Schwäbische Zeitung (Biberach)

Rosenland fordert wohlwollen­de EU-Kritik

Hauptredne­r des Biberacher DGB-Maifests wirbt für Europa

- Von Josef Aßfalg

BIBERACH - „Solidaritä­t, Vielfalt, Gerechtigk­eit“lautete das Motto, mit dem der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) am 1. Mai zum Maifest auf den Gigelberg eingeladen hatte. Hauptredne­r Thomas Rosenland von der IG Metall Baden-Württember­g bekannte sich als überzeugte­r Europäer.

Nach den Grußworten des DGBKreisvo­rsitzenden Herbert Kasperek brachten Oberbürger­meister (OB) Norbert Zeidler und Diakon Damian Woloszcyk von der Biberacher Gesamtkirc­hengemeind­e ihre Gedanken zum 1. Mai ein. Freie Gewerkscha­ften in einer freien Gesellscha­ft seien ein wesentlich­er Teil der Demokratie, sagte OB Zeidler und lobte den Tarifabsch­luss der Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi. „Alle Revolution­en haben bisher bewiesen“, dass sich vieles ändern lasse, „nur nicht die Menschen“, zitierte Diakon Woloszcyk Karl Marx. Und: Recht habe er, die Menschen fielen immer wieder auf einfache Lösungen herein. „Von den Mächtigen und Reichen gibt keiner was ab, weder die Macht noch den Mammon.“

„Allen Lebenschan­cen ermögliche­n“

Soziale Spaltung trotz Rekordbesc­häftigung, technologi­scher Wandel, Digitalisi­erung, neue Märkte und Europa waren die Themen von Hauptredne­r Thomas Rosenland von der IG Metall Baden-Württember­g. „Diese Themenblöc­ke schreien nach Taten und unserem Einsatz“, so der Redner. „Die einen sammeln teure Uhren und die anderen Pfandflasc­hen“, verglich Rosenland die Vermögensv­erteilung im Land. Trotz Rekordbesc­häftigung sei die Gesellscha­ft sozial gespalten. Technologi­scher Wandel, Digitalisi­erung und neue Märkte und Geschäftsm­odelle führten zu Umbrüchen am Arbeitsmar­kt. Und: „Die Europäisch­e Union liegt auf der Intensivst­ation“, sagte Rosenland in seiner 35-minütigen Rede, bei der er immer wieder von den rund 250 Besuchern Beifall erntete. Gute Schulen, sozialer Wohnungsba­u und eine erstklassi­ge Verkehrsin­frastruktu­r seien keine Kür, sondern Pflicht. „Sie sind die Grundlage für wirtschaft­liche Leistungsf­ähigkeit“und Kernelemen­t einer gerechten Gesellscha­ft, die Lebenschan­cen nicht für einige wenige vererbt, sondern für alle ermöglicht. Die britische Zeitung „The Economist“lege jedes Jahr einen Demokratie­index vor, so der Redner. Bei diesem Index gehe es unter anderem um freie Wahlen, Bürgerrech­te und Pressefrei­heit. Weltweit könnten demnach 19 Länder als vollwertig­e Demokratie­n gelten „und dort leben gerade mal 4,5 Prozent der Weltbevölk­erung. 15 dieser 19 Länder seien europäisch­e Staaten „und davon sind zwölf Länder Mitglied der Europäisch­en Union“. Es könne sein, dass man an Europa zeitweise verzweifel­n könne, „aber die Welt um uns herum ist kein Ponyhof“, resümierte Rosenland. Europa brauche wohlwollen­de Kritiker, „aber keine Nationalis­ten, die die Uhr zurückdreh­en wollen“.

„Die größte Herausford­erung für die Gewerkscha­ften ist die Digitalisi­erung und damit die Internatio­nalisierun­g“, sagte der Bundestags­abgeordnet­e Josef Rief (CDU) im Gespräch. Es sei wichtig, einen festen Tag und einen festen Ort zu haben, „wo man zusammenko­mmt und die aktuelle Lage analysiert und die Ungerechti­gkeiten zur Sprache bringt“, bekannte der Bundestags­abgeordnet­e Martin Gerster (SPD).

Eine Schulklass­e der DollingerR­ealschule bewirtete die Gäste in der Stadtbierh­alle. Mit keltischem FolkRock sorgte die Band Cúl na Mara für stimmungsv­olle Unterhaltu­ng. Der Afghane Hazrat Waziri bereitete an einem Stand vegetarisc­he Speisen zu. Er komme aus der Landwirtsc­haft und lebe seit fünf Jahren in Biberach. Vormittags gehe er in die Schule „und am Nachmittag zum Arbeiten“, verriet der Flüchtling.

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FOTO: JOSEF ASSFALG Thomas Rosenland von der IG Metall Baden-Württember­g war der Hauptredne­r bei der Maikundgeb­ung des DGB auf dem Gigelberg. Rechts: DGB-Kreisvorsi­tzender Herbert Kasperek.

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