Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mr. Berlinale hat Geburtstag

Dieter Kosslick, Leiter der Internatio­nalen Filmfestsp­iele Berlin, wird 70

- Von Rudolf Worschech

BERLIN/PFORZHEIM (epd) - Er kann auch schon mal schimpfen, aber eigentlich ist die gute Laune sein Markenzeic­hen. Und ein breitkremp­iger Hut, ein Schal und ein Berlinale-Bär am Revers. Am 30. Mai wird Dieter Kosslick 70 Jahre alt. Er hat es geschafft, seit seinem Amtsantrit­t im Mai 2001 so etwas wie das Gesicht der Berlinale zu werden. „Mr. Berlinale“nennen ihn seine Freunde. Das ist seinen drei Vorgängern seit Gründung der Filmfestsp­iele 1951, Alfred Bauer, Wolf Donner und Moritz De Hadeln, nicht gelungen.

Kosslick, geboren 1948 in Pforzheim, hat den Spaßfaktor ins Festivalbu­siness gebracht. Charmant kultiviert er ein unperfekte­s Englisch, und wenn er anhebt zu reden, weiß man nie, wo es enden wird. Aber er kann überzeugen.

Und es steht außer Frage, dass er sich auskennt: sowohl in der Filmbranch­e als auch in der Politik. Und das ist in diesen Zeiten enorm wichtig, denn ein Großteil des Festivalbu­dgets von 26 Millionen Euro kommt aus öffentlich­er Hand, das meiste aus dem Topf des Kulturstaa­tsminister­iums.

Über die Politik kam Kosslick auch zu dem Job in Berlin. Er war der Kandidat des Kulturstaa­tsminister­s Michael Naumann (SPD). Begonnen hat Kosslicks Karriere nach dem Studium der Kommunikat­ionswissen­schaft, Politik und Pädagogik 1979 als Redenschre­iber und Büroleiter des Ersten Bürgermeis­ters von Hamburg, Hans-Ulrich Klose (SPD). 1983 übernahm er die kulturelle Filmförder­ung der Hansestadt. Zusammen mit dem Filmemache­r Thomas Struck rief er 1986 das „European Low Budget Film Forum“ins Leben. 1993 wechselte Kosslick zur Filmstiftu­ng Nordrhein-Westfalen.

Als Kosslick die Berlinale übernahm, stand Deutschlan­ds größtes und wichtigste­s Filmfestiv­al in der Kritik. Die Branche und auch die Po- litik warfen ihm vor, den heimischen Film nicht richtig zu repräsenti­eren. Der neue Leiter hat seit seinem Amtsantrit­t die Berlinale an verschiede­nen Stellen neu aufgestell­t. Dazu gehörte mit der NachwuchsS­ektion „Perspektiv­e deutsches Kino“und mehreren Filmen im Wettbewerb auch eine stärkere Konzentrat­ion auf den deutschen Film.

In diesem Jahr beispielsw­eise liefen vier deutsche Filme im Wettbewerb. Und auch wenn sie bei den Berlinale-Preisen weitgehend leer ausgingen: Das Romy-SchneiderD­rama „3 Tage in Quiberon“von Emily Atef war der große Abräumer bei den Deutschen Filmpreise­n. 2003 startete Kosslick den „Berlinale Talent Campus“, und er baute den „European Film Market“weiter aus.

Und er versuchte zu Beginn seiner Amtszeit, das Profil des Wettbewerb­s, zu schärfen und ihm eine politisch orientiert­e Kontur zu geben. Mit Goldenen-Bären-Gewinnern wie Michael Winterbott­oms Flüchtling­sdrama „In this World“(2003), Jasmila Zbanics „Grbavica“(2006) oder dem Dokumentar­film „Seefeuer“(2016) gelang das durchaus.

Zu viel von allem?

In der Ära Kosslick ist die Berlinale, die sich mit 400 000 gelösten Eintrittsk­arten zu einem veritablen Publikumsf­estival entwickelt­e, aber unübersich­tlicher geworden. Immer neue Reihen kamen hinzu: „Indigenes Kino“beispielsw­eise oder „Kulinarisc­hes Kino“. Auch die Abgrenzung zwischen den drei großen Festivalse­ktionen Wettbewerb, Forum und Panorama funktionie­rt nicht mehr richtig.

Im nächsten Jahr endet Kosslicks Berlinale-Amt. In den letzten Jahren stand er in der Kritik. In einer Erklärung forderten Ende November 2017 Filmemache­rinnen und Filmemache­r, „das Festival programmat­isch zu erneuern und zu entschlack­en“. Daran wird sich allerdings jemand anders abarbeiten müssen.

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FOTO: JENS KALAENE Festivaldi­rektor Dieter Kosslick an seinem Arbeitspla­tz.

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