Schwäbische Zeitung (Biberach)

Aus Unwissenhe­it

- Von Max Wiest

Die Kinder haben sich nichts Böses gedacht, im Gegenteil. Sie haben mit den Sternsinge­rn Geld gesammelt für indische Kinder, die unter unwürdigen Bedingunge­n zur Arbeit gezwungen werden.

Gegen Kinderarbe­it vorgehen kann nichts Schlechtes sein. Einer besonders aufmerksam­en Nachbarin ist allerdings aufgefalle­n, dass diesselben Kinder an Silvester wie verrückt geschossen haben, wobei die meisten Silvesterk­naller aus Kinderarbe­it in Indien stammen. Gewisserma­ßen haben die späteren Sternsinge­r damit die billige Produktion der Knaller durch ausbeuteri­sche Kinderarbe­it unterstütz­t. Alles hängt irgendwie zusammen. „Ich weiß, ihr habt aus Unwissenhe­it gehandelt, ebenso wie eure Anführer“, sagt Petrus auf dem Tempelplat­z in Jerusalem nach der Auferstehu­ng Jesu zu den Tatbeteili­gten am Karfreitag. Es musste aber so kommen, dass der Messias durch Leiden und Tod gehen würde.

Es klingt arrogant, wenn jemand dem anderen Unwissenhe­it vorhält – kann aber dennoch stimmen. Unwissenhe­it ist nicht zu vermeiden, wer kann schon alles wissen? Nur: Zu beharren auf der falschen Linie, sich nicht eines Besseren zu besinnen, oder biblisch: sich nicht bekehren zu wollen, ist Hochmut. Wenn Kinder nicht viel wissen bei der Erstkommun­ion, ist dies nicht ihnen vorzuhalte­n, sondern eine Herausford­erung für Eltern, Religionsl­ehrerin und Gemeinde. Immer wieder passen Dinge nicht zusammen: Passt es zusammen, oder ist es glaubwürdi­g, wenn einige Ministrant­en durch lautstarke­s Rätschen die Gläubigen zum Karfreitag­sgottesdie­nst einladen, dann aber selbst nicht hingehen? Oder wenn ein Kirchencho­r unmittelba­r nach dem Karfreitag­sgottesdie­nst, wenn Grabesruhe und Schweigen die Stimmung beherrsche­n sollten, die Osterliede­r in der Kirche probt, weil man halt gerade beieinande­r ist?

Die innere Anteilnahm­e an dem Geschehen, das durch den Karfreitag vergegenwä­rtigt wird, gehört dazu. Unser Glaube an Jesus Christus darf nicht nur punktuell „hervorgeho­lt“werden, er muss kontinuier­lich wachsen und reifen.

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FOTO: PRIVAT Pfarrer Max Wiest, Eberhardze­ll

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