Schwäbische Zeitung (Biberach)
Autofahrer wollen Ravensburg meiden
Nach Berichten über Konzept für den Lärmaktionsplan formiert sich der Protest im Netz
RAVENSBURG - Dass auf Ravensburgs Hauptverkehrsstraßen bald Tag und Nacht Tempo 30 gelten soll, um den Lärm zu reduzieren, stößt bei zahlreichen Lesern auf Unverständnis. Die meisten sehen keinen Sinn in den Planungen und kündigen an, die Stadt meiden zu wollen.
Verkehrsplaner Wolfgang Wahl (Büro Rapp Trans, Freiburg) hatte am Mittwoch die voraussichtlichen Auswirkungen von Tempo 30 vorgestellt (die SZ berichtete). Seinen Ausführungen zufolge behindert Tempo 30 den Verkehrsfluss und die Leistungsfähigkeit von Straßen nicht. Die langsamere Gangart habe aber erhebliche positive Auswirkungen auf den Lärm und die Verkehrssicherheit.
Ingo Rohtmaa aus Bad Waldsee will das nicht glauben und kündigt an: „Ich werde nicht mit 30 km/h durch Ravensburg schleichen, um zu den teuren Parkhäusern zu kommen oder nach freien Parkplätzen zu suchen, die dann auch noch teuer bewirtschaftet werden und deren Parkdauer im Stadtzentrum nicht ausreicht.“Es gebe Supermärkte außerhalb der Stadt mit ausreichend Parkplätzen und dank des Internets genügend Möglichkeiten, ohne teure Gebühren und Stress im schleichenden Verkehr einzukaufen. „Ich wünsche den Ravensburgern viel Spaß in ihrer dann sehr ruhigen Schlafstadt.“
In einem Leserbrief wendet sich auch Martin Grabolle aus Ravensburg an die „Schwäbische Zeitung“: Mit Entsetzen habe er den Tempo-30-Artikel gelesen, schreibt er und spricht von einem „verkehrspolitischen Schildbürgerstreich“. „Zwar mag das Anliegen, Anwohner vor Lärm zu schützen, im Grunde ehrenwert sein. Die Fokussierung auf den Lärmschutz blendet aber völlig die Verkehrslenkungsfunktion von Hauptstraßen aus.“Sollte die Maßnahme so umgesetzt werden wie berichtet, werde eine massive Verlagerung des Verkehrs auf Nebenstraßen stattfinden, sagt Grabolle voraus.
„Autofahrerei ist ein Fluch“
Auch auf Schwäbische.de kommentierten zahlreiche Nutzer den Artikel. So wie Andi A., der die Pläne nicht fassen kann: „Ist das ein verspäteter Aprilscherz?“, will er wissen. „Tempo 30 heißt: längere Durchfahrt, also mehr Lärm, mehr Bremsstaub durch noch mehr Stopand-go und vor allem noch mehr Abgase.“
Gleicher Meinung ist ein weiterer Nutzer auf Schwäbische.de, der Tempo 30 für Geldmacherei hält. Er glaubt zudem, dass durch diese neue Regelung eher mehr Unfälle passieren, „weil alle Autofahrer nur noch genervt sind, und dadurch eher bereit sind, riskant zu fahren“.
Susanne G. macht sich hingegen für Tempo 30 auf Ravensburgs Hauptverkehrsstraßen stark: „Wann begreifen die Menschen endlich, dass die Autofahrerei kein Segen, sondern ein Fluch ist und eingeschränkt gehört?“, schreibt sie. „Ein Riesenlob zu dieser mutigen Entscheidung.“Der nächste konsequente Schritt wären ihrer Meinung nach wieder autofreie Sonntage.
Andi A. sieht das anders. Gegen Tempo 30 spricht seiner Meinung nach unter anderem, dass damit „alle Linienbusse länger brauchen, alle Fahrpläne geändert werden müssen und der Anschluss zur DB wohl auch nicht mehr möglich ist“. Darüber hinaus müssten Schulkinder noch früher aufstehen als bisher schon, um pünktlich zur Schule zu kommen.
In die Diskussion mischt sich auch der ehemalige Bundestagskandidat Stefan Weinert ein. Gegen ein generelles Limit von 30 Kilometern pro Stunde für den Durchgangsverkehr hat der Ravensburger bereits eine Onlinepetition erstellt. Als Alternative schlägt er eine „Vierkreisellösung“vor, die „den Verkehr durch die City gleichmäßig flüssig und bei moderater Geschwindigkeit doch schneller macht“. Die aktuellen Pläne deutet Weinert als „Kriegserklärung gegen das Gros der Menschen, die in Ravensburg leben, arbeiten und hier einkaufen“.
„Diskussion ist Unsinn“
Ingrid S. kann die ganze Aufregung überhaupt nicht verstehen – „wegen eines Tempolimits an Strecken, an denen oft nur Kolonnenverkehr im Schritttempo zu sehen ist“. Mit „Einkaufsentzug“zu drohen, hält sie für unsachlich. Wenn es durch eine Tempodrosselung für alle sicherer und ruhiger werde, dann sei doch schon viel gewonnen.
Auch auf Facebook überschlagen sich Kommentare. Auf Schwäbische.de Oberschwaben meldet sich Gabi Messarosch kritisch zu Wort. Sie ist Vorsitzende des CDUOrtsverbands Ravensburg. Der Ausschuss für Umwelt und Technik hatte samt CDU-Fraktion die aktuellen Verkehrsplanungen begrüßt. Messarosch: „Darüber entscheiden seltsamerweise immer nur Menschen, die nicht darauf angewiesen sind, von A nach B und C zu kommen und die dort arbeiten können, wo sie wohnen.“Jeder, der dazu „Ja“sage, solle erst einmal jeden Tag, jeden Morgen von Ravensburg Frauentor nach Markdorf und weiter nach Überlingen fahren und abends wieder zurück. „Nur einen Monat und es wird keine einzige Diskussion zu diesem Unsinn mehr geben.“