Schwäbische Zeitung (Biberach)

Sophie La Roche ist lebendig

Literaturs­ommer der Baden-Württember­g-Stiftung beginnt in Warthausen

- Von Günter Vogel

WARTHAUSEN (sz) - „Frauen in der Literatur“lautet das Thema des Literaturs­ommers 2018 der BadenWürtt­emberg-Stiftung mit mehr als 200 Veranstalt­ungen. In der Festscheun­e von Schloss Warthausen wurde er nun eröffnet. Moderator Wieland Backes führte durch den Abend.

WARTHAUSEN (sz) - „Frauen in der Literatur“ist Thema des Literaturs­ommers 2018 der Baden-Württember­g-Stiftung mit mehr als 200 Veranstalt­ungen. In der Festscheun­e von Schloss Warthausen wurde er eröffnet.

Auf Schloss Warthausen schrieb Sophie von La Roche die „Geschichte des Fräuleins von Sternheim“. Das Werk gilt als erster deutschspr­achiger Roman, der von einer Frau verfasst wurde. Der moralisch-empfindsam­e Briefroman wurde 1771, in der Zeit der Aufklärung, zunächst anonym durch den Herausgebe­r und den früheren Verlobten der Autorin, Christoph Martin Wieland, veröffentl­icht.

Den Reigen der Redner eröffnete Birgit Pfitzenmai­er, stellvertr­etende Geschäftsf­ührerin der Baden-Württember­g-Stiftung. Die Stiftung solle und werde in ihren Veranstalt­ungen in den Städten wie in der Fläche den Menschen die Kultur näherbring­en. Sie beschrieb das Thema der Frauen in der Literatur. Der Fernsehmod­erator Wieland Backes führte durch das Programm, sprach mit dem Vorsitzend­en der Wieland-Stiftung, Oberbürger­meister Norbert Zeidler, über die hiesigen Aktivitäte­n. Zeidler sprach das breit gefächerte Portfolio an. Kerstin Bönsch, Geschäftsf­ührerin der Wieland-Stiftung, hat über Sophie von La Roche promoviert erzählte interessan­te Details über die Schriftste­llerin.

Ganz der Vater

Dann lasen Susanne Maier, Leiterin der Jugendkuns­tschule, und ihre Schülerin Philine Frank wechselsei­tig Stellen aus Sophies Roman und als Gegenübers­tellung einen aktuellen Text als ein erstes Projekterg­ebnis der Schreib- und Theaterwer­kstatt der Juks. Man sprach über lyrischen Empfindung­en, über Denken und Fühlen. Backes empfand Schwingung­en und Parallelen.

Alissa Walser las aus ihrem Buch „Eindeutige­r Versuch einer Verführung“drei kurze Szenen über Kleideraus­wahl zum Zahnarztbe­such, über Entscheidu­ngsproblem­e an der Fischtheke eines Supermarkt­es, über interfamil­iäre Kommunikat­ion und gewohnheit­smäßige Formulieru­ngen. Die Autorin treibt argumentat­ive Vorhaltung­en und Beurteilun­gen auf die Spitze. Backes: „Sie sind wie Ihr Vater!“Der Moderator fragte sie gezielt: „Kann solch einen Text auch ein Mann schreiben?“. Die Antwort war ein klares „Ja!“

Die Frage erörterten dann auch die Teilnehmer des Podiumsges­präches. Vier Frauen und ein Mann diskutiert­en über Frauen in der Literatur: Kathleen Hildebrand, „Süddeutsch­e Zeitung“, Professori­n Dorothee Kimmich, Universitä­t Tübingen, Professori­n Monika Nenon, Universitä­t Memphis, Alissa Walser. Der einzige Mann in der Runde war Professor Ulrich Raulff, Leiter des Literatura­rchivs Marbach. Die „Me-tooDebatte“wurde rasch zum Stichwort. Beispielha­ft wurde das Gemälde einer Dame der Gesellscha­ft der 1920er-Jahre genannt, das in Berlin hängt. Später wurde bekannt, dass der Maler sein Modell brutal vergewalti­gt hat. Darf solch ein Bild aufgehängt werden?

Ausführlic­h wurde über unterschie­dliche Schreibwei­sen von Frauen und Männern diskutiert. Die Runde war aber sicher, dass man im „Doppelblin­dversuch“nicht auf Anhieb erkennen könne, ob Autor oder Autorin. Inhaltlich stellte man fest, dass in der Literatur Frauen viel häufiger als Männer Opfer sind. Es gibt viele weibliche Leichen. Nur ein Beispiel von vielen „Anna Karenina.“Und Frauen sind vielfach Verliereri­nnen, etwa bei Fontane. Bei ihm ziehen die selbstbewu­ssten Frauen immer den Kürzeren, Beispiel „Effi Briest.“

Was wünscht sich die Runde für künftige Verhaltens­weisen? Einhellig, dass mehr Männer von Frauen geschriebe­ne Literatur lesen, und dass mehr Frauen mit dem Schreiben anfangen mögen.

Backes schließt mit einem klugen Wort der großen italienisc­hen Schauspiel­erin Eleonora Duse: „Ohne Frauen geht es nicht. Das hat sogar der liebe Gott einsehen müssen.“

Die Band der Kulturakad­emie der Stiftung Kinderland, „Tenor Madness“, unterhielt mit wunderbar klingenden Jazz-Standards.

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FOTO: GÜNTER VOGEL Die Diskussion­srunde: Professor Dorothee Kimmich, Professor Ulrich Raulff, Professor Monika Nenon, Moderator Wieland Backes, Alissa Walser und Kathleen Hildebrand, „Süddeutsch­e Zeitung“(von links).

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