Schwäbische Zeitung (Biberach)
Kein Ersatz für Ballettschule
Andere Schulen wollen die Schüler übernehmen, bieten aber ein anderes Training an
BIBERACH (sz) - Nach 25 Jahren schließt Regina Betzler ihre Ballettschule Luzie Müller in Biberach. Als Tanzschülerin Effi von der Schließung erfährt, bricht sie in Tränen aus. Ihre Eltern schauen sich nach einer Alternative um. Aber die Suche fällt ihnen schwer – obwohl die Tanzschulen in der Stadt sofort reagieren.
BIBERACH- Die Nachricht kam überraschend. Nach 25 Jahren schließt Regina Betzler ihre Ballettschule Luzie Müller in Biberach. Als Tanzschülerin Effi von der Schließung erfährt, bricht sie in Tränen aus. Für ihre Eltern Verena und Thomas Harzer ist klar: Ihre Tochter soll weiter Ballett tanzen machen. Aber die Suche nach einer Alternative fällt ihnen schwer – obwohl die Tanzschulen in der Stadt sofort reagieren.
Regina Betzler ist 78 Jahre alt. Seit 46 Jahren unterrichtet sie an der Ballettschule Luzie Müller, seit 1993 betreibt sie diese. Allein. Gegen Ende des vergangenen Jahres kommt Betzler ins Grübeln und fasst schließlich einen Entschluss: „Ich muss aufhören, wenn es mir gut geht. Ich arbeite nicht, bis ich umfalle. Ich weiß ja nicht, was kommt.“Zum 1. Juli hört sie nun auf. Die Kündigung für ihren Vermieter schrieb sie schon im Januar. Aber erst vor Kurzem ließ sie die Bombe bei ihren rund 150 Schülern platzen: „Vorher habe ich es nicht übers Herz gebracht.“
Effi hat „wie ein Schlosshund geweint“, erinnert sich Mama Harzer an den Tag, an dem ihre Tochter von der Schließung erfährt. Seit fünf Jahren nimmt sie Unterricht bei Regina Betzler. Die Harzers machen sich sofort auf die Suche nach Alternativen. Sie finden jedoch kein passendes Angebot.
Mehr Plätze reichen Eltern nicht
Währenddessen schmiedet Nicole Desweemèr schon einen Übergangsplan. Ballett bietet sie in ihrer Tanzschule erst seit November 2017 an, bis dato nur für Kinder im Alter von bis zu zehn Jahren. Dass sie die Kurspläne so schnell ausweiten würde, hätte Desweemèr nicht gedacht: „Natürlich reagiere ich auf die Schließung und erweitere mein Angebot. Ich nehme jetzt auch ältere Schüler auf“, erklärt sie. Ein paar ehemalige Schüler von Regina Betzler seien nun schon bei ihr. Sie hat sie übergangsweise in einen Kurs für ab Achtjährige gesteckