Schwäbische Zeitung (Biberach)
Schemmerberg will sich gegen die Riß wappnen
Bürger diskutieren Ideen gegen Hochwasser – Experten warnen vor „verheerenden“Schäden
SCHEMMERBERG - Wie kann Schemmerberg vor einem 100-jährlichen RißHochwasser geschützt werden? Diese Frage haben am Donnerstagabend Bürger mit Experten des Regierungspräsidiums (RP) Tübingen diskutiert. Erste Vorschläge liegen auf dem Tisch, doch bis zur Umsetzung dürften noch Jahre vergehen.
Mit Fotos vom Mai 2016 hat Flussmeister Josef Woitzik vom RP bei vielen Schemmerbergern Erinnerungen wachgerufen: Damals trat die Riß großflächig über die Ufer und traf den Ort mit voller Wucht. Dieses Ausnahmeereignis sei jedoch maximal ein 30jährliches Hochwasser gewesen, betonte Woitzik. „Wir müssen an der Riß mit weit Schlimmerem rechnen.“Zumal die Regenmengen durch den Klimawandel zunehmen würden.
Wenn es im gesamten Einzugsgebiet von Biberach bis Bad Waldsee über zwei Tage einen starken „Landregen“gebe, könnten die Folgen „verheerend“sein. Nicht zuletzt, wenn das Wasser an der Rißinsel über die Ufer treten würde und dort etwa das Seniorenpflegezentrum Haus Luisa von den Überschwemmungen betroffen wäre.
Erdwälle und Graben
Am Handlungsbedarf bestand an diesem Abend in der Schemmerberger Mehrzweckhalle kein Zweifel. Wichtig sei, bei den Bürgern eine Akzeptanz für den Hochwasserschutz herzustellen. „Es geht nur mit Ihnen als Anwohner“, warb Andreas Stegmaier, Leitender Technischer Direktor beim RP. Im Zuge der Hochwasser-Machbarkeitsstudie untersucht das RP die Gemeinden entlang der Riß, schließlich ist das Land für Gewässer erster Ordnung zuständig. „Wir müssen das gesamte Einzugsgebiet sehen“, sagte Stegmaier. Dennoch sei es wichtig, auch den Ort Schemmerberg gegen ein 100-jährliches Hochwasser gezielt zu schützen.
Das Konzept zum Schutz besteht aus zahlreichen Einzelmaßnahmen, die Ingenieur Jürgen Rapp vom Büro RSI vorstellte. Er unterschied zunächst zwischen Starkregenereignissen und Hochwasser. Bei Starkregen können Wasserströme zum Beispiel in Hanglagen auftreten, an denen gar kein Fluss vorhanden ist, aber lokal in kurzer Zeit enorme Regenmengen fallen. Dagegen will Schemmerberg sich unter anderem mit einem Damm an der Schemmerberger Steige schützen (SZ berichtete).
Die Konzeption für die Riß konzentriere sich hingegen auf das Hochwasser, betonte Ingenieur Rapp. Grundsätzlich sei es wichtig, die bestehenden Überflutungsflächen außerhalb des Orts beizubehalten oder sogar zu erweitern. Um das Wasser in die richtigen Bahnen zu lenken, könnte unter anderem ein Erdwall mit einem Wassergraben gebaut werden, der südöstlich des Gewerbegebiets am Sportplatz entlang verläuft. Über eine Drosselung an der Riß und einen Durchlass könnte das Wasser so in den Graben und von dort in die Überflutungsfläche auf die Felder östlich von Schemmerberg abgeleitet werden.
Auch im Ort entlang der Riß sollen Wälle und eine Anhebung des Uferbereichs Anwohner schützen, „weniger als ein Meter hoch“, betonte Rapp. Für einzelne Gebäude wie den Brühlhof am Ortsausgang Richtung Obersulmetingen könnte über einen „Objektschutz“nachgedacht werden.
Landwirte fordern Entschädigung
Nach der Vorstellung der ersten Ideen waren die Bürger gefragt, in Kleingruppen ihre Meinungen zu äußern. Vor allem die Ausweitung der Uberflutungsgebiete auf den landwirtschaftlichen Flächen sorgte bei den anwesenden Landwirten für Unmut. „Ich finde es nicht richtig, dass ein paar Einzelne allein den Kopf hinhalten sollen, um den ganzen Ort zu schützen“, sagte ein Anwohner. Er forderte eine Entschädigung für Betroffene und erhielt Rückendeckung von Ortsvorsteher Anton Hinsinger: „Das wäre auch meiner Meinung nach gerecht.“
Stegmaier vom RP antworte: „Es besteht auf jeden Fall die Möglichkeit, Entschädigungen zu zahlen, vorbehaltlich der rechtlichen Prüfung.“Wenn zum Schutz gezielt Wasser auf die Flächen umgeleitet werde, komme das einem „enteignungsähnlichen Eingriff“gleich. Allerdings wolle man hier keine „dauerhafte Staufläche“schaffen.
Andere Anwohner warnten davor, dass die Kreisstraße nach Baltringen höher werden und sich dadurch das Wasser stauen könnte. Stegmaier erklärte, er stehe bereits im Kontakt mit dem Straßenbauamt. Eine merkliche Erhöhung der Straße sei nicht geplant. Weitere Bedenken der Anwohner waren unter anderem, dass Biber die Konzeption zunichtemachen könnten. Für diesen Fall habe man in der Vergangenheit stets eine Lösung mit dem Biberbeauftragten gefunden, sagte Stegmaier.
Er nahm die Vorschläge der Schemmberger auf und wertete den Abend als „Erfolg“. Zugleich stellte er aber auch klar: „Wir sind in der Planung noch ganz weit vorne.“Frühestens in einem halben Jahr soll die erste Planung feststehen. Mit Baubeginn sei frühestens in zwei Jahren zu rechnen „und das wäre noch glücklich“. So ernst die Lage auch scheint, manche Schemmerberger nahmen sie doch mit Humor. Ein Riß-Anlieger erklärte: „Ich hab mir schon ein Schlauchboot gekauft.“