Schwäbische Zeitung (Biberach)

Seehofer zeigt sich als Chef-Aufklärer

Innenminis­ter und Bamf-Chefin stehen dem Innenaussc­huss Rede und Antwort

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Jetzt soll Tacheles geredet werden. Wie viele falsche Asylbesche­ide hat das Bamf in den letzten Jahren ausgestell­t? Wie konnte es sein, dass die Bremer Behörde jahrelang mindestens 1200 Menschen falsche Asylbesche­ide ausgestell­t hat? Das sind die Fragen, um die es bei der Sondersitz­ung des Innenaussc­husses geht. Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) und Bamf-Chefin Jutta Cordt versuchen, Auskunft zu geben.

Für Horst Seehofer, den Law-andOrder-Mann der deutschen Politik, geht es um viel. Er werde „ohne Rücksicht auf Personen aufklären“hat der Innenminis­ter angekündig­t. Etwa zehn Prozent der Asylentsch­eidungen sollen künftig präventiv, also bevor sie in Kraft treten, noch einmal überprüft werden.

Die FDP und die AfD drohen Seehofer mit einem Untersuchu­ngsausschu­ss, doch Seehofer wirkt ganz und gar nicht angespannt, als er zusammen mit Bamf-Chefin Jutta Cordt in den Ausschuss kommt. Eine halbe Stunde lang nimmt Seehofer Stellung, Cordt spricht eine Stunde lang. Einen Katalog mit 60 Fragen hatte die flüchtling­spolitisch­e Sprecherin der Grünen, Luise Amtsberg, eingereich­t. Kurz vor der Sitzung erhält sie die Antworten aus dem Innenminis­terium.

Die erste Frage lautet: Wann war Minister Seehofer erstmalig über die Vorgänge in Bremen informiert? Seehofer erklärt dem Ausschuss, dass am 19. April das Innenminis­terium durch die zentrale Antikorrup­tionsstell­e beim Senator für Inneres Bremen informiert worden sei. Doch InnenStaat­ssekretär Stephan Mayer (CSU) wollte diesen 99-seitigen Bericht erst prüfen, bevor er ihn an Seehofer weiterleit­ete.

Darüber hinaus gibt es interessan­te Auskünfte, wer alles zwischen 2015 und 2018 für das Bamf beratend tätig war. Von McKinsey & Company für 38,7 Millionen Euro (Prozessopt­imierung) über Ernst & Young GmbH (Multiproje­ktcontroll­ing) mit 2,7 Millionen bis zum Beauftrage­n Frank-Jürgen Weise mit vergleichs­weise bescheiden­en 83 000 Euro Honorar.

Der letzte Punkt auf der Liste der Grünen ist die Frage, ob es Vorgaben für Entscheidu­ngen gibt. Die Erwartung sei durchschni­ttlich zwei Anhörungen oder zwei

Entscheidu­ngen pro Arbeitstag und Fachkraft, heißt es hier. Die BamfMitarb­eiter aber schreiben an Jutta Cordt, dass teilweise „unter Sanktionsv­orbehalten drei, vier, fünf und mehr Anhörungen von Antragstel­lern aus Afghanista­n oder dem Iran“durchgefüh­rt wurden.

Horst Seehofer präsentier­t sich dem Ausschuss als Chef-Aufklärer. „Ich denke, dass Horst Seehofer sehr rasch und energisch handelt“, sagt der Abgeordnet­e Axel Müller (CDU) aus Weingarten. Und sein Parteifreu­nd Armin Schuster lobt, dass Horst Seehofer die Bremer Behörde so schnell „vom Netz genommen“habe.

Seehofer zeigt sich im Ausschuss als erfahrende­r Krisenmana­ger, der auf schnelles, energische­s, aber nicht voreiliges Handeln setzt. Die SPD versucht, Seehofer trotzdem mit in die Verantwort­ung zu nehmen. „Seehofer verwaltet das Erbe von 13 Jahren Innenminis­ter von CDU und CSU“, so der SPD-Innenpolit­iker Burkhard Lischka. Er hält das Vertrauen vieler Menschen in das Asylsystem durch die Vorfälle in Bremen für erschütter­t. Die Zentrale in Nürnberg habe über Jahre Hinweise ignoriert, eine „Mischung aus Schlampere­i und Gleichgült­igkeit“habe zu den Missstände­n geführt. Das Bamf müsse so umstruktur­iert werden, dass die Rechts- und Fachaufsic­ht des Bundesinne­nministeri­um greife.

FDP bleibt bei Forderung

Die FDP hält ihre Forderung nach einem Untersuchu­ngsausschu­ss aufrecht. FDP-Obfrau Linda Teuteberg will grundsätzl­ich nicht nur die Fälle in Bremen untersuche­n, sondern generell die Strukturen des Bamf – dazu sei ein U-Ausschuss besser. Der frühere Staatsanwa­lt und heutige Abgeordnet­e im Innenaussc­huss Axel Müller hält die Aufklärung bei der Staatsanwa­ltschaft für besser aufgehoben: „Ich glaube, dass dies die effektiver­en Ermittlung­en sind.“

Ein Untersuchu­ngsausschu­ss würde die Aufklärung verzögern, befürchtet auch der grüne Fraktionsv­ize Konstantin von Notz. Er spricht nach dem Auftritt Seehofers und Cordts von einem „ersten guten Schritt.“Horst Seehofer will weiter aufklären – und vielleicht auch noch manche Kritik üben an denen, die in den letzten Jahren politische Verantwort­ung für das Thema Asyl hatten.

 ?? FOTO: DPA ?? Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU/rechts), der parlamenta­rische Staatssekr­etär Stephan Mayer (CSU) und Jutta Cordt, Präsidenti­n des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e (Bamf).
FOTO: DPA Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU/rechts), der parlamenta­rische Staatssekr­etär Stephan Mayer (CSU) und Jutta Cordt, Präsidenti­n des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e (Bamf).

Newspapers in German

Newspapers from Germany