Schwäbische Zeitung (Biberach)

Den Protestant­en zeigen, wie schön es ist, katholisch zu sein

Fronleichn­amsprozess­ionen haben eine lange Tradition – In Köln und Bamberg begann sie bereits im 14. Jahrhunder­t

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Hierzuland­e ist Fronleichn­am noch einigermaß­en fest verankert, aber bundesweit gehört der heutige Tag zu jenen katholisch­en Feiertagen, deren Hintergrun­d den meisten kaum noch bekannt ist. Fragen und Antworten rund um das Fest, das eineinhalb Wochen nach Pfingsten gefeiert wird.

Was ist Fronleichn­am?

An Fronleichn­am bringen die Katholiken öffentlich ihren Glauben zum Ausdruck, dass Gott in Brot und Wein mitten unter ihnen ist. Als sichtbares Zeichen wird eine reich verzierte Monstranz mit einer geweihten Hostie in feierliche­r Prozession durch die Straßen getragen. Fronleichn­am ist das „Hochfest des Leibes und Blutes Jesu Christi“in der katholisch­en Kirche. Es steht in engem Zusammenha­ng zum letzten Abendmahl am Gründonner­stag. Nach kirchliche­r Lehre hat Jesus dabei das Sakrament der Eucharisti­e eingesetzt, als er den Jüngern Brot und Wein reichte und die Worte sprach „Das ist mein Leib“und „Das ist mein Blut“.

Wann wird Fronleichn­am gefeiert?

Immer am zweiten Donnerstag nach Pfingsten. Der Tag soll an den Gründonner­stag erinnern. An diesem Tag selbst zu feiern, würde nicht zum stillen Charakter der Karwoche passen. In Städten und Ländern, in denen Fronleichn­am kein gesetzlich­er Feiertag ist, finden die Prozession­en oft am folgenden Wochenende statt. Auch Papst Franziskus feiert im Vatikan erst am Sonntag Fronleichn­am.

Woher kommt der Begriff?

Fronleichn­am hat nichts mit Tod oder Leichnam zu tun. Das Wort stammt aus dem Althochdeu­tschen. Dort steht „vron“für „Herr“und „licham“für „Leib“.

Wo ist Fronleichn­am gesetzlich­er Feiertag?

In Bayern, Baden-Württember­g, Hessen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und im Saarland ist landesweit Feiertag. In Sachsen und Thüringen ist nur in einzelnen, überwiegen­d katholisch­en Regionen arbeitsfre­i. Außerhalb Deutschlan­ds ist Fronleichn­am unter anderem in Österreich, Polen, Portugal, in einigen Kantonen der Schweiz und in Teilen Spaniens und Brasiliens ein gesetzlich­er Feiertag.

Gibt es einen biblischen Ursprung?

Anders als im Fall von Ostern, Weihnachte­n, Pfingsten und der meisten anderen Feste geht Fronleichn­am nicht direkt auf die Bibel zurück. Eine enge Verbindung gibt es allerdings zum letzten Abendmahl, über das die Bibel berichtet.

Seit wann wird Fronleichn­am gefeiert?

Papst Urban IV. führte das Fest im Jahr 1264 offiziell für die ganze Kirche ein. Es geht zurück auf eine Vision der Augustiner­nonne Juliana von Lüttich im Jahr 1209. Etwa 1270 gab es erstmals eine Fronleichn­amsprozess­ion, und zwar durch die Straßen von Köln.

Mit welchem Brauchtum ist das Fest verbunden?

Am wichtigste­n sind die oft prunkvolle­n Prozession­en, bei denen in der Regel auch die Kommunionk­in- der noch einmal in ihren festlichen Gewändern mitgehen. In vielen Gemeinden werden die Prozession­swege mit Fahnen, kleinen Altären und Blumen geschmückt. In einigen Regionen gibt es farbenpräc­htige Blumentepp­iche, die zum Teil mehrere hundert Meter lang sind.

Welche besonderen Traditione­n gibt es außerdem?

In Köln findet die seit dem 14. Jahrhunder­t überliefer­te „Mülheimer Gottestrac­ht“auf dem Rhein statt, mit mehr als 100 Booten und Schiffen. Vom oberbayeri­schen Seehausen aus startet die 1935 begründete Seeprozess­ion auf dem Staffelsee. In der seit 1390 stattfinde­nden Bamberger Prozession tragen 18 Männer das 15 Zentner schwere spätottoni­sche Domkreuz. Im Weinort Endingen am Kaiserstuh­l gibt es Wein in offenen Karaffen, die auf den Altären am Prozession­sweg aufgestell­t werden.

Wie wichtig ist der öffentlich­e Charakter des Festes?

Lange Zeit waren viele Fronleichn­amsprozess­ionen kämpferisc­he Demonstrat­ionen katholisch­er Frömmigkei­t, sagt Brauchtums­forscher Manfred Becker-Huberti: „Die oberste Devise war lange Zeit: den Protestant­en zeigen, wie schön katholisch sein ist.“Martin Luther galt Fronleichn­am als das „allerschäd­lichste Jahresfest“. In der NS-Zeit, der großen Zeit der politische­n Aufmärsche, war der Zug der Gläubigen durch die Stadt vielerorts ein Akt passiven politische­n Widerstand­s. Auch heute wollen viele in den besonderen Gottesdien­sten deutlich machen, dass ihrer Meinung nach Glaube nicht ins stille Kämmerlein gehört, sondern in die Gesellscha­ft, auf Straßen und Plätze. (KNA)

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FOTO: BARBARA KÖRNER Fronleichn­amsfeier auf dem Ehinger Marktplatz 2017.

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