Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Ich bin eine Kämpferin“
In der TV-Serie „München Grill“spielt sie sich selbst – Uschi Glas über Frauenrollen, das Älterwerden und 50 Jahre Karriere
Sie war eines der Aushängeschilder der 68er-Generation: Mit dem Kultfilm „Zur Sache, Schätzchen“wurde Uschi Glas vor 50 Jahren zum Star. Später wandelte sich ihr Image und aus der Aufmüpfigen wurde der Liebling der Nation. In der Serie „München Grill“von Franz Xaver Bogner (freitags, 20.15 Uhr, BR) verkörpert die 74-jährige Schauspielerin sich selber, sie spielt den Gast eines Promilokals. Mit Cornelia Wystrichowski sprach die Schauspielerin über ihre Karriere, ihre Popularität bei Teenagern dank der „Fack ju Göthe“-Filme und mangelnde Rollenangebote für ältere Frauen.
Frau Glas, in der Fernsehserie „München Grill“spielen Sie sich selber. Wie kam es dazu?
Ich wollte schon lange mal mit Franz Xaver Bogner drehen, und nachdem ich nun 50 Jahre im Geschäft bin, hat es endlich geklappt. Ich hatte mich schon gefragt, ob er vielleicht gar nicht mehr weiß, dass ich eine Bayerin bin (lacht).
In der Serie flüchten Sie vor Selfiejägern – sind solche Fans in Ihrem echten Alltag ein Problem?
Gar nicht. Die Leute sind freundlich und meistens auch aufgeregt, wenn sie mich zum Beispiel am Flughafen ansprechen. Dann mache ich das Foto halt schnell mit ihnen, dann ist die Sache nach ein paar Sekunden geritzt und alle sind froh. Wenn ich anfangen würde zu diskutieren und zu fragen: „Warum sprechen Sie mich an?“, das wäre doch lächerlich. Wenn einen so was stört, dann darf man doch gar nicht erst Schauspieler werden.
Hat Ihre Rolle als überspannte Lehrerin Leimbach-Knorr in der Kinotrilogie „Fack ju Göthe“Ihren Ruhm noch mal befeuert?
Ja, tatsächlich. Ich arbeite ja mit meinem Verein „Brotzeit“, der Schüler mit einem gesunden Frühstück versorgt, viel in Schulen, und da kommen die Kinder oft ganz begeistert: „Sind Sie nicht die LeimbachKnorr?“. Auf der Straße machen Teenies Selfies und verschicken sie. Ich war anfangs überrascht, weil es ja nur eine kleine Rolle war. Der Regisseur Bora Dagtekin hat mir erzählt, dass er immer schon ein großer Fan meiner „Lümmel“-Filme war, und er hat sich so gewünscht, dass ich mitspiele, dass ich gesagt habe: „Ja komm, die Gaudi mach’ ich mit.“
Sie haben in Ihrer Karriere in zehn der 100 erfolgreichsten deutschen Kinofilme mitgespielt. Macht Sie das stolz?
Stolz ist das falsche Wort, das liegt mir nicht. Aber ich gebe zu, ich bin dann doch überrascht und denke: „Hoppala, nicht schlecht, Herr Specht.“Manche Rollen habe ich auch gegen Widerstände gespielt, weil ich wohl die richtige Nase hatte. Das war schon bei „Zur Sache, Schätzchen“so, dass andere zu mir gesagt haben, ich soll die Finger davon lassen, aber ich habe es trotzdem gemacht.
An welche Phase Ihrer Karriere erinnern Sie sich am liebsten?
Ich bin kein Zurückblicker, das ist verlorene Zeit. Ich habe außerdem so viel Glück gehabt und habe so viele schöne Produktionen machen können, dass ich kaum etwas herausheben kann. Am Anfang, als ich noch keine Kinder hatte, konnte ich ja machen, was ich wollte. Da bin ich viel gereist und habe im Ausland gedreht. Später habe ich das reduziert, damit ich mehr zu Hause bin. Ich habe mein Leben immer so gelebt, wie ich mir das vorgestellt habe, das war ein tolles Privileg. Es bringt doch nichts, wenn ich im Nachhinein Dinge bedauere, etwa dass ich irgendein Angebot ausgeschlagen habe. Und nur in der Vergangenheit zu schwelgen mag ich auch nicht. Ich möchte nach vorne blicken und Pläne haben.
Und was sehen Sie für sich, wenn Sie nach vorne blicken?
Ich möchte so gesund bleiben wie ich jetzt bin, das ist super. Und weiter erfolgreich sein mit „Brotzeit“. Dafür brauchen wir natürlich viele Helfer und Spender. Und natürlich will ich noch den ein oder anderen schönen Film machen.
Sie planen also nicht, Ihre Karriere allmählich austrudeln zu lassen?
Das würde ich so nicht sagen. Wenn ein Angebot kommt, das mir gefällt und wo ich meinen Spaß habe, drehe ich gerne. Ansonsten bin ich bei „Brotzeit“ziemlich eingespannt und tue das auch gerne.
Viele Schauspielerinnen beklagen, dass sie in der zweiten Lebenshälfte weniger und schlechtere Rollenangebote bekommen. Wieso war das bei Ihnen anders?
Ist es eigentlich gar nicht, auch bei mir ist es eindeutig weniger geworden. Wenn ich früher eine Rolle abgelehnt habe, weil ich sie gar nicht mochte, kamen gleich die nächsten Angebote hinterher, das ist heute anders. Ich denke, dass Männer dieses Problem nicht so haben, wir Frauen sind da in der deutschen Film- und Fernsehlandschaft benachteiligt, das finde ich schade. Dabei ist doch die Erfahrenheit älterer Frauen interessant, da könnte man doch tolle Komödien drehen.
Über die Rolle der Frau in der Gesellschaft wird aktuell viel diskutiert. Es geht nicht nur um die Metoo-Debatte, sondern unter anderem auch um die Frage der Gleichbezahlung. Was halten Sie davon?
Ich finde es traurig, dass diese Debatten 50 Jahre nach 1968 immer noch nötig sind. Meines Erachtens hat man sich zwischendurch schlafen gelegt und das Thema nicht mehr im Fokus gehabt. Ich kann zum Beispiel nicht verstehen, dass es für gleiche Leistung nicht gleiches Geld gibt. Ich denke, man sollte Frauen viel öfter und früher fördern. Wir müssen gucken, dass schon die jungen Mädchen Chancengleichheit haben und gut ausgebildet werden. Und Mütter müssen die Chance haben, dass sie ihren
Job ausüben können, indem es in Firmen zum Beispiel Kinderbetreuung gibt.
Vom „Schätzchen“über das „Halbblut Apanatschi“bis zur Lehrerin in „Fack ju Göthe“: Glauben Sie, dass Sie mit Ihren Rollen immer ein guVorbild für Frauen waren?
Ja, ich denke schon. Es hieß ja oft, dass ich immer die starken Frauen spiele. Es war mir grundsätzlich ein Anliegen darzustellen, dass man es als Frau im Leben schaffen kann, dass man dafür aber auch kämpfen muss. Und ich selber bin ganz bestimmt eine Kämpferin.
In „München Grill“geht es ja zentral um starke Frauen. Auch solche, die schon ein paar Falten als Zeichen gelebten Lebens im Gesicht haben…
Das gehört doch dazu! Wenn es nur nicht verbissene Falten sind, sondern Lachfalten. Außerdem ist es ein Geschenk, dass wir älter werden. Wir sind viel fitter als die Generationen zuvor, das muss man positiv sehen.