Schwäbische Zeitung (Biberach)
Debatte über steigende Flüchtlingszahlen
Kritik am türkischen Präsidenten Erdogan – Söder für Abweisung direkt an der Grenze
BERLIN (dpa/KNA/AFP) - Die steigenden Flüchtlingszahlen auf dem Landweg über die Türkei und über das Mittelmeer haben in Deutschland Besorgnis ausgelöst. Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), kritisierte in diesem Zusammenhang den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sowie die Flüchtlingspolitik Griechenlands. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) brachte die Abweisung von Asylbewerbern direkt an der Grenze ins Gespräch.
„Die Zahlen der letzten Monate gerade von der griechisch-türkischen Grenze sind beunruhigend“, sagte Weber dem „Münchner Merkur“. „Präsident Erdogan versucht, mit Flüchtlingen Politik zu machen, das ist offensichtlich.“Generell kritisierte Weber aber auch die EU-Länder: „Unser größtes Defizit ist noch immer die Rückführung.“Dies liege vor allem an den Mitgliedstaaten.“In Bezug auf Griechenland ergänzte er: „Weil Ministerpräsident Tsipras nicht in der Lage ist, ein effektives Asylsystem zu organisieren, können die Rückführungen von abgelehnten Asylbewerbern in die Türkei nicht so umgesetzt werden, wie es der Vertrag vorsieht. Und leider haben wir es auch auf der griechischen Seite mit Korruption zu tun.“Laut EUKommission kamen in den ersten 18 Wochen des Jahres über 15 000 Menschen auf dem Landweg über die Türkei oder über das Mittelmeer.
Zurückhaltend äußerte sich Weber zu den Vorschlägen seines Parteikollegen Söder: „Wir sind uns alle einig, dass wir illegale Migration stoppen müssen. Stellenweise nationale Grenzkontrollen sind, solange es an der EU-Außengrenze nicht ausreichend funktioniert, richtig.“Man müsse aber „alle Entscheidungen im Miteinander treffen“. Nur so könne Europa funktionieren. Söder hatte zuvor in der „Bild“-Zeitung gewarnt: „Unkontrollierte Zuwanderung hat schon einmal 2015 nicht nur die politische Architektur, sondern auch die Sicherheitslage in Deutschland grundlegend verändert.“Das dürfe sich nicht wiederholen. Sollten die geplanten Ankerzentren zur Aufnahme und Abschiebung von Migranten nicht funktionieren, „wird es an der Grenze Zurückweisungen geben müssen“, sagte Söder.
Hierfür musste er Kritik von der Hilfsorganisation Pro Asyl einstecken. „Das verstößt gegen geltendes Europarecht“, sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt. Dem neuen ZDF„Politbarometer“zufolge unterstützt die Mehrheit der Bundesbürger die Forderung der CSU nach einer deutlich strengeren Flüchtlingspolitik. 63 Prozent stimmten in der am Freitag veröffentlichten repräsentativen Umfrage dem CSU-Kurs zu, 32 Prozent lehnten ihn ab.
Die AfD wiederum hat mittlerweile Verfassungsklage gegen die 2015 eingeleitete Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Karlsruhe eingereicht – unter Verweis auf den früheren CSU-Chef Horst Seehofer und dessen Formulierung von der „Herrschaft des Unrechts“. Die Bemerkung bezog sich auf Merkels Entscheidung vom September 2015, die Grenze für Flüchtlinge offen zu halten.
ISTANBUL (dpa) - Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat das gewaltsame Vorgehen Israels gegen Palästinenser in Gaza mit Methoden der Nationalsozialisten im Dritten Reich verglichen. „Zwischen der Grausamkeit, die vor 75 Jahren in Europa an den Juden begangen wurde, und der Brutalität, der unsere Brüder aus Gaza heute ausgesetzt sind, besteht überhaupt kein Unterschied“, sagte Erdogan am Freitagabend bei einem Sondergipfel islamischer Staaten in Istanbul. Der UN-Menschenrechtsrat beschloss, eine unabhängige Untersuchungskommission in den Gazastreifen zu schicken.