Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Der Patient ist doch wieder der Volldepp“
Medizinische Versorgung im Kreis: Mit einem Zeckenbiss fast 60 Kilometer durch die Region
LAUPHEIM - Das Osterwochenende wird die Laupheimerin Anne H. so schnell nicht vergessen. Und das nicht einmal, weil sie an Karfreitag von einer Zecke gebissen wurde. Was sie seither erbost, ist ihr Erlebnis mit der medizinischen Versorgung in Laupheim. Bis die abgeschlossen war, musste sie eine größere Runde durch den Kreis drehen und grollt nun: „So beweglich wie ich ist nicht jeder. Wie kommen Bedürftige denn zu einer Versorgung?“
Passiert war: Von der Gartenarbeit brachte Anne H. (Name geändert) an jenem Freitag eine Zecke am Bauch mit heim. Ihr Ehemann entfernte das Tierchen, aber zurück blieb ein schwarzer Punkt, um den herum sich ein roter Kreis entwickelte. Der Kreis war auch am Ostersamstag noch vorhanden. „Das war mir nicht geheuer“, sagt die 68-Jährige. Sie kennt Geschichten von bösen Entzündungen nach Zeckenbissen und wünschte medizinische Hilfe. Was ihr einfiel: Die Notaufnahme der Sana-Klinik in Laupheim würde dienstbereit sein. Ein Arzt half ihr auch, entfernte die Reste der Zecke, versorgte die Bissstelle und empfahl der Patientin, vorbeugend ein Antibiotikum zu nehmen. „Soweit war alles gut“, meint Anna H.
Doch dann: Er dürfe dafür kein Rezept ausstellen, erklärte der Arzt der verblüfften Patientin. Für ein Rezept müsse sie die Notfallpraxis der Hausärzte aufsuchen. Die befindet sich in Biberach im Gebäude der Sana-Klinik. Es ist Ostersamstag, bis zur nächsten regulären Öffnung ihres Hausarztes würden noch mehr als zwei Tage vergehen, und die Patientin beschließt, mit dem Auto die 22 Kilometer zur Notfallpraxis zurückzulegen. In Biberach bekommt sie auch recht zügig ihr Rezept. Nun braucht sie eine Apotheke und stellt fest: Sie hat für eine Apotheke mit Notdienst die Wahl zwischen Ochsenhausen und Schwendi. Da wächst der Ärger, denn das bedeutet noch einmal 23 Kilometer Fahrt von Biberach aus – und dann zurück nach Laupheim auch noch einmal zwölf. „So weite Wege für ein Medikament!“Sie fragt sich, ob denn nicht die Ärzte in der Laupheimer Ambulanz ebenso gut ein Medikament per Rezept verschreiben und den Weg für Patienten so abkürzen können. Nein, das können sie nicht, erklärt Anja Wilhelm als Öffentlichkeitsbeauftragte der Sana-Klinik. Die Aufgabenteilung sei klar definiert: Das eine sei eine Notaufnahme für die Klinik für stationäre Notfälle, das andere die Notfall-Praxis im Kreis, in der Ärzte der Kassenärztlichen Vereinigung Notdienst tun – die einzige übrigens. Die Ärzte der Klinik dürften einfach keine Rezepte ausstellen – das habe der Gesetzgeber so vorgesehen. „Zum Ausstellen eines Rezeptes wurde die Patientin daher richtigerweise an den Hausarzt beziehungsweise die Notfallpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung verwiesen. Bereits die Entfernung der Zecke wäre strenggenommen in deren Zuständigkeitsbereich gefallen.“
„Patient fällt hinten runter“
Anna H. ist empört: „Bei dieser Regelung fällt der Patient doch wieder einmal hinten runter.“Was ist denn, so fragt sie sich, mit Menschen, die kein Auto haben? Müssten die mit dem Taxi durch den Kreis fahren, um ein Rezept und dann noch ein Medikament zu erhalten? Wobei sie auch auf die Praxis der Apotheker-Notdienste anspielt. Denn als Laupheimer bis Schwendi fahren zu müssen, sei immobilen Menschen auch nicht zuzumuten. Warum denn, so Anna H., könnten die Laupheimer Apotheken keinen Notdienst unter sich organisieren?
So war es mal, räumt Andreas Buck ein, Inhaber der Neuen Apotheke und Vorstandsmitglied im Landesapothekerverband. Allerdings gelte seit vielen Jahren eine andere Praxis, „und da hat sich bislang niemand drüber beschwert.“Früher mussten Apotheker alle fünf Tage einen 24-Stunden-Notdienst schieben, heute nur noch alle elf, seit der Kreis der Notdienst-Apotheken auf elf aus einer Region zwischen Schwendi und Munderkingen erweitert wurde. „Da machen andere weniger Notdienst“, stellt Buck fest. So hätten – ganz nebenher – auch Kunden aus Schwendi die Chance, dass eine Apotheke vor Ort für sie zuständig ist.
Anna H. ist nicht überzeugt: So sei es geregelt, aber dann sei diese Regelung eben nicht kunden- oder patientenfreundlich. „Das Prinzip ist zu bürokratisch und unlogisch. Der Patient ist dabei doch wieder der Volldepp.“