Schwäbische Zeitung (Biberach)
Waldorfschule führt Schüler erstmals zum Abitur
Die Freie Waldorfschule Biberach hat ihren ersten Abiturjahrgang – Der Aufbau geht weiter
BIBERACH - Die Freie Waldorfschule Biberach ist komplett: Der erste Jahrgang ist ins Abitur gestartet und hat am Mittwoch die schriftlichen Prüfungen hinter sich gebracht. Die Aufbauphase der Einrichtung ist damit zwölf Jahre nach ihrer Gründung aber noch nicht endgültig abgeschlossen.
Sieben Schüler gehören zum ersten Abiturjahrgang der Waldorfschule. Bereits seit der zwölften Klasse haben sie sich auf die Abschlussprüfungen vorbereitet. Jetzt, in Klasse 13, dreht sich alles nur ums Abi. Denn die Waldorfpädagogik wird im letzten Jahr im Stundenplan gestrichen. Die Schüler legen zwar dieselben zentralen Prüfungen wie an den allgemeinbildenden, öffentlichen Gymnasien ab. Letztlich seien der Anspruch und der Druck aber höher, betont Lehrer und Tutor Peter Schenk: „Im Gegensatz zu den anderen Gymnasien sammeln die Schüler nicht zwei Jahre zuvor schon Punkte. In die Abschlussnote fließen tatsächlich nur die Ergebnisse bei den Abiturprüfungen mit ein.“
Das könne ein Vorteil sein, wenn man sich mit der Zeit weiterentwickelt oder keine Probleme mit der Fülle an Lehrstoff habe, sagt Geschäftsführerin Astrid Delfino: „Für Schüler, die aber die ganze Zeit über sehr fleißig sind, kann das auch ein Nachteil sein.“Bei den Schülern selbst mache sich dadurch keine Verunsicherung breit: „Die sind alle absolut entspannt. Und sie bringen eine Ernsthaftigkeit mit“, sagt Peter Schenk.
Kurz nach der Matheprüfung wirken die Jugendlichen schon ein wenig geknickt. „Ich fand’s schwer und musste mir bei vielen Aufgaben erst einmal etwas aufmalen, um zu verstehen, was gemeint ist“, erklärt der 20-jährige Simon. Letztendlich habe er jedoch alle Aufgaben bearbeitet: „Ich hatte die ganze Zeit meinen Lehrer im Ohr: Nichts hinschreiben ist das Schlimmste, sagt der immer.“Auch Klassenkamerad Tom (18) ist über die Aufgabentexte im MatheAbi gestolpert. Insgesamt ziehen die beiden jedoch ein positives Zwischenfazit zu den Abiturprüfungen: „Ich hatte es ehrlich gesagt schlimmer erwartet, in Geschichte zum Beispiel“, sagt Tom. Das Abi sei bisher gut machbar. Nun müssen die beiden noch zwei mündliche und zwei sogenannte Hospitationsprüfungen antreten. Das sind Gruppenprüfungen in Ethik und Musik.
Warum sie sich für das Abitur entschieden haben? „Man hat mehr Chancen im Berufsleben. Und ich wollte mir alle Möglichkeiten offen halten“, erklärt Tom. Er plant nach dem Abschluss ein Nautikstudium, um Kapitän zu werden. Simon hatte zwischenzeitlich seine Zweifel, nun zieht es aber auch ihn an die Uni: „Ich habe überlegt, Fahrzeug- und Konstruktionstechnik zu studieren.“
Abitur ist kein Muss
Abitur und Studium sind nicht erklärtes Ziel der Waldorfschule, stellt Astrid Delfino klar: „Nicht aus jedem Erstklässler soll ein Abiturient werden. Es geht darum, dass die Schüler Impulse und Ideen bekommen, was es so gibt. Sie sollen vor allem lebenstauglich sein.“Die Schule verfolge einen individuellen Ansatz, nachdem jeder nach seinen Möglichkeiten gefördert werden soll.
Im kommenden Jahr machen voraussichtlich fünf Schüler ihr Abitur an der Waldorfschule. Bis sich vollständig die Routine einspielen würde, brauche es jedoch wohl zwölf weitere Jahre, schätzt die Geschäftsführerin: „Wir haben jetzt einen Durchgang hinter uns, an dem wir uns in Zukunft messen und verbessern können.“Institutionell sei man nun zwar vollständig, ergänzt Peter Schenk: „Eine Waldorfschule ist aber nie fertig und immer in Bewegung. Wir sind hier alles Idealisten.“Ein tatsächliches Ende der Aufbauphase gebe es daher nicht.
Nur räumlich sei das irgendwann möglich. Bisher herrscht jedoch auch noch am Gebäude Baustelle. Im nächsten Jahr will die Schule für die Mittel- und Oberstufe je eigene Bereiche und auch eine extra Fläche für den Gartenbauunterricht schaffen.
Ein Video über die Schule gibt es online unter