auf bayerischer Seite dem Polizeipräsidium Schwaben Süd/West konnte eine Vielzahl von Wohnungseinbrüchen geklärt und die Mitglieder verschiedener Banden inhaftiert werden. Parallel zu den Ermittlungsmaßnahmen wurde die Präsenz von Polizeikräften gerade im Winterhalbjahr deutlich erhöht.
Trickbetrug nimmt zu
Einen starken Anstieg bei allerdings geringer Basiszahl verzeichnet das Polizeipräsidium bei den Betrugsdelikten, bei denen die Täter bei ihren Opfern anrufen und sich als Verwandter oder Polizist ausgeben. Nach einem deutlichen Rückgang im Jahr 2016 mit 62 registrierten Fällen nahm die Zahl im Jahr 2017 wieder zu: 95 Straftaten kamen bei der Polizei zur Anzeige. In acht Fällen kamen die Täter zum Ziel. Den Geschädigten entstand ein Gesamtschaden in Höhe von 43 000 Euro. Bei dem Phänomen, in dem sich die Anrufer als Polizeibeamte ausgeben, erwecken die vermeintlichen Beamten den Eindruck, die Angerufenen seien im Visier von Einbrechern. Deshalb sollten die Opfer sämtliche Wertgegenstände einem Boten geben, der von den vermeintlichen Polizisten vorbeigeschickt wird. Auf dem Display des Teilnehmers erscheint oftmals durch technische Manipulation die Telefonnummer einer Polizeidienststelle oder die Notrufnummer 110. Nachdem es im Jahr 2016 17 erfasste Fälle gab, wurden 2017 183 solcher Delikte registriert. In 148 Fällen blieb es beim Versuch. Bei den Fällen, in denen die Täter zum Ziel kamen, entstand den Geschädigten ein Gesamtschaden von rund 293 000 Euro. Die Zunahme ist für die Polizei besorgniserregend. „Wir haben diese Zahlen vor Augen und arbeiten an Konzepten und Maßnahmen, um die Bürger vor diesen Delikten zu schützen und die Täter dingfest zu machen“, so Bernd Hummel.
Die Zahl der Sexualdelikte lag im vergangenen Jahr bei 450. Mit den 388 Fällen aus dem Jahr zuvor sei diese Ziffer nicht zu vergleichen, so Nill. Denn mit Beginn des Jahres sei das Sexualstrafrecht verschärft worden. So seien 2017 insgesamt über 100 Delikte anders bewertet worden, als es 2016 der Fall gewesen wäre. Zudem führt die Polizei die Zunahme auf die Sensibilisierung der Bevölkerung für diesen Deliktbereich zurück.