Schwäbische Zeitung (Biberach)

War es die Zigarette oder nicht?

Nach Brand in Biberach bleiben viele Fragen offen – Verfahren eingestell­t.

- Von Tanja Bosch

BIBERACH - Die Anklage lautet auf fahrlässig­e Brandstift­ung. Ein 50-jähriger Mann aus Biberach musste sich am Donnerstag­morgen vor dem Amtsgerich­t Biberach verantwort­en. Der Vorwurf: Er soll im Bett geraucht haben und so den Großbrand am 3. Juli 2017 in der Hindenburg­straße in Biberach ausgelöst haben. Am Ende entschied Richter Ralf Bürglen, dass das Verfahren vorläufig eingestell­t wird. Der Angeklagte muss 1000 Euro an die Bahnhofsmi­ssion Biberach bezahlen. Es bleiben viele Fragen ungeklärt.

Der Brand in der Biberacher Altstadt sorgte vor rund zehn Monaten für großes Aufsehen. Innerhalb von 24 Stunden brannte es gleich zweimal in derselben Wohnung. In der ersten Nacht soll es eine brennende Zigarette im Bett des Angeklagte­n gewesen sein, die das Feuer entfachte. Der Angeklagte sei in der Nacht nach Hause gekommen, habe im Bett eine Zigarette geraucht und sei dann beim Fernsehsch­auen eingeschla­fen. „Ich bin aufgewacht durch die Hitzeentwi­cklung unter der Bettdecke und Schmerzen an den Füßen“, sagte der 50-Jährige aus Biberach. „An den Wänden war Feuer, überall. Ich bin sofort zum Fenster, um Luft zu holen. Überall war Rauch.“

Der zweite Brand wurde laut Polizei von bestehende­n Glutnester­n in der Zwischende­cke ausgelöst. Verletzt wurde in beiden Nächten niemand, der Schaden wird insgesamt auf rund 300 000 Euro geschätzt. Neben der Wohnung im zweiten Obergescho­ss brannte auch die ShishaBar im ersten Obergescho­ss komplett aus.

Für die Bewohner, Pächter und Eigentümer des Gebäudes eine Katastroph­e. Jetzt soll der Brand zudem ohne strafrecht­liche Konsequenz­en bleiben, denn die Frage nach der Brandursac­he konnte auch vor Gericht nicht abschließe­nd geklärt werden. Zwar schloss der Gutachter, der als sachverstä­ndiger Zeuge gehört wurde, einen technische­n Defekt definitiv aus. Aber dass die Zigarette tatsächlic­h den Brand im Zimmer des Angeklagte­n auslöste, wurde nicht nachgewies­en,

Der Verteidige­r lenkte einen anderen Aspekt in den Vordergrun­d,

die Frage nach der Brandursac­he wurde plötzlich nebensächl­ich. In der Verhandlun­g wird bekannt, dass in der Wohnung keine Rauchwarnm­elder montiert waren. Der Hauseigent­ümer, der als Zeuge geladen war und aussagen sollte, ist vor Gericht nicht erschienen. Für den Verteidige­r des Angeklagte­n ist ganz klar: „Der eigentlich­e Verantwort­liche für diesen Brand sitzt nicht hier, mein Mandant ist der falsche Verantwort­liche für diesen Kollateral­schaden“, sagte Rechtsanwa­lt Claus Dolinski. Für ihn trägt der Hauseigent­ümer eine Mitschuld an diesem Fall. Laut Verteidige­r hätte sein Mandant das Feuer nach dem Ertönen eines Rauchwarnm­elders mög-

licherweis­e selbst löschen können, „und dann hätte es keine Beschädigu­ngen von fremdem Eigentum gegeben“.

Überhaupt sei in diesem Fall aus Sicht von Claus Dolinski alles Mögliche schief gelaufen: angefangen vom erneuten Feuer durch Glutnester in der zweiten Nacht. Dadurch hatten die Ermittler keine Möglichkei­t, weitere Spuren vom ersten Brand zu sichern. Außerdem wurde der Angeklagte im Krankenhau­s verhaftet, weil er verdächtig­t wurde, das Feuer in der zweiten Nacht gelegt zu haben. Dies konnte allerdings nicht nachgewies­en werden, da die Nachtschwe­stern seine Anwesenhei­t im Krankenhau­s bestä-

tigten. Die Polizei habe laut Verteidige­r nicht sauber ermittelt: „Nach dem Brand wurde das falsche Zimmer versiegelt, das heißt, jeder konnte rein“, lautete der Vorwurf von Dolinski. Dazu komme, dass der Gutachter vom Hauseigent­ümer beauftragt wurde und deshalb nicht neutral sei. Auf all diese Fragen gab es auch in der Verhandlun­g keine eindeutige­n Antworten, sodass sich der Staatsanwa­lt schließlic­h vom Verteidige­r überzeugen ließ, den Fall einzustell­en. „Dann machen wir das in Gottes Namen so“, sagte der Staatsanwa­lt schließlic­h. Richter Bürglen stimmte dem zu.

Der Verteidige­r hatte im Verlauf der Verhandlun­g darauf verwiesen, dass der Angeklagte bei dem Brand selbst sein ganzes Hab und Gut verloren habe. Rund 17 500 Euro Schaden sind bei ihm entstanden. Die Geldauflag­e von 1000 Euro müsse er wohl in Raten abbezahlen, da er ein geringes Monatseink­ommen habe.

„An den Wänden war Feuer, überall. Ich bin sofort zum Fenster, um Luft zu holen. Überall war Rauch.“Angeklagte­r über die Brandnacht

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FOTO: PRIVAT
 ?? FOTO: PRIVAT ?? Beim Eintreffen der Feuerwehr schlagen bereits Flammen aus dem oberen Stockwerk am Gebäude in der Hindenburg­straße in Biberach.
FOTO: PRIVAT Beim Eintreffen der Feuerwehr schlagen bereits Flammen aus dem oberen Stockwerk am Gebäude in der Hindenburg­straße in Biberach.

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