Schwäbische Zeitung (Biberach)

Helden gibt es nicht

Scott Coopers „Feinde“ist ein Abgesang auf den Mythos und ein atmosphäri­sch dichter Spätwester­n

- Von Stefan Rother Feinde – Hostiles. Regie: Scott Cooper. Mit: Christian Bale, Rosamund Pike, Wes Studi. USA 2017. 134 Minuten. FSK ab 16 Jahre.

Im „Wilden Westen“ging es alles andere als heroisch zu. Die Grenzen zwischen richtig und falsch waren oft nur verschwomm­en erkennbar. Keine ganz neue Erkenntnis auf der Kinoleinwa­nd; man spricht dann von Spät- oder Anti-Western. Berühmte Vertreter dieses Genres sind „Pat Garrett jagt Billy the Kid“oder Clint Eastwoods „Erbarmungs­los“. „Feinde – Hostiles “von Scott Cooper stimmt den Abgesang auf das Heldentum im Grenzland aber besonders entschloss­en an: Er zeichnet den amerikanis­chen Westen als traumatisc­he Erfahrung, der sich niemand entziehen kann.

Der Film spielt im Jahr 1892, als die großen Schlachten bereits geschlagen waren. In der Erinnerung der Figuren sind die Auseinande­rsetzungen aber noch höchst präsent und auch jenseits der Schlachtfe­lder lauert ständig die Gefahr. Dies zeigt der atemberaub­end inszeniert­e Auftakt von „Feinde“, als eine fünfköpfig­e Siedlerfam­ilie von Komantsche­n brutal überfallen wird. Als einzige Überlebend­e kann sich Rosalee Quaid (Rosamund Pike) in die Wälder retten.

Dieses Tempo hält der mehr als zweistündi­ge Film aber keineswegs bei, vielmehr inszeniert er seine Anspannung meist eher unterschwe­llig. Im Mittelpunk­t steht Kriegsvete­ran Captain Joe Blocker (Christian Bale), der im New-Mexico-Territoriu­m stationier­t ist. In unzähligen Gefechten hat er Indianer massakrier­t oder Gefährten an diese verloren und bereitet sich nun auf den Ruhestand vor. Davor haben seine Vorgesetzt­en aber noch eine besonders große Herausford­erung parat: Ausgerechn­et Blocker soll den unheilbar krebskrank­en Cheyenne-Häuptling Yellow Hawk (Wes Studi) samt Familie nach Montana begleiten, damit dieser im Stammesgeb­iet seiner Vorfahren sterben kann.

Quälende Erinnerung­en

Nur unter größtem Druck nimmt Blocker den Auftrag an, lässt Yellow Hawk, der vor seiner siebenjähr­igen Gefangensc­haft ein erbarmungs­loser Krieger war, seine an Hass grenzende Abneigung deutlich spüren. Unterwegs trifft der Trupp auf Rosalee, die im zerstörten Farmhaus neben den Leichen der Familie ausharrt. Nach behutsamem Zureden schließt sie sich der Gruppe an – und wird im Laufe des Treks nicht der einzige Zu- oder Abgang bleiben.

Regisseur Cooper („Crazy Heart“) konnte seinen Film bis in die Nebenrolle­n herausrage­nd besetzen. So verkörpert Rory Cochrane etwa Blockers Freund und Kampfgefäh­rten Master Sergeant Metz, der offenkundi­g seit Jahren an einer posttrauma­tischen Belastungs­störung leidet und kaum mehr etwas empfinden kann. Bale spielt seine Figur als abgehärtet­en Krieger, aber hinter dem imposanten Schnurrbar­t beginnt es zunehmend zu zucken, wenn sich im Laufe der Reise doch Gefühle an die Oberfläche hervorarbe­iten. Auch Wes Studi, bekannt aus „Der mit dem Wolf tanzt“, ist eine unbestritt­en passende Besetzung – macht aber eine Schwäche des Drehbuchs deutlich: Denn das ist eindeutig auf die Perspektiv­e Blockers ausgericht­et, Yellow Hawk bleibt eher eine Referenzfi­gur. Zwar entfaltet sich zwischen den beiden einstigen Feinden allmählich eine Beziehung, nicht zuletzt angesichts der erhebliche­n Spielzeit des Films hätte diese Dynamik aber weitaus mehr Raum verdient.

Für diese Schwäche im Drehbuch entschädig­en die Entwicklun­g, die Pike ihrer vom Schicksal heimgesuch­ten Figur zukommen lässt, sowie die großartige­n Landschaft­saufnahmen. So ist Cooper vielleicht nicht das ganz große Werk gelungen, das er hier erkennbar angestrebt hat; als atmosphäri­sch-reflektier­ter Spätwester­n kann die Geschichte der Feinde aber dennoch überzeugen.

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FOTO: UNIVERSUM FILM/DPA Chief Yellow Hawk (Wes Studi, links) und Captain Joseph Blocker (Christian Bale) haben eine gemeinsame Vergangenh­eit. Die Erinnerung daran quält beide.

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