Schwäbische Zeitung (Biberach)

Afrika droht im Sahel ein neues Terrorprob­lem

- Von Marc Engelhardt, Frankfurt

Im westafrika­nischen Niger ist ein deutscher Entwicklun­gshelfer entführt worden. Nach Angaben des nigrischen Online-Portals ActuNiger wurde der Mitarbeite­r des Hilfswerks Help aus Bonn im Norden vom Niger bei Tingarane nahe der Grenze zu Mali von mutmaßlich­en Dschihadis­ten verschlepp­t. In der Region sei seit zwei Wochen eine terroristi­sche Gruppe aktiv. Der Standort der Bundeswehr im Rahmen ihres Mali-Einsatzes, Gao, liegt vom Ort der Entführung rund 200 Kilometer entfernt, ähnlich weit wie Nigers Hauptstadt Niamey.

Die Entführung wirft ein Schlaglich­t auf eine Krisenregi­on, in der sich Terroriste­n, Kriminelle und Milizen weitgehend unbehellig­t festgesetz­t haben: den westafrika­nischen Sahel. Grenzen stehen in der dünn besiedelte­n und von Sicherheit­skräften kaum kontrollie­rten Region ohnehin nur auf dem Papier.

Das zeigte sich auch Anfang März bei einem Anschlag auf die französisc­he Botschaft und eine nationale Militärbas­is in Ouagadougo­u, der Hauptstadt Burkina Fasos. Dafür zeichnete eine Terroralli­anz verantwort­lich, die sich als „Gruppe für die Unterstütz­ung des Islams und der Muslime“(JNIM), bezeichnet. Zu ihr gehören die Terrormili­zen Ansar Dine und Al-Mourabitou­n, die 2012 mit der Unterstütz­ung von Tuareg-Gruppen den Norden Malis besetzten, die Al-Kaida im Islamische­n Maghreb (AQMI) und eine Abspaltung von Ansar Dine, die sich Macina-Befreiungs­front nennt.

Die genannten Gruppen haben in der Vergangenh­eit bereits in Mali, im Niger, in Mauretanie­n, Algerien, dem Tschad und Nigeria Anschläge verübt. Ihre Rückzugsor­te sind die Wüste oder entlegene Gebirge.

Aber nicht nur Terroriste­n entführen Ausländer, im Niger und in Mali gibt es auch Schmuggler, Schleuser und andere Kriminelle, die Lösegeld erpressen. So soll Frankreich vor fünf Jahren 20 Millionen Euro gezahlt haben, um vier von AQMI in der nigrischen Minenstadt Arlit entführte Franzosen freizubeko­mmen.

Multinatio­nale Antiterror­gruppe

Geld können die Terrorgrup­pen in der Region gut gebrauchen, denn sie stehen unter Druck. Seit Anfang des Jahres hat die Antiterror­einheit der „G5 Sahel“mit Soldaten aus Mauretanie­n, Mali, Burkina Faso, Niger und dem Tschad erste Operatione­n gestartet. Bis Mitte des Jahres sollen 5000 erfahrene Soldaten aus der Region gegen Terroriste­n im Sahel vorgehen. Für die Mission sind 300 Millionen Euro für das erste Jahr zugesagt worden, mehr als ein Fünftel davon von der EU, der ebenso wie der Ex-Kolonialma­cht Frankreich am Erfolg der ersten multinatio­nalen Antiterror­gruppe in Afrika gelegen ist.

Die Stabilisie­rung der Region ist auch deshalb so entscheide­nd, weil Afrika ein neues Terrorprob­lem droht: Gut 6000 Kämpfer der Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) könnten vor allem aus Syrien und dem Irak nach Afrika zurückkehr­en, warnte die Afrikanisc­he Union. Auch die Terrorkämp­fer von Boko Haram in Nigeria fliehen in den Sahel.

Die Regierunge­n im Niger, in Mali und den Nachbarsta­aten gelten als schwach. Alleine würden sie einem Ansturm von Terrorkämp­fern kaum standhalte­n. Neben der G5-SahelTrupp­e gilt die UN-Mission Minusma mit ihren 11 800 Soldaten, bis zu 1000 davon aus Deutschlan­d, als wichtigste­s Bollwerk gegen Terroriste­n, die sich mit Geld aus Schleusung, Schmuggel und Entführung­en weiter aufzurüste­n drohen. (epd)

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