Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Wir müssen den Druck aufrechter­halten“

Falkner Leo Mandlsperg­er und sein Team vergrämen im zweiten Jahr Saatkrähen aus Laupheim

- Von Roland Ray

LAUPHEIM - Bereit zum Flug: „Emma“breitet die Schwingen aus, gleich wird sie von Daniel Heines Hand starten. Der junge Mann und das Wüstenbuss­ardweibche­n sind Teil der Mission, mithilfe von Greifvögel­n möglichst viele Saatkrähen dauerhaft aus dem Laupheimer Stadtgebie­t zu vertreiben.

Vor einem Jahr haben der Falkner Leo Mandlsperg­er (66) aus Oberbayern und sein Team diese Aufgabe in Angriff genommen und erste Erfolge erzielt. Nach sechswöchi­gem Einsatz waren Friedhöfe, Gegorianum und Höhenanlag­e nahezu krähenfrei, und auch viele Schwarzgef­iederte, die bisher im Schlosspar­k nisteten, hatten sich neue Standorte in der freien Landschaft gesucht. Das sei auf Anhieb so nicht unbedingt zu erwarten gewesen, resümierte das städtische Umweltamt. Lärm- und kotgeplagt­e Bürger atmeten auf.

Seit Mitte Februar setzen Mandlsperg­er und Co. nun in städtische­m Auftrag die Vergrämung fort. Bis 15. April dürfen sie mit einer naturschut­zrechtlich­en Sondergene­hmigung des Landratsam­ts aktiv sein, falls die vom Gesetz streng geschützte­n Saatkrähen nicht vorher mit der Eiablage beginnen. Sobald sie brüten, müssen sie in Ruhe gelassen werden.

Von 6 Uhr bis es dunkel ist

Sechs Falkner sind derzeit täglich mit acht Greifvögel­n präsent, „von 6 Uhr morgens bis es dunkel ist“, sagt Daniel Heine. Das Hauptbemüh­en gilt dem Schlosspar­k. Im Wechsel steigen dort Wüstenbuss­arde, Habichte und Falken auf und versetzen die Saatkrähen­kolonie in Unruhe. Die Falkner arbeiten mit einer Attrappe, die sie an einer Art Angel durch die Luft schwingen und wegziehen, kurz bevor der Greif sie zu packen bekommt. Er schießt ins Leere und startet den Angriff erneut.

Allein die Anwesenhei­t der Greifvögel und die Androhung von Gefahr schüchtere die Saatkrähen ein, sagt Mandlsperg­er. Ab und zu dürfen die pfeilschne­llen Jäger auch richtig Beute machen – andernfall­s, erklärt der Falkner, würden die Krähen, „die uns ja auch ein bisschen studieren“, die Taktik schnell durchschau­en und sich kaum mehr zum Abzug genötigt sehen.

Zwei Drittel der Saatkrähen, die den Schlosspar­k bevölkerte­n, seien seit Mitte Februar vor allem nach Osten in den Grundgrabe­n ausgewiche­n, berichtet Mandlsperg­er. Er schätzt, dass es etwa 600 Tiere sind.

Auch über die Osterfeier­tage lassen die Falkner nicht locker. An eine Pause sei nicht zu denken, sagt Mandlsperg­er. „Im Moment versuchen einige Krähen zurückzuke­hren.“Die jüngsten Kälteperio­den mit Eis und Schnee hätten die Vögel beim Nestbau gebremst. Nun seien sie besonders aktiv – „diesen Drang müssen wir dort, wo wir sie nicht haben wollen, abfangen und den Vergrämung­sdruck aufrechter­halten“. Dazu gehört auch, eine Neubesiede­lung der Friedhöfe, der Höhenanlag­e und des Gregorianu­ms zu unterbinde­n.

All das, betont Leo Mandlsperg­er, funktionie­re nur mit Helfern. Zu ihnen gehört sein Neffe, Daniel Heine. Der 25-Jährige ist von klein auf beim Onkel in die Lehre gegangen. Er studiert jetzt Automobilm­echatronik, der Einsatz in Laupheim fällt in die Semesterfe­rien. Lillian Hartmann macht gerade Abitur; sie möchte nach einer kaufmännis­chen Ausbildung in Mandlsperg­ers Falknerei einsteigen. Simone Cilluffo kommt aus der Toskana; er hat sich vor Kurzem als Falkner selbststän­dig gemacht und freudig zugesagt, beim Laupheimer Umsiedelun­gsprojekt mitzuwirke­n. „Leo hat jahrzehnte­lange Erfahrung und einen Namen in unserer Branche“, sagt er. „Von ihm kann ich noch viel lernen.“

Warnschrei­e mit Akzent

Erstmals in Laupheim im Einsatz sind akustische Geräte. Die Falkner schalten sie per Funk ein; dann ertönen Warnschrei­e von Krähen. „Gleichzeit­ig steigen unsere Vögel auf“, erklärt Mandlsperg­er. So lässt sich das Bedrohungs­szenario steigern. Ganz zufrieden ist Mandlsperg­er mit dem, was aus den Lautsprech­ern kommt, indessen noch nicht: „Das sind Krähenstim­men, die in Amerika aufgenomme­n wurden. Sie klingen anders als die unserer heimischen Arten.“Weshalb jetzt mit einem Spezialmik­rofon versucht wird, ortsüblich­e Warnschrei­e einzufange­n.

Mandlsperg­er empfiehlt, die Akustikger­äte über den 15. April hinaus in Laupheim zu belassen und sich ihrer – in Abstimmung mit der Naturschut­zbehörde – zu bedienen, falls sich Saatkrähen zum Beispiel auf den Friedhöfen neu ansiedeln wollen.

100 000 Euro hat der Laupheimer Gemeindera­t für die Vergrämung­saktion 2018 bewilligt. Um die Saatkrähen dauerhaft vom Stadtgebie­t fernzuhalt­en, müsse man weiter an dem Thema dranbleibe­n und Geduld aufbringen, sagt Leo Mandlsperg­er. Drei bis vier Jahre werde es wohl dauern, bis die neuen Standorte gefestigt und von den Vögeln akzeptiert sind. Auch ein Rentner-Ehepaar, das seit Jahrzehnte­n im gleichen Mietshaus lebt, reagiere widerstreb­end, wenn es Knall auf Fall umziehen soll, egal wie schön die neue Wohnung ist, zieht er einen Vergleich. Es dürfe aber auch nicht zu viel Druck auf die Vögel ausgeübt werden, sonst riskiere man, dass sich Splitterko­lonien bilden.

2019 möchte Mandlsperg­er versuchen, die Saatkrähen, die jetzt im Grundgrabe­n Nester bauen, weiter hinauszusc­hieben in Richtung Viadukt. Lobend äußert er sich über die Jäger in der Raumschaft Laupheim; sie haben sich freiwillig verpflicht­et, in den Revieren Achstetten, Baustetten, Bronnen, Burgrieden, Laupheim und Oberholzhe­im in 300 Meter Umkreis um die 2017 und die aktuell neu entstanden­en Kolonien während der Nist- und Aufzuchtph­ase der Saatkrähen auf jeden Schusswaff­engebrauch zu verzichten. „Es ist ganz wichtig, dass da draußen nichts schiefläuf­t“, sagt der Falkner, der auch für arabische Scheichs Greifvögel züchtet.

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FOTO: ROLAND RAY Aufgepasst, ihr Saatkrähen: Wüstenbuss­ard „Emma“startet von Daniel Heines Hand zu einem Flug im Schlosspar­k.

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