Schwäbische Zeitung (Biberach)
Afrika droht im Sahel ein neues Terrorproblem
Im westafrikanischen Niger ist ein deutscher Entwicklungshelfer entführt worden. Nach Angaben des nigrischen Online-Portals ActuNiger wurde der Mitarbeiter des Hilfswerks Help aus Bonn im Norden vom Niger bei Tingarane nahe der Grenze zu Mali von mutmaßlichen Dschihadisten verschleppt. In der Region sei seit zwei Wochen eine terroristische Gruppe aktiv. Der Standort der Bundeswehr im Rahmen ihres Mali-Einsatzes, Gao, liegt vom Ort der Entführung rund 200 Kilometer entfernt, ähnlich weit wie Nigers Hauptstadt Niamey.
Die Entführung wirft ein Schlaglicht auf eine Krisenregion, in der sich Terroristen, Kriminelle und Milizen weitgehend unbehelligt festgesetzt haben: den westafrikanischen Sahel. Grenzen stehen in der dünn besiedelten und von Sicherheitskräften kaum kontrollierten Region ohnehin nur auf dem Papier.
Das zeigte sich auch Anfang März bei einem Anschlag auf die französische Botschaft und eine nationale Militärbasis in Ouagadougou, der Hauptstadt Burkina Fasos. Dafür zeichnete eine Terrorallianz verantwortlich, die sich als „Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime“(JNIM), bezeichnet. Zu ihr gehören die Terrormilizen Ansar Dine und Al-Mourabitoun, die 2012 mit der Unterstützung von Tuareg-Gruppen den Norden Malis besetzten, die Al-Kaida im Islamischen Maghreb (AQMI) und eine Abspaltung von Ansar Dine, die sich Macina-Befreiungsfront nennt.
Die genannten Gruppen haben in der Vergangenheit bereits in Mali, im Niger, in Mauretanien, Algerien, dem Tschad und Nigeria Anschläge verübt. Ihre Rückzugsorte sind die Wüste oder entlegene Gebirge.
Aber nicht nur Terroristen entführen Ausländer, im Niger und in Mali gibt es auch Schmuggler, Schleuser und andere Kriminelle, die Lösegeld erpressen. So soll Frankreich vor fünf Jahren 20 Millionen Euro gezahlt haben, um vier von AQMI in der nigrischen Minenstadt Arlit entführte Franzosen freizubekommen.
Multinationale Antiterrorgruppe
Geld können die Terrorgruppen in der Region gut gebrauchen, denn sie stehen unter Druck. Seit Anfang des Jahres hat die Antiterroreinheit der „G5 Sahel“mit Soldaten aus Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und dem Tschad erste Operationen gestartet. Bis Mitte des Jahres sollen 5000 erfahrene Soldaten aus der Region gegen Terroristen im Sahel vorgehen. Für die Mission sind 300 Millionen Euro für das erste Jahr zugesagt worden, mehr als ein Fünftel davon von der EU, der ebenso wie der Ex-Kolonialmacht Frankreich am Erfolg der ersten multinationalen Antiterrorgruppe in Afrika gelegen ist.
Die Stabilisierung der Region ist auch deshalb so entscheidend, weil Afrika ein neues Terrorproblem droht: Gut 6000 Kämpfer der Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) könnten vor allem aus Syrien und dem Irak nach Afrika zurückkehren, warnte die Afrikanische Union. Auch die Terrorkämpfer von Boko Haram in Nigeria fliehen in den Sahel.
Die Regierungen im Niger, in Mali und den Nachbarstaaten gelten als schwach. Alleine würden sie einem Ansturm von Terrorkämpfern kaum standhalten. Neben der G5-SahelTruppe gilt die UN-Mission Minusma mit ihren 11 800 Soldaten, bis zu 1000 davon aus Deutschland, als wichtigstes Bollwerk gegen Terroristen, die sich mit Geld aus Schleusung, Schmuggel und Entführungen weiter aufzurüsten drohen. (epd)