Schwäbische Zeitung (Biberach)
Musiker faszinieren mit Virtuosität
Bei Matinee im Bibliothekssaal trifft Schwung auf kammermusikalischen Ernst
OCHSENHAUSEN - Unter dem Titel „Virtuos – Kurios“haben die Besucher bei der Sonntagsmatinee im Bibliothekssaal in Ochsenhausen meisterhaft Solistisches zu hören bekommen. Die Veranstaltung war Teil des Schwäbischen Musikfrühlings. Der erste Programmblock galt dem genialen Geiger Fritz Kreisler, einem Weltstar der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er gab in seinen besten Jahren mehr als 200 Konzerte jährlich.
Christian Altenburger spielte auf seiner cremonesischen Geige einige Paradestücke des Wieners. Andrea Linsbauer begleitete am Flügel. Der „Marche miniature viennoise“ist allerfeinste Gebrauchsmusik mit harmonisch-melodischen Finessen. „Präludium und Fuge“wurde mit klaren, fast barocken Bogenstrichen vorgetragen, stilistisch fortgesetzt im virtuosen Allegro. Dann zwei unverwüstliche, Tausende Male gespielte Alt-Wiener Tanzweisen, „Liebesleid“und „Liebesfreud“. So schön können Schmonzetten sein, wenn sie so schön gespielt werden. Danach folgten Kreislers Variationen über ein Thema von Corelli im Stile von Giuseppe Tartini. Nach dem kurzen „Syncopation“noch ein weiterer Ohrwurm, das „Caprice viennois“auf spannender Grenze zwischen Kaffeehausmusik und kompositorischer Genialität.
Vielfalt an Klangfarben
Die vier nächsten Werke spielte solistisch der Cellist Patrick Demenga, ebenfalls begleitet von Andrea Linsbauer. Zuerst von Enrique Granados dessen Intermezzo aus „Goyescas“. Der spanische Charakter wird durch die Vielfalt an Klangfarben betont. Vielfältige harmonische Modulationen faszinieren, öffnen sich dramatisch zu großklängiger Opernarchitektur. Vom selben Komponisten erklang noch die „Andaluza“aus „Danzas españolas“mit tänzerischen Heftigkeiten im Klavier und weichen Cello-Melos. Und noch ein großer Spanier kam zur Aufführung: Manuel de Falla mit dem Feuertanz aus „El amor brujo“, einem Ballett von 1915 mit vom Cello zelebrierten fast aggressiven Klangkonstruktionen getragen von Ostinati des Klaviers. Und Demenga spielte noch tänzerische Variationen, die der geniale italienische Geiger Nicolo Paganini über ein Thema von Rossini geschrieben hatte.
Im Anschluss erklang ein köstliches Schmankerl – virtuos wie vergnüglich. Richard Galler spielte auf seinem Fagott von Werner Pirchner „Mit Fa-Gottes Hilfe“, nutzt alle Klangerzeugungsmöglichkeiten hemmungslos aus. Die sechs Sätze sind ein herrlicher Joke. Der Komponist kommentiert wie folgt: „Stimmungsund Audruckswechsel“oder „Solist kann Dynamik frei gestalten“ oder „Mit der linken Hand zu spielen, die rechte schnippt dazu“und schließlich „Solist tanzt spielend aus dem Raum hinaus“.
Als krönenden Abschluss folgte Leonard Bernstein und Lieder aus seiner „Westside Story“für Soloklarinette (Michel Lethiec) und Streicher. Christian Altenbuger und Konstanze Heinicke (Violine), Lydia Altenburger (Viola), Patrick Demenga (Cello) und Josef Gilgenreiner (Kontrabass) inszenierten diese. Man hörte in raffinierten Bearbeitungen die großen Reißer wie „Tonight“, „I Feel Pretty“, „Maria“und andere. Fetziger Schlusspunkt war „America“. Alles gespielt mit Schwung, so wie auch kammermusikalischem Ernst.
Pausenloses Konzert vergeht flott
Der Musikjournalist Joachim Reiber sprach zwischen den Musikbeiträgen über Komponisten und Virtuosentum. Zu diesem gehört neben hohem technischen Können auch exhibitionistischer Selbstzweck. Der Begriff ist etwas anrüchig geworden. Virtuosen bezeichnen sich deshalb lieber als „Stars“, aber auch das fordert Zweideutigkeiten heraus. Und auch unter nachschaffenden Künstlern wie Sängern und Dirigenten gibt es diese selbstverliebte Spezies. Der Journalist spricht vom „eingesprungenen Thielemann“.
Zum Programm schreibt Reiber: „Das Schwierigste kann ganz leicht daherkommen. Die Sonntagsmatinee präsentiert Virtuoses von seiner heiteren, kuriosen Seite, in einem Programm, das zum Staunen und Genießen, Schmunzeln und Lächeln einlädt.“Dem kann man nur zustimmen. Es war ein wunderbares Konzert. Die pausenlosen zwei Stunden vergingen flott.