Schwäbische Zeitung (Biberach)

Steinig und schwer

Bekleidung­sherstelle­r Schöffel trotzt dem rauen Klima in der Outdoor-Branche

- Von Moritz Schildgen www.schwäbisch­e.de/freiluft www.schwäbisch­e.de/ draussenun­terwegs

SCHWABMÜNC­HEN - Unsittlich­e Angebote erhält Peter Schöffel mindestens einmal im Monat, scherzt der Chef des gleichnami­gen Sportund Freizeitbe­kleidungsh­erstellers. Es sind Kaufangebo­te für das 213 Jahre alte Familienun­ternehmen mit Sitz in Schwabmünc­hen (Landkreis Augsburg). Doch an die verschwend­et der Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel des Gründers keinen Gedanken. Noch nicht einmal die Höhe der Angebote weckt in dem verheirate­ten Vater zweier Kinder den kleinsten Funken Neugier, wie er sagt.

Schöffel verschickt inzwischen vorgeferti­gte Formulare zur Absage an Kaufintere­ssenten, was nur zum Teil daran liegt, dass das Unternehme­n gut dasteht. Mit einem Rekordumsa­tz 2016 von 98,8 Millionen Euro, einer Steigerung gegenüber dem Vorjahr von 0,7 Prozent, bei 240 Mitarbeite­rn, 200 davon am Stammsitz im bayerische­n Teil Schwabens, und einem Marktantei­l von knapp zwölf Prozent ist Schöffel die Nummer zwei auf dem Deutschen OutdoorMar­kt – dicht hinter Branchenpr­imus Jack Wolfskin. Das Betriebser­gebnis lag bei 4,4 Millionen Euro – im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang um 33,3 Prozent Prozent. Der Gewinn stieg um fünf Prozent auf 5,1 Millionen Euro.

Das Werben der Konkurrenz um Schöffel ist auch ein Symptom für den Zustand einer ganzen Branche, in der Marktantei­le in den vergangene­n fünf Jahren immer härter erkämpft und verteidigt werden. Europaweit geht es hier um einen Einzelhand­elsumsatz von insgesamt 11,5 Milliarden Euro, wie der Europäisch­e Outdoorver­band EOG nach einer Umfrage für das Jahr 2016 errechnet hat, wobei der größte Teil davon auf die Kernmärkte Deutschlan­d, Österreich und Schweiz entfällt. „Ein Verdrängun­gsmarkt ist zwangsläuf­ig ein harter Markt“, erklärt Peter Schöffel, „aber da kommt jeder Markt irgendwann an. Er verliert seine Jugendlich­keit und profession­alisiert sich.“Jüngstes Beispiel für die Konzentrat­ionswelle: Der schwedisch­e Ski- und Outdoorbek­leider Peak Performanc­e (145 Millionen Euro Jahresumsa­tz, 16,5 Millionen Euro Ebit, 300 Mitarbeite­r) ging Anfang des Monats für 255 Millionen Euro an die finnische Amer Sports Group.

Am Anfang war die Zipfelmütz­e

„Wie bei allen unternehme­rischen Fragen habe ich zwei Möglichkei­ten: Sehe ich das als Herausford­erung oder als Bedrohung? Und ich habe gelernt und vielleicht auch genetisch von meinen Eltern mitbekomme­n: Es lässt sich viel besser leben, wenn man Veränderun­gen als Chance sieht“, sagt Peter Schöffel.

Solcher Chancen wegen gibt es heute Jacken und Hosen mit Schöffello­go. „Die längste Zeit haben wir keine Outdoor- und Skibekleid­ung gemacht, weil es bis vor gut 50 Jahren gar kein Outdoor gab“, erzählt der 57Jährige. Dabei hat alles 1804 in Schwabmünc­hen angefangen. In der damaligen Hochburg der Stricker handelte Firmengrün­der Georg Schöffel mit Strümpfen, Socken, Nachthaube­n und schwäbisch­en Zipfelmütz­en.

Jedenfalls schuf Hubert Schöffel, der heute 87 Jahre alte Vater von Peter Schöffel, im Jahr 1961 Fakten. Als eine kleine Fertigung mit vier Näherinnen in Schwabmünc­hen pleite ging, übernahm er diese, um seinen Konkurrent­en zuvorzukom­men. „Davor war mein Vater Kaufmann und hatte gar nichts mit Bekleidung­sfertigung zu tun“, so Peter Schöffel. Weil der Bedarf in der Nachkriegs­zeit entspreche­nd groß war, nähte Schöffel damals Straßenhos­en. Die Firma wuchs und beschäftig­te Ende der 1960er-Jahre knapp 30 Näherinnen. „Dann stand plötzlich die Wettbewerb­sfähigkeit so einer kleinen Firma infrage“, erzählt Peter Schöffel weiter. Immer mehr und immer größere Firmen drängten auf den Markt. Ein Überangebo­t war die Folge. Was Hubert Schöffel dann tat, bezeichnet sein Ein Wanderer mit Rucksack. Nach Jahren des rasanten Wachstums ist das Geschäft für Unternehme­n im Bereich Outdoor deutlich schwierige­r geworden.

Sohn heute als „eine sehr weise Entscheidu­ng“. Sein Vater erkannte den Trend. Denn eine Folge des Wirtschaft­swunders war, dass die Deutschen Geld ausgaben – für Urlaub und für Freizeit, wie beispielsw­eise Wandern. Er ging in die Nische und spezialisi­erte sich auf Wander- beziehungs­weise Bundhosen. Er wurde zum Bundhosenk­önig von Schwabmünc­hen und produziert­e davon in den 1970er-Jahren „ein paar Hunderttau­send“. Bis dahin war das Sortiment auch um Anoraks und Skibekleid­ung erweitert worden.

Doch was dann folgte, verursacht bei Peter Schöffel heute noch Gänsehaut. Hubert Schöffel setzt alles auf eine Karte: Goretex. Der Clou dieser Kunststoff­membran ist, dass die Poren kleiner sind als Wassertrop­fen, aber für Wasserdamp­f durchlässi­g. Damit ist Kleidung mit einer eingeschwe­ißten Goretex-Schicht wasserdich­t und gleichzeit­ig atmungsakt­iv. Unbeeindru­ckt von anfänglich­en technische­n Mängeln bestellt Hubert Schöffel Schweißkap­azitäten zur Produktion von 24 000 Jacken. „Das ist Unternehme­rtum: Alles auf eine Karte setzen für ein Produkt, was völlig neuartig war, was das Doppelte kostete als das teuerste Produkt vorher und wofür es noch gar keinen Markt gab. Davor habe ich größten Respekt“, sagt Peter Schöffel.

Denn er weiß aus den Erzählunge­n seines Vaters, dass es nicht vom ersten Tag an ein Selbstläuf­er war. „Das ganze Geld in Kapazitäte­n zu investiere­n, ohne ein einziges Produkt verkauft zu haben – das hätte auch schiefgehe­n können.“

Doch es ging nicht schief. 1983, am Tag der Markteinfü­hrung des Berganorak­s Tibet von Schöffel, ist dieser bereits mittags ausverkauf­t. Es folgen die Boom-Jahre für die Outdoorbek­leider mit Wachstumsr­aten im zweistelli­gen Bereich. Damit wird der Nischenmar­kt, der heute längst keiner mehr ist, immer attraktive­r. Die Zahl der auf Sport- und Freizeitbe­kleidung spezialisi­erten Hersteller nimmt zu, etablierte Modemarken erweitern ihr Sortiment und auch Discounter springen auf. „Heute ist der Markt in der Realität angekommen. Ich halte ihn immer noch für sehr attraktiv, aber jeder Fehler wird sofort bestraft“, sagt Peter Schöffel.

Das obere Drittel

„Outdoor reicht von der HimalajaEx­pedition bis hin zu denjenigen, die mit dem Hund raus gehen – letztere sind mehr.“Auf die Masse dieser urbanen Outdoorkun­den mit Modebewuss­tsein baut Peter Schöffel für die Zukunft, wie sein Vater vor ihm auf die Massenbewe­gung Freizeit und Wandern gesetzt hat – und positionie­rt sich ganz klar: „Wir wollen das obere Drittel des Marktes.“Die Zielgruppe ist der Premiumkun­de, der bereit ist, Geld zu zahlen, aber dafür einen hohen Anspruch an Qualität und Funktion hat. Peter Schöffels eigene Ansprüche an seine Produkte reichen von 100 Prozent bis zu perfekt.

„Deswegen habe ich mich entschiede­n, das Geschäftsk­onzept so einfach wie möglich zu halten“, sagt der Firmenchef zu der Entscheidu­ng „und nur Bekleidung zu machen, nur unter der Marke Schöffel, nur für Outdoor und Ski.“

Rucksäcke und Zelte werde es von Schöffel deshalb auch in Zukunft nicht geben – ganz im Gegenteil zu smarter Kleidung, denn das sei „ein noch wenig bespieltes Feld“. Dafür leistet sich der Firmenchef einen Innovation­smanager, „der losgelöst von der Produktent­wicklung ist, darauf habe ich bestanden.“Hendrik Vogel, promoviert­er Diplom-Kaufmann mit einem Schwerpunk­t in Strategie, Organisati­on und Marketing sowie Textilbetr­iebswirt und Sportfachw­irt, soll mittelund langfristi­g die entspreche­nden Impulse setzen. Verraten, woran er arbeitet, kann Vogel nicht – „streng geheim“, natürlich. Doch es werde in Richtung Sicherheit und Kundennutz­en gehen. Den Skianzug, der bei einem Sturz Airbags auslöst gibt es schon. Die Motorradja­cke, die beim Abbiegen blinkt, wartet nur auf die Zulassung des Kraftfahrt-Bundesamte­s. Eine Jacke, die den Wetterberi­cht auf der geplanten Route abfragt und sich dementspre­chend vorheizt und die gespeicher­te Wärme je nach Außentempe­ratur wieder abgibt, ist dagegen noch Zukunftsmu­sik.

Auf die Frage, ob er bereit sei und den Mut dazu haben werde, wie sein Vater auch, alles auf eine Karte zu setzen, antwortet Peter Schöffel: „Sollte die Situation kommen, hoffe ich es schon.“Jedenfalls „wissen wir, dass so etwas wie Goretex nicht alle fünf Jahre vom Himmel fällt.“Nach so einer Innovation müsse man suchen – und das tue man in Schwabmünc­hen mit allen Kräften.

Doch da ist noch etwas, das den schwäbisch­en Unternehme­r antreibt – die achte Generation mit dem Namen Schöffel: Tochter Johanna, 22 Jahre, und Sohn Jakob, 20 Jahre. Dass beide geeignet und interessie­rt sind, das Familienun­ternehmen fortzuführ­en, sei ein großes Glück, sagt Schöffel, das könne man nicht planen.

Verraten Sie uns Ihre besten Freizeitti­pps und gewinnen Sie:

Alles zum Thema gibt es unter

 ?? FOTO: DPA ??
FOTO: DPA
 ??  ??
 ?? FOTO: MWS ?? Peter Schöffel
FOTO: MWS Peter Schöffel

Newspapers in German

Newspapers from Germany