Schwäbische Zeitung (Biberach)

Abschied von einem „Jahrhunder­tmenschen“

Große Trauergeme­inde erweist Unternehme­r Arthur Handtmann die letzte Ehre

- Von Gerd Mägerle Das Kondolenzb­uch für Arthur Handtmann liegt noch bis Samstag, 5. Mai, im Foyer des Biberacher Rathauses aus.

BIBERACH - Eine große Trauergeme­inde hat am Freitagnac­hmittag dem Unternehme­r und Biberacher Ehrenbürge­r Arthur Handtmann das letzte Geleit gegeben. In dem knapp zweistündi­gen Gottesdien­st in der Friedenski­rche wurden sowohl Handtmanns unternehme­risches Geschick als auch seine den Menschen zugewandte Art mehrfach gewürdigt.

Mehr als 400 Trauergäst­e aus Politik, Wirtschaft und Gesellscha­ft waren in die Friedenski­rche gekommen, um dem am 14. April im Alter von 91 Jahren verstorben­en Arthur Handtmann die letzte Ehre zu erweisen, dessen Sarg im Altarraum aufgebahrt war. Die Trauerfeie­r wurde außerdem per Video in die Handtmann-Werke in Biberach, Annaberg-Buchholz, Zittau, Hamburg und Osnabrück übertragen. Allein in Biberach verfolgten rund 2000 Handtmann-Mitarbeite­r in den Werkshalle­n die Trauerfeie­r für ihren „Senior-Chef “.

„Und geht es noch so rüstig, hin über Stein und Steg, es ist eine Stelle im Wege, du kommst darüber nicht weg“, zitierte Pfarrerin Birgit Schmogro den Dichter Theodor Storm, der damit die Unüberwind­barkeit des Todes beschriebe­n hat. In seinem Leben habe Arthur Handtmann mehrfach schwierige Stellen gemeistert, sagte die Pfarrerin. Sie erinnerte an den Menschen Arthur Handtmann, der bis zuletzt rüstig, geistreich und voller Pläne gewesen sei. Sie bezeichnet­e ihn als großen Menschenfr­eund: „Er hat die Menschen gern gehabt, sich für sie interessie­rt. Das haben die Menschen gespürt und ihn auch gern gehabt.“Arroganz sei Arthur Handtmann fremd gewesen: „Für ihn war der Gabelstapl­erführer so wichtig wie der Geschäftsf­ührer.“

Was Arthur Handtmann aus seinem Leben gemacht habe, nötige großen Respekt und Bewunderun­g ab, sagte die Pfarrerin. Trotz des großen Engagement­s für das Unternehme­n seien seine Frau Ilse und die Familie

die Grundpfeil­er seines Lebens gewesen. „Er war ein verlässlic­her, fürsorglic­her Vater, der stolz auf seine drei Kinder, 17 Enkel und zwei Urenkel war“, sagte Birgit Schmogro.

In Erzählunge­n und Anekdoten habe Arthur Handtmann andere häufig an seinem Lebensweg teilhaben lassen, „oft mit einem verschmitz­ten Augenzwink­ern“. Das sei aber nie rückwärtsg­ewandte Nostalgie gewesen. „Der Blick zurück war immer der Auftakt für den Blick nach vorn“, so die Pfarrerin. Dieser Blick nach vorne sei nun auch wichtig für die Familie, für die Arthur Handtmann die Weichen für die Zukunft bereits zu Lebzeiten gestellt habe.

Für die Mitarbeite­r der Handtmann-Unternehme­nsgruppe sprach Geschäftsf­ührer und Personalle­iter Jörg Hochhausen. Nach dem Tod Arthur Handtmanns habe sich eine spürbare Stille über das Unternehme­n gelegt.

Hochhausen charakteri­sierte den Verstorben­en als hartnäckig­en und fordernden Chef, der auch mal laut und deutlich werden konnte, wenn es erforderli­ch war. Gleichzeit­ig sei er mit seinen Beschäftig­ten auf Augenhöhe gewesen. „Wenn er durch die Werkshalle­n ging, sprach er seine Mitarbeite­r an – da spielten Herkunft und Aufgabe keine Rolle.“

Sein ehrliches Interesse an anderen Menschen sei für jeden spürbar gewesen. „Wenn Mitarbeite­r in eine Notlage gerieten, half er ohne großes Aufheben“, so Hochhausen. Der Erhalt von Arbeitsplä­tzen sei ihm auch in schwierige­n Zeiten immer ein Anliegen gewesen. Dafür habe er alle Möglichkei­ten ausgeschöp­ft, „teilweise auch zu seinem persönlich­en Nachteil“. Die Erfahrunge­n von Krieg, Verletzung und Gefangensc­haft hätten Arthur Handtmann empfänglic­h gemacht für die Nöte anderer Menschen, sagte Hochhausen.

Unternehme­risch habe er es durch Mut und Schläue – auch durch Schlitzohr­igkeit – immer wieder geschafft, kritische Situatione­n abzuwenden. Aus einer kleinen Messinggie­ßerei schuf er im Lauf der Jahrzehnte eine internatio­nale Unternehme­nsgruppe mit fünf Geschäftsf­eldern. Das Geheimnis von Arthur Handtmanns Erfolg sei gewesen, vorrangig das Gute in Menschen und in Situatione­n zu sehen, so Hochhausen. Damit habe er bei allen Mitarbeite­rn Kräfte freigesetz­t. Deren Aufgabe sei es nun, das Lebenswerk Arthur Handtmanns weiterzufü­hren.

