Schwäbische Zeitung (Biberach)
Offener Streit zwischen Grünen und CDU
CDU-Kandidatin braucht zwei Anläufe für Wahl zur Landtagsvizepräsidentin
STUTTGART - Zwei Jahre nach Amtsantritt der grün-schwarzen Landesregierung ist eingetreten, was Skeptiker seit Langem erwarten: Die Unterschiede zwischen Grünen und CDU sind am Dienstag in offenem Streit zu Tage getreten. Erst im zweiten Wahlgang erreichte Sabine Kurtz, die CDU-Kandidatin für das Amt der Landtagspräsidentin, die nötige Mehrheit. Und auch da votierten lediglich 71 Abgeordnete für sie. Die Regierungsfraktionen verfügten über 86 Stimmen. CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart sprach von einem „schweren Foul“der Grünen.
Es war, als hätten Reinhart und sein Amtskollege Andreas Schwarz (Grüne) die Rollen getauscht. Am Dienstag warf Schwarz der CDU vor, den Koalitionsvertrag gebrochen zu haben. Die CDU-Parlamentarier hatten verhindert, dass das Landtagswahlrecht geändert wird – obwohl sich Grüne und Union darauf 2016 verständigt hatten. Am Mittwoch drehte Reinhart den Spieß um: „Wir haben vereinbart, nicht mit wechselnder Mehrheit zu stimmen. Das darf sich nicht wiederholen.“
Zuvor hatte der Landtag die Leonberger Parlamentarierin Kurtz (56) im zweiten Anlauf zur Vizepräsidentin des Landtags gewählt. Der Posten steht nach der Koalitions-Arithmetik der CDU zu, die Grüne stellen mit Muhterem Aras die Präsidentin.
Am Morgen hatte der grüne Landeschef Oliver Hildebrand seine Fraktion aufgefordert, Kurtz nicht zu wählen. Sie habe sich bei einem Auftritt in der Grünenfraktion nicht eindeutig von homophoben Umtrieben distanziert. Kurtz galt als heftige Kritikerin des grün-roten Bildungsplans und gehörte zu jenen, die vor einer vermeintlichen „Überbetonung“der Homosexualität in der Schule warnten. Außerdem hat die CDU-Frau noch nicht entschieden, ob sie den Vorsitz des Untersuchungsausschusses zur Zulagenaffäre an der Hochschule Ludwigsburg aufgibt. Das aber fordern die Grünen.
Am Tag nach dem Aus für eine grüne Wahlrechtsreform war das offenbar einigen in der Fraktion zu viel. Im ersten Wahlgang vereinte Kurtz gerade einmal 59 Stimmen auf sich. Wer genau der CDU-Politikerin die Stimme verweigerte, ließ sich nach den geheimen Abstimmungen nicht klären. Grünen-Chef Schwarz sagte: „Es müssen auch CDU-Abgeordnete gegen sie gestimmt haben, das lässt sich mathematisch nicht anders erklären.“
Tatsächlich äußerten mehrere CDU-Parlamentarier Kritik. Kurtz hätte sich klarer von homophoben Strömungen distanzieren müssen, ihr Auftritt bei den Grünen sei ungeschickt gewesen. Sie selbst sprach nach der Wahl von Missverständnissen mit den Grünen. „Ich halte Homosexualität selbstverständlich nicht für eine Krankheit“, so Kurtz.
Die Opposition witterte bereits das Ende der grün-schwarzen Regierung. AfD-Fraktionsschef Bernd Gögel sagte am Mittwoch: „Die grünschwarze Landesregierung ist massiv beschädigt und verfügt nicht mehr über eine handlungsfähige Mehrheit.“Ähnlich äußerte sich SPD-Fraktionschef Andreas Stoch: „Nach zwei Jahren steht die Landesregierung nun endgültig vor einem Trümmerhaufen.“FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke resümierte: „Von Grün-Schwarz ist nach dieser Vorstellung nichts mehr zu erwarten.“