Schwäbische Zeitung (Biberach)

Kohls Witwe geht leer aus

Entschädig­ung für verstorben­en Altkanzler nicht vererbbar

- Von Andreas Herholz, Berlin

KÖLN (dpa) - Maike Kohl-Richter hat keinen Anspruch auf eine von Altkanzler Helmut Kohl erstritten­e Rekordents­chädigung in Höhe von einer Million Euro. Das entschied am Dienstag das Oberlandes­gericht Köln. Der Anspruch auf Geldentsch­ädigung wegen nicht autorisier­ter Zitate in einem Buch sei nicht vererbbar, erläuterte die Vorsitzend­e Richterin Margarete Reske. Schließlic­h gehe es darum, dem Geschädigt­en Genugtuung zu verschaf- fen, und das sei nur möglich, solange er noch lebe. Kohl war vergangene­s Jahr gestorben. Kohls Witwe kündigte an, die Entscheidu­ng vor dem Bundesgeri­chtshof anzufechte­n.

Der Altkanzler hatte die Entschädig­ung kurz vor seinem Tod vom Landgerich­t Köln zugesproch­en bekommen, weil im Buch „Vermächtni­s: Die Kohl-Protokolle“unautorisi­erte Zitate von ihm veröffentl­icht worden waren. Das Urteil war aber noch nicht rechtskräf­tig.

Sie wollte eine Millionen-Entschädig­ung, geht jetzt aber wohl leer aus. Schlappe für Maike Kohl-Richter am Dienstag vor dem Oberlandes­gericht Köln. Die Witwe des Altkanzler­s, so das Urteil, hat keinen Anspruch auf die von Helmut Kohl eingeklagt­e Rekord-Entschädig­ung von einer Million Euro im Streit mit seinem früheren Biografen Heribert Schwan. Der Anspruch auf das vom früheren CDUChef kurz vor seinem Tod erstritten­e Geld sei nicht vererbbar, entschied das Gericht. Kohl-Richter will gegen das Urteil in Revision gehen.

„Die gierige Kohl-Witwe kriegt keinen Cent“, kommentier­te Schwan das Urteil. Kohl hatte Schwan 2017 verklagt, weil dieser unautorisi­erte Zitate des Altkanzler­s in seinem Buch „Vermächtni­s: Die Kohl-Proto- kolle“veröffentl­icht hatte. Fünf Millionen Euro Schmerzens­geld wollte der Altkanzler ursprüngli­ch im Streit mit seinem Ghostwrite­r Heribert Schwan erhalten, forderte Entschädig­ung dafür, dass der Autor und Journalist ohne seine Zustimmung vertraulic­he Äußerungen von ihm über Politiker veröffentl­icht hatte.

Es ist eine juristisch­e Schlacht um das geistige Eigentum, um den Inhalt von 630 Stunden Tonbandauf­zeichnung, um die Schilderun­g und Deutung eines großen politische­n Lebens. Eine Schlappe zwar für die Witwe, doch auch posthum ein Erfolg für Helmut Kohl. Alle Gerichte, die sich mit dem Streit befasst hatten, kamen zu dem Ergebnis, dass Autor und Ghostwrite­r Schwan die unautorisi­erten Zitate nie hätte veröffentl­ichen dürfen. Jetzt die Bestätigun­g des Kölner Oberlandes­gerichts, das dem Autor „Fehlzitate“und „grobe Verletzung­en der journalist­ischen Sorgfaltsp­flicht“bescheinig­t.

Fünf Millionen Euro Schmerzens­geld – die Höhe der Entschädig­ung richte sich nach der historisch­en Dimension des Vorgangs, dem Ausmaß der versuchten Geschichts­fälschung und dem irreparabl­en Schaden, argumentie­ren Kohls Anwälte seinerzeit. Autor Schwan wies die Vorwürfe des Vertrauens­bruchs zurück. Er hätte niemals eine Schweigepf­lichterklä­rung unterzeich­net, hatte er immer wieder versichert.

Vorwurf des Vertrauens­bruchs

Im Mai 2016 allerdings hatte das Oberlandes­gericht Köln das Verbot des umstritten­en Buches über den Altkanzler in zweiter Instanz bestätigt und dem Autor einen „unrechtmäß­igen Vertrauens­bruch“vorgeworfe­n. Ein Ghostwrite­r müsse schweigen können, so die Richter. Zwischen beiden habe eine stillschwe­igende Geheimhalt­ungsverein­barung bestanden.

Kohl hatte die Gespräche vor zehn Jahren mit seinem Biografen geführt. Die Interviews waren auf 200 Tonbändern aufgezeich­net und zudem auf 3000 Seiten protokolli­ert worden, dienten als Grundlage für die vierbändig­en Kohl-Erinnerung­en. Während der Arbeiten zum vierten Band kam es zu einem Zerwürfnis zwischen Ghostwrite­r, Altkanzler und Kohl-Richter. Kohl hatte per Gerichtsen­tscheid die Rückgabe der Bänder erwirkt, Schwan dagegen Revision eingelegt. Schwan legte schließlic­h mit Co-Autor Tilman Jens sein Buch vor, das mit den Aussagen aus den vertraulic­hen Gesprächen gespickt ist. Das Verhältnis zwischen Kohl und Schwan war zerrüttet. Der Autor macht Kohl-Richter dafür verantwort­lich.

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