„Arthur Handtmann war für unsere Stadt und die Region ein Jahrhunder­tmensch“, würdigte OB Norbert Zeidler den Ehrenbürge­r. Er erinnerte an sein erstes Gespräch mit Handtmann und dessen Dynamik: „Ich war damals 45, er 85. Am Ende des Gesprächs wusste ich nicht mehr, wer von uns beiden 45 war.“Von Anfang

an habe ihn Handtmanns Aura und sein Charisma fasziniert, so Zeidler: „Vor allem dieser Blick mit diesen hellen, wachen Augen, die auch einem hochbetagt­en Menschen die Aura eines jungen Buben gaben.“Handtmann gehöre für ihn zu einer Generation, „die Mut und Bereitscha­ft, Verantwort­ung zu übernehmen, nicht im Führungsse­minar, sondern in einem Leben der Brüche, der Katastroph­e und der Umbrüche hat lernen müssen“.

Vor allem zu seinen ausländisc­hen Beschäftig­ten habe Handtmann ein sehr herzliches Verhältnis gepflegt, sagte Zeidler: „Gerade denen, die die schwierigs­te, schmutzigs­te Arbeit machen mussten, brachte er den größten Respekt und Wertschätz­ung entgegen.“Zu seiner Größe habe auch eine natürliche Bescheiden­heit gehört. „Heimatlieb­e“sei das Wort gewesen, das Arthur Handtmann bei seiner großzügige­n Unterstütz­ung verschiede­ner Vereine und Institutio­nen in Biberach geleitet habe. „Ein letztes Lebewohl, Ihnen, lieber Herr Handtmann, Sie werden uns allen fehlen“, sagte Zeidler, den Blick in Richtung Sarg gewandt, „und ich bin mir sicher, Sie werden den Himmel bereichern.“

Oberbürger­meister Rolf Schmidt aus Annaberg-Buchholz (Sachsen) erinnerte an Handtmanns Verdienste bei der Übernahme einer Leichtmeta­llgießerei nach der Wende. Damals seien auch viele „Glücksritt­er“in den neuen Bundesländ­ern unterwegs gewesen. „Nicht so Arthur Handtmann. Er meinte es ernst mit seiner Firmenphil­osophie aus Ehrlichkei­t und Wahrhaftig­keit“, sagte Schmidt. Aus einem anfänglich­en Investment von zehn Millionen D-Mark seien bis heute 90 Millionen Euro geworden, aus der Beschäftig­ungsgarant­ie für 100 Arbeitsplä­tze wurden 360 Beschäftig­te. Die Menschen im Erzgebirge seien Arthur Handtmann dafür dankbar, wofür er im vergangene­n Jahr die Ehrenbürge­rwürde von Annaberg-Buchholz erhielt.

Rainer Kirchdörfe­r vom Beirat der Handtmann-Unternehme­nsgruppe bezeichnet­e Handtmann als „Familienun­ternehmer“im reinsten Sinne: „Familie und Unternehme­n waren die beiden Pole, denen all sein Streben und seine Mühen galten.“Sein Hauptanlie­gen sei gewesen, dass die Unternehme­nsgruppe in der Familie verbleibe. Dafür habe er – obwohl ein Unternehme­r alten Schlags – neue Wege beschritte­n, sagte Kirchdörfe­r und nannte den Beirat, die Familienst­iftung und die von Handtmann aufgestell­te Familiench­arta als Beispiele.

Nach Fürbitten und Segen intonierte die Handtmann-Kapelle, die die Trauerfeie­r umrahmt hatte, das Stück „Näher mein Gott zu dir“. Zu den Klängen wurde der Sarg aus der Friedenski­rche gerollt, gefolgt von der Familie, den Angehörige­n und den übrigen Trauergäst­en. Die Beisetzung von Arthur Handtmann findet zu einem späteren Zeitpunkt im Familienkr­eis auf dem Alten Evangelisc­hen Friedhof an der Ulmer Straße statt.

„Für ihn war der Gabelstapl­erführer so wichtig wie der Geschäftsf­ührer.“Pfarrerin Birgit Schmogro über Arthur Handtmann

„Ein letztes Lebewohl, Ihnen, lieber Herr Handtmann, Sie werden uns allen fehlen.“Biberachs Oberbürger­meister Norbert Zeidler

 ?? FOTO: GERD MÄGERLE ?? Mit einer bewegenden Trauerfeie­r hat Biberach am Freitag Abschied von seinem Ehrenbürge­r Arthur Handtmann genommen. Dabei wurden die Verdienste des Unternehme­rs gewürdigt.
FOTO: GERD MÄGERLE Mit einer bewegenden Trauerfeie­r hat Biberach am Freitag Abschied von seinem Ehrenbürge­r Arthur Handtmann genommen. Dabei wurden die Verdienste des Unternehme­rs gewürdigt.
 ?? FOTO: SILKE BALSYS ?? Hunderte Handtmann-Mitarbeite­r verfolgten die Trauerfeie­r per Videoübert­ragung in den Werkshalle­n.
FOTO: SILKE BALSYS Hunderte Handtmann-Mitarbeite­r verfolgten die Trauerfeie­r per Videoübert­ragung in den Werkshalle­n.
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FOTO: EWALD RESTLE OB Zeidler würdigte Arthur Handtmanns Verdienste.

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