Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Wir haben ländliche Räume, aber keine Provinz“
Ministerpräsident Winfried Kretschmann spricht über die Obere Donau, die Kulturlandschaft das Jahres
SIGMARINGEN - Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat am Montagabend im Sigmaringer Sparkassenforum Hofgarten die Festrede anlässlich der Ernennung der Region Obere Donau zur „Kulturlandschaft des Jahres 2018“gehalten. Für die Kür zur Kulturlandschaft 2018 zeichnet der Schwäbische Heimatbund (SHB) verantwortlich.
Nach der Eröffnung durch das Saxofon-Quartett Sax Affairs begrüßte Landrätin Stefanie Bürkle die Anwesenden. Humorvoll mutmaßte sie, dass Gott diesen Flecken Erde für sich haben wollte, deshalb habe er von allem Schönen etwas genommen und es zu einem Kunstwerk zusammengesetzt: zum Tal der Oberen Donau. Sie bezeichnete die Donau als verbindendes Band, in deren Einzugsgebiet Tradition und Moderne kein Widerspruch seien.
Es sei ein Privileg, hier zu leben, befand nicht nur die Landrätin, auch Winfried Kretschmann sah dies so. Der Ministerpräsident sprach launig über die Donau, in der er schwimmen gelernt habe. Er sei immer noch beeindruckt vom Schauspiel der wechselnden Jahreszeiten im Donautal, das zum Wandern geradezu einlade. Für ihn sei Heimat eher ein Gefühl denn ein Ort. Er sagte: „Wenn ich den hellen Jura sehe, löst das in mir Heimatgefühle aus.“Dasselbe habe er aber auch in einer spanischen Messe empfunden, obwohl er kein Wort verstanden habe. „Es war der vertraute Ritus, der dieses Gefühl auslöste.“
Er bezeichnete die Natur als einen wichtigen Teil der Kultur, denn nur im Wechselspiel zwischen Mensch und Natur kann eine Kulturlandschaft wie im Donautal entstehen. Als Beispiel nannte er den Bau der Donautalstraße nach Beuron mit den aus dem Felsen geschlagenen Naturtunneln, die heute „technische Denkmäler“seien. Überhaupt sei Baden-Württemberg, das geschichtlich auf einem Flickenteppich von rund 200 Herrschaftsbereichen gründet, reich an Kulturgeschichte. Wobei Kretschmann Hochkultur nicht nur als das Erbe der Herrschenden verstanden wissen wollte, sondern auch und gerade als die Kultur, die von der einheimischen Bevölkerung in Form von Traditionen, Bräuchen, Dialekten, Handwerk und anderem entwickelt und gepflegt worden ist.
Da aufgrund seiner wechselvollen Herrschergeschichte im Land Baden-Württemberg „nie eine solche Staatsgläubigkeit wie in Bayern entstanden ist“, konnten sich Tüftler, Macher und Denker entfalten. „Wir haben eine Fülle von Weltmarktführern im Ländle“, sagte er. Er verwies aber explizit auf die vielen kleineren Unternehmen, die mit Schaffenskraft und innovativem Denken das Land prägten. Als Beispiel nannte er Herbert Kaut, einen Unternehmer aus Sigmaringen-Laiz, den er mit der Stauffer-Medaille auszeichnen konnte. „Heimat ist eine Aufgabe“, sagte Kretschmann, „man hat sie nicht einfach.“Und: „Wir haben ländliche Räume, aber wir sind keine Provinz!“Mit Blick auf den Begriff Heimat und die Flüchtlinge sagte der Landeschef: „Es kommt nicht darauf an, wo einer herkommt, sondern darauf, wo er hin will.“
Auch Josef Kreuzberger, der Vorsitzende des Schwäbischen Heimatbundes, sah das ähnlich: „Heimat ist dort, wo man als Fremder offen und herzlich aufgenommen wird.“Deshalb wende sich der SHB „offen und unmissverständlich gegen alles, das ausgrenzt, und gegen alles, was Heimat zu einem Rückzugsort für nationalistische Gedanken machen will!“Wichtig sei, was Heimat ausmache, nicht, was es ist. „Ausmachen“bedeute Kommunikation und Veränderung, denn die Veränderung sei das, was sich in der Kulturlandschaft ausdrücke. „Es ist der Mensch, der diese Landschaft geformt hat und weiter formen wird.“Kulturlandschaft sei das Produkt der Auseinandersetzung des Menschen mit den natürlichen Gegebenheiten. „Wir betrachten in diesem Projekt das Gewesene und das Gegenwärtige, wollen daraus lernen und versuchen, im Dialog das Optimale für die Zukunft zu gewinnen“, sagte Kreuzberger.
Die „Kulturlandschaft des Jahres 2018“ist ein Projekt des Schwäbischen Heimatbundes in Kooperation mit dem Landkreis Sigmaringen, dem Donaubergland und dem Naturpark Obere Donau.