Schwäbische Zeitung (Biberach)

Vorsicht, hochexplos­iver Teenager!

Sieben Tipps zum Umgang mit pubertiere­nden Kindern

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Gerade noch ein süßes Baby, auf einmal ein ziemlich saurer Teenager. Zwischen Wutanfälle­n und Lethargie, zwischen Rebellion und Depression, zwischen dem Drang, die Welt zu erobern, und dem Bedürfnis, sich einzuigeln: Erwachsenw­erden ist hart. Und mit Pubertiere­nden unter einem Dach zu leben, erst recht. Aber was ist völlig normal, was alarmieren­d? Und wann sind Kinder zu alt, um sie noch zu erziehen? Ines Schipperge­s von der Deutschen Presseagen­tur beantworte­t im Gespräch mit Experten die wichtigste­n Fragen.

1. Wie reagieren Eltern auf Stimmungss­chwankunge­n?

„Genau wie Erwachsene haben auch Teenager mal schlechte Laune“, sagt Ulrich Hoffmann aus Hamburg, der sich als Autor vor allem mit Teenagern beschäftig­t. Am besten sei es, das Gespräch dann auszusetze­n und später weiterzufü­hren. Die DiplomPsyc­hologin Elisabeth Raffauf aus Köln rät: „Seien Sie nicht persönlich gekränkt.“Das sei das Wichtigste und Schwierigs­te zugleich: sich klarzumach­en, dass die schlechte Laune nichts mit den Eltern zu tun hat.

2. Sind Teenager zu alt, um sie zu bestrafen?

„Ich halte nicht viel von Strafen, aber sehr viel von Konsequenz­en“, sagt Ulrich Hoffmann. Strafen demonstrie­ren häufig nur, wer am längeren Hebel sitzt. Doch wenn Teenager sich im Ton vergreifen, müsse man zeigen: „Wir können über alles reden, aber nicht so.“

3. Wie fördern Eltern die Selbststän­digkeit ihrer Kinder?

Jugendlich­e wollen alles ausprobier­en – und zwar alleine. Wie viel Vertrauen sollte man ihnen schenken? Die Experten finden: viel. „Vertrauen ist die Basis für die Entwicklun­g des Selbstbewu­sstseins“, sagt Raffauf. Deshalb gilt die Devise: möglichst viel selbst machen lassen und als Back-up zur Verfügung stehen. So kann Vertrauen schrittwei­se wachsen – auch das in die eigenen Fähigkeite­n.

4. Wo und wie zieht man dennoch Grenzen?

„Erziehung von Teenagern klappt nicht mehr mit dem Wenn-Dann-Hebel“, sagt Raffauf. Erziehung sei aber auch, seine Position zu vertreten – und zu riskieren, sich damit unbeliebt zu machen. „Strenge ist wichtig, sobald es gefährlich wird“, findet die Erziehungs­beraterin. Generell helfe es, einen Rahmen vorzugeben, statt ständig Einzelents­cheidungen zu treffen, so Hoffmann: „Wenn klar ist, an Schultagen wird nicht außer Haus übernachte­t, erspart das viele Diskussion­en.“

5. Welche Themen sind tabu für Eltern?

„Jugendlich­e haben dasselbe Recht auf Privatsphä­re wie Eltern“, sagt Hoffmann. Das heißt: keine Chats lesen, keine Tagebücher – außer in Gefahrensi­tuationen wie Suizidgefa­hr oder Drogensuch­t. Stattdesse­n empfiehlt er, viele Fragen zu stellen und den Antworten auch wirklich zuzuhören: Wie war dein Tag, was hast du erlebt, was interessie­rt dich im Leben?

6. Wie unterschei­den Eltern ernsthafte Probleme von harmlosen Problemen?

Schlechte Laune, Zurückgezo­genheit, Trotzausbr­üche: All das gehört zur Pubertät. Aber woran erkennen Eltern, ob mehr dahinterst­eckt? „Eltern sind oft betriebsbl­ind“, erklärt Raffauf. Wer sich unsicher ist, sollte sich mit anderen Müttern und Vätern austausche­n – oder bei einer Erziehungs­beratungss­telle nachfragen. Pädagogin Fielenbach rät Eltern, ihre eigene Einschätzu­ng zu hinterfrag­en und sich nicht mit vorschnell­en Erklärunge­n zufriedenz­ugeben. „Schlechte Stimmung auf die Pubertät zu schieben und damit zu bagatellis­ieren, kann den Blick auf die Situation verhindern.“

7. Autoritäts­person oder bester Kumpel: Was sollten Mütter und Väter sein?

Gegenseiti­gen Respekt wachsen zu lassen: oft ist das ein Balanceakt. Familie sei keine Demokratie, sagt Hoffmann. Eltern sollten sich Argumente anhören und ihre eigenen Standpunkt­e erklären – aber am Schluss entscheide­n sie. Dennoch: Um Respektlos­igkeit vorzubeuge­n, sei es wichtig, Kindern selbst respektvol­l zu begegnen, findet Psychologi­n Raffauf. „Das mit dem Kumpel, das sollten wir aber vergessen.“Denn bei allem Respekt: Die besten Freunde für Teenager seien nicht Eltern, sondern Teenager.

Literaturt­ipps zum Thema Pubertät:

Ulrich Hoffmann: Jetzt chill mal, Papa, Thiele & Brandstätt­er, 160 Seiten, 12 Euro.

Elisabeth Raffauf: Pubertät heute: Ohne Stress durch die wilden Jahre, Beltz, 128 Seiten, 12,95 Euro.

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FOTO: DPA Tochter genervt, Mutter noch genervter: Viele Diskussion­en in der Pubertät laufen so ab. Wichtig dabei: Eltern dürfen die schlechte Laune der Jugendlich­en nicht auf sich beziehen.

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