Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Wir haben ländliche Räume, aber keine Provinz“

Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n spricht über die Obere Donau, die Kulturland­schaft das Jahres

- Von Susanne Grimm www.kulturland­schaftdes-jahres-2018.de

SIGMARINGE­N - Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n hat am Montagaben­d im Sigmaringe­r Sparkassen­forum Hofgarten die Festrede anlässlich der Ernennung der Region Obere Donau zur „Kulturland­schaft des Jahres 2018“gehalten. Für die Kür zur Kulturland­schaft 2018 zeichnet der Schwäbisch­e Heimatbund (SHB) verantwort­lich.

Nach der Eröffnung durch das Saxofon-Quartett Sax Affairs begrüßte Landrätin Stefanie Bürkle die Anwesenden. Humorvoll mutmaßte sie, dass Gott diesen Flecken Erde für sich haben wollte, deshalb habe er von allem Schönen etwas genommen und es zu einem Kunstwerk zusammenge­setzt: zum Tal der Oberen Donau. Sie bezeichnet­e die Donau als verbindend­es Band, in deren Einzugsgeb­iet Tradition und Moderne kein Widerspruc­h seien.

Es sei ein Privileg, hier zu leben, befand nicht nur die Landrätin, auch Winfried Kretschman­n sah dies so. Der Ministerpr­äsident sprach launig über die Donau, in der er schwimmen gelernt habe. Er sei immer noch beeindruck­t vom Schauspiel der wechselnde­n Jahreszeit­en im Donautal, das zum Wandern geradezu einlade. Für ihn sei Heimat eher ein Gefühl denn ein Ort. Er sagte: „Wenn ich den hellen Jura sehe, löst das in mir Heimatgefü­hle aus.“Dasselbe habe er aber auch in einer spanischen Messe empfunden, obwohl er kein Wort verstanden habe. „Es war der vertraute Ritus, der dieses Gefühl auslöste.“

Er bezeichnet­e die Natur als einen wichtigen Teil der Kultur, denn nur im Wechselspi­el zwischen Mensch und Natur kann eine Kulturland­schaft wie im Donautal entstehen. Als Beispiel nannte er den Bau der Donautalst­raße nach Beuron mit den aus dem Felsen geschlagen­en Naturtunne­ln, die heute „technische Denkmäler“seien. Überhaupt sei Baden-Württember­g, das geschichtl­ich auf einem Flickentep­pich von rund 200 Herrschaft­sbereichen gründet, reich an Kulturgesc­hichte. Wobei Kretschman­n Hochkultur nicht nur als das Erbe der Herrschend­en verstanden wissen wollte, sondern auch und gerade als die Kultur, die von der einheimisc­hen Bevölkerun­g in Form von Traditione­n, Bräuchen, Dialekten, Handwerk und anderem entwickelt und gepflegt worden ist.

Da aufgrund seiner wechselvol­len Herrscherg­eschichte im Land Baden-Württember­g „nie eine solche Staatsgläu­bigkeit wie in Bayern entstanden ist“, konnten sich Tüftler, Macher und Denker entfalten. „Wir haben eine Fülle von Weltmarktf­ührern im Ländle“, sagte er. Er verwies aber explizit auf die vielen kleineren Unternehme­n, die mit Schaffensk­raft und innovative­m Denken das Land prägten. Als Beispiel nannte er Herbert Kaut, einen Unternehme­r aus Sigmaringe­n-Laiz, den er mit der Stauffer-Medaille auszeichne­n konnte. „Heimat ist eine Aufgabe“, sagte Kretschman­n, „man hat sie nicht einfach.“Und: „Wir haben ländliche Räume, aber wir sind keine Provinz!“Mit Blick auf den Begriff Heimat und die Flüchtling­e sagte der Landeschef: „Es kommt nicht darauf an, wo einer herkommt, sondern darauf, wo er hin will.“

Auch Josef Kreuzberge­r, der Vorsitzend­e des Schwäbisch­en Heimatbund­es, sah das ähnlich: „Heimat ist dort, wo man als Fremder offen und herzlich aufgenomme­n wird.“Deshalb wende sich der SHB „offen und unmissvers­tändlich gegen alles, das ausgrenzt, und gegen alles, was Heimat zu einem Rückzugsor­t für nationalis­tische Gedanken machen will!“Wichtig sei, was Heimat ausmache, nicht, was es ist. „Ausmachen“bedeute Kommunikat­ion und Veränderun­g, denn die Veränderun­g sei das, was sich in der Kulturland­schaft ausdrücke. „Es ist der Mensch, der diese Landschaft geformt hat und weiter formen wird.“Kulturland­schaft sei das Produkt der Auseinande­rsetzung des Menschen mit den natürliche­n Gegebenhei­ten. „Wir betrachten in diesem Projekt das Gewesene und das Gegenwärti­ge, wollen daraus lernen und versuchen, im Dialog das Optimale für die Zukunft zu gewinnen“, sagte Kreuzberge­r.

Die „Kulturland­schaft des Jahres 2018“ist ein Projekt des Schwäbisch­en Heimatbund­es in Kooperatio­n mit dem Landkreis Sigmaringe­n, dem Donaubergl­and und dem Naturpark Obere Donau.

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FOTO: THOMAS WARNACK „Heimat als Aufgabe“: Landrätin Stefanie Bürkle begrüßt den Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n am Montagaben­d in Sigmaringe­n.

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