Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Über die Täter erfährt man wenig“
Der Tiermediziner René Dörfelt über Hundehasser und wie man vergifteten Vierbeinern helfen kann
RAVENSBURG - Schlagzeilen aus dem Südwesten: „Mops stirbt nach Spaziergang: Polizei vermutet Giftköder“(Freudenstadt), „Vermeintliche Giftköder sorgen für Aufruhr“(Aalen), „Giftköder-Attacken reißen nicht ab“(Inzigkofen), „Hund hat vermutlich Giftköder geschluckt“(Bad Waldsee). Hundebesitzer müssen gut aufpassen, sagt der Tiermediziner René Dörfelt. Vor allem in Parks würden immer wieder Köder mit Rattengift, Schneckenkorn, Rasierklingen ausgelegt. Neuerdings häuften sich auch Vergiftungen mit Schmerzmitteln wie Aspirin oder Ibuprofen. Im Gespräch mit Hanna Gersmann verrät er Tipps, was im Notfall zu tun ist – und was nicht.
Herr Dörfelt, „Bitte passt alle auf Eure Hunde auf“, postete vor wenigen Tagen Timo Hinkelmann, der von der Sat-1-Kochshow „The Taste“bekannt ist, auf seinem Social-Media-Profile. Seine Bulldogge Nelson hatte bei einem Spaziergang in Herford einen Giftköder verschluckt. Wie oft kommen solche Fälle vor?
Zu uns kommen bis zu fünfmal in der Woche Besitzer mit ihrem Hund, weil sie Angst haben, dass ihr Tier einen Giftköder aufgespürt und gefressen hat. In mindestens einem Drittel der Fälle stellt sich heraus, dass das stimmt.
Ihr schlimmster Fall?
Hunde, die Köder mit Rasierklingen gefressen haben – auch das gibt es in den Sprechstunden. Meistens handelt es sich aber etwa um Fleischstückchen, die mit Schneckenkorn oder Rattengift versetzt sind.
Wie lässt sich erkennen, ob der Hund vergiftet wurde?
Die Wirkung ist je nach Gift verschieden. Schneckenkorn zum Beispiel wirkt eher innerhalb von Minuten als in wenigen Stunden. Der Hund erbricht sich, zittert, er kann auch Krämpfe bekommen. Bei Rattengift treten die Symptome indes viel später auf, das kann bis zu fünf Tage dauern. Das Tier bekommt Blutungen, die Lefzen werden blass. Immer muss der Hund zum Tierarzt, je früher, desto besser.
Was macht der Tierarzt?
Ist es noch nicht lange her, dass das Tier das Gift gefressen hat, reicht oft eine Spitze mit einem Medikament, das zum Erbrechen führt. Reicht das nicht aus, muss eine Magenspülung unter Narkose gemacht werden. Am besten kommen Hundebesitzer immer dann in die Praxis, wenn der Vierbeiner schmatzend und kauend von einer Tour zurückkommt, bei der er unbeobachtet und nicht an der Leine war.
Ist das wirklich nötig – was kosten denn Spritze und Magenspülung?
Die Berechnung der Kosten erfolgt nach der Gebührenordnung für Tierärzte und ist von der gesamten Behandlung abhängig. Bekommt das Tier nur die Injektion, sind das etwa hundert Euro, für die Spülung müssen Sie je nach Region und Tageszeit mehrere 100 Euro veranschlagen. Dazu kann unter Umständen noch eine aufwendige stationä-
re Therapie bis hin zur Dialyse kommen.
Wie sind die Erfolgsprognosen?
Bei Schneckenkorn sehr gut, da schaffen es 90 bis 100 Prozent der Tiere. Anders ist das bei Frostschutzmittel, wird nicht innerhalb der ersten vier bis acht Stunden effektiv behandelt, versagen die Nieren.
Die häufigsten Fehler der Tierbesitzer?
Milch ist kein Gegengift. Das denken viele. Aber das Gegenteil stimmt. Milch erleichtert die Aufnahme von Gift in den Darm und ist darum Tabu. Auch sollte man dem Tier nicht den Finger in den Hals stecken, damit es sich erbricht. Die Gefahr ist zu groß, dabei gebissen zu werden. Im Internet wird zudem häufig empfohlen, dem Tier im Notfall eine Wasserstoffperoxid-Lösung
einzuflößen. Das ist aber keine gute Idee, es schädigt Magen und Darm.
Wo muss man sich in Acht nehmen, wo werden die meisten Giftköder ausgelegt?
Das passiert eher in Städten als auf dem Land und dort zumeist in Parks. Manche erstatten Anzeige gegen anonym. Über die Täter erfährt man aber zumeist wenig. Es müssen Leute sein, die Hunde hassen.
Katzen sind weniger gefährdet als Hunde?
Sie sind wählerischer beim Fressen, meiden, was sie nicht kennen. Das schützt sie oft vor Vergiftungen. Aber natürlich können auch sie mal eine Maus fangen, die Rattengift gefressen hat. Außerdem werden Katzen seit einiger Zeit Hygiene-Reinigungsmittel mit sogenannten quartären Ammoniumverbindungen zum Verhängnis. Diese sollen etwa in der Waschmaschine Keime beseitigen. Läuft etwas aus der Flasche aus und die Katze leckt die Flüssigkeit auf, verätzt sie sich damit das Maul stark. Manchmal reichen schon wenige Spritzer.
Sind die zufälligen Vergiftungen häufiger als die durch bewusst ausgelegte Köder?
Es gibt beides. Mancher füttert sein Tier mit Schokoosterhasen oder Weintrauben. Schokolade verursacht beim Hund jedoch Unruhe, Herzrasen, Krampfanfälle. Weintrauben sorgen für Nierenversagen. Neuerdings häufen sich zudem Vergiftungen mit Schmerzmedikamenten, die für den Menschen gedacht sind: Aspirin, Ibuprofen und Paracetamol. Die vertragen aber weder Hund noch Katze. Das Motto „Was für mich gut ist, kann Hund und Katze auch nicht schaden“ist leider falsch.
Wie schütze ich den Hund am besten?
Halten Sie ihn immer unter Beobachtung und setzten Sie einem Hund, der etwa wie ein Labrador alles Mögliche frisst, beim Gassigehen einen Maulkorb auf – auch wenn es Ihnen schwer fällt.