Schwäbische Zeitung (Biberach)
An missbrauchten Kindern erregt
Gericht verurteilt Besitzer von kinderpornografischen Dateien zu Bewährungsstrafe
LAUPHEIM - Weil er Zigtausende kinderpornografische Bilder und Videos auf seinem Rechner und anderen Datenträgern gesammelt hatte, ist ein 58Jähriger aus dem Raum Laupheim vom Biberacher Amtsgericht zu einer Haftstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt worden. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, weil der Mann bis dato ein unbescholtener Bürger war, ein umfassendes Geständnis ablegte und sich bemüht zeigt, seine pädophilen Neigungen therapeutisch behandeln zu lassen.
Rund 20 000 von insgesamt 800 000 beim Angeklagten sichergestellten Dateien waren von den Ermittlern mit behördlichen Datenbanken abgeglichen worden, nicht alle waren dort bereits registriert, auch Tausende unbekannter Fotos und Videos waren darunter und mussten in Augenschein genommen werden. „Besitz kinderpornografischer Schriften“lautet der trockene juristische Begriff für das Vergehen, dessen in der Praxis erschütterndes Ausmaß Richterin Julia Wichmann in einer engagierten, ja bisweilen emotionalen Urteilsbegründung gegenüber dem Angeklagten deutlich machte. „Was auf diesen Bildern im Einzelnen stattgefunden hat – das ist verheerend“, sagte sie und sprach von „auf übelste Art und Weise missbrauchten Jugendlichen, Kindern und Säuglingen. Und das sind nicht nur Bilder. Dieses Leid ist diesen Menschen wirklich zugefügt worden. Sie haben geweint, geschrien, sich gewehrt. Das ist nicht geil – das ist furchtbar! Diese Erlebnisse werden die Kinder nie, nie wieder los. Und solche Menschen wie Sie sind mit schuld daran, dass den Kindern so etwas angetan wird.“
Wenig Gedanken gemacht
Der Angeklagte rang sichtlich um Fassung, als ihm die Richterin die Tragweite seines Tuns deutlich machte. Eine Tragweite, über die er sich in den rund zwölf Jahren von 2004 bis 2016, als er sich nach und nach immer mehr solcher Dateien übers Internet besorgte, wenig Gedanken gemacht habe – das jedenfalls gab der 58-Jährige in seinen Schilderungen vor Gericht an. Zunächst ließ er seinen Pflichtverteidiger Achim Ziegler eine Stellungnahme „zur Sache“, zu der er sich dann aber später vereinzelt doch noch selbst äußerte, verlesen. Nachdem im Jahr 2004 eine mehrjährige Beziehung zu Bruch gegangen sei, habe er begonnen, zunächst legale pornografische Darstellungen anzuschauen, ehe er mehr und mehr in den illegalen Bereich abgeglitten sei. Über Internetforen habe er Kontakt zu Chatpartnern mit ähnlichen Interessen hergestellt und nach Worten dann auch Dateien ausgetauscht. „Teilweise bekam er komplette Pakete mit zahlreichen Dateien und unendlicher Bandbreite an Praktiken – darunter womöglich auch welche, die ihn nicht interessiert hätten“, berichtete der Verteidiger.
Aus seinen pädophilen Neigungen machte der als Kaufmann im Außendienst tätige, untersetzte Angeklagte aber im weiteren Prozessverlauf keinen Hehl. Er stehe auf junge Mädchen, deren Brüste gerade dabei seien, sich zu entwickeln, ebenso auf erwachsene, aber kindlich aussehende, kleinwüchsige Asiatinnen. Der Mann räumte ein, im Laufe der Jahre etwa dreimal wöchentlich abends für zwei bis drei Stunden sich alle Arten von kinderpornografischen Darstellungen angeschaut zu haben – bis hin zu übelsten Vergewaltigungen. Das Ganze sei zu einer Sucht geworden. Er habe sich dabei auch selbst befriedigt, beteuerte aber, keinerlei Fantasien gehabt zu haben, das Gesehene selbst mit den Kindern anzustellen. „Das ist eine klare Grenze. Es hat mir genügt, dass ich es gesehen habe“, erklärte er. Allerdings zitierte die Richterin aus einem Chat, in dem der Angeklagte gefragt worden war, ob er so einen jungen Menschen live kenne, und er antwortete: „Nein, leider nicht.“Auf die Frage der Richterin, ob er sich Gedanken gemacht habe, wie es den Opfern gehe, sagte er: „Nicht wirklich, nein.“
Mitleid und Schuldbewusstsein hätten ihn erst später erfasst. Nachdem er gegenüber der Polizei zunächst erklärt habe, dass er keinen Bedarf für eine psychologische Behandlung sehe, habe er sich doch umgeschaut und mittlerweile eine Therapie bei einem Heilpraktiker gestartet. Der Schritt sei ihm schwer gefallen, weil er bislang mit niemandem über seine Neigungen gesprochen habe. Zwischendurch lud er sogar nochmals kinderpornografische Dateien herunter, weshalb derzeit ein weiteres, aus den USA angestoßenes Ermittlungsverfahren gegen ihn läuft. Erst, als er die Anklageschrift erhalten habe und ihm ein Pflichtverteidiger zugewiesen worden sei, sei ihm der Ernst der Lage klar geworden. „Mittlerweile“, sagte er vor Gericht, „schäme ich mich dafür, was ich getan habe, und ich weiß, dass es so nicht weitergehen kann.“Er sei überzeugt, sagte er, dass ihm die begonnene Therapie helfen werde.
Auflage: Sexualtherapie
Die Einsicht und der Wille zur Therapie trugen neben dem unbefleckten Vorstrafenregister, dem umfangreichen Geständnis und der Bereitschaft, der Polizei neben den Datenträgern auch alle Chats mit anderen Pädophilen zur Verfügung zu stellen, dazu bei, dass Richterin Wichmann die Freiheitsstrafe von 17 Monaten für drei Jahre zur Bewährung aussetzte. Allerdings verband sie dies mit der Auflage an den Angeklagten, neben dem Heilpraktiker auch einen Sexualtherapeuten aufzusuchen. Ferner verhängte sie eine Geldbuße über 8000 Euro zugunsten der „Ärzte ohne Grenzen“.
Sie folgte damit weitgehend den Anträgen und der Argumentation des Verteidigers Achim Ziegler und des Staatsanwalts Matthias Seitz. Dieser hatte, auch mit Blick auf das jüngst bekannt gewordene, furchtbare Leid des neunjährigen Jungen aus Staufen bei Freiburg, klar gemacht: „Das Monster sitzt nicht hier auf der Anklagebank. Sondern das sind diejenigen, die die Kinder missbrauchen und ihr Leben zerstören. Aber nur weil Leute wie der Angeklagte die Nachfrage nach solchen Bildern aufrechterhalten, wird für Nachschub gesorgt. Sie haben damit zu tun, dass das Geschäft boomt und damit Geld verdient werden kann.“