Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wider die Folklore
Es kommt naturgemäß nie vor, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel sich in ihrer Haushaltsrede einem Insekt widmet. So geschehen aber diese Woche, als die CDU-Politikerin im Bundestag sagte: „Bienen stehen Pars pro Toto für das, was wir unter Artenvielfalt verstehen.“Diese sei vielerorts bedroht, daher sollten alle den Weltbienentag am Sonntag nutzen, um an die Artenvielfalt zu denken.
Nur Ignoranten werden behaupten, die Kanzlerin oder die Vereinten Nationen (die UN haben den Weltbienentag ins Leben gerufen) hängen das Thema zu hoch. Im Gegenteil: Weltweit sind mehr als 85 Prozent der Wild- und Kulturpflanzen von der Bestäubungsleistung abhängig, der wirtschaftliche Nutzen wird global mit jährlich bis zu 500 Milliarden Euro beziffert. Das Thema ist also existenziell. Erfreulich daher das Verbot von bienenschädlichen Insektiziden, das ein EU-Gericht diese Woche bestätigt hat. Erfreulich auch das weltweite Interesse an dem Thema. Und erfreulich die Ankündigung von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) zu einem Bienenaktionsplan. Was darin stehen wird, weiß aber noch niemand. Spätestens hier drohen Probleme.
Die Biene ist längst ein romantisiertes Identifikationsobjekt geworden, das zuckersüßen Honig verspricht und für das Gute, aber Gefährdete in der Welt steht – mit dem sich prima Symbolpolitik machen lässt. Von daher ist Klöckners Aufforderung, Gärten und Balkone bienenfreundlich zu gestalten, gut gemeint, aber auch naiv. Denn gefragt ist vor allem die Ministerin selber sowie die Politik insgesamt. Sie muss weiter gegen Insektizide und Überdüngung vorgehen, Monokulturen bekämpfen, auf Blühstreifen an Ackerrändern genauso drängen wie auf eine artgerechte Gestaltung der Obstkulturen. All dies muss sie gegen den massiven Widerstand von Lobbyisten tun. Und nicht zuletzt braucht es eine seriöse Datenlage, denn das Ausmaß des Bienensterbens – wenn die Bezeichnung überhaupt zutrifft – steht noch gar nicht fest. Erst wenn all dies geschieht, verdient ein Aktionsplan seinen Namen und verkümmert nicht zu einer „Biene Maja“-Folklore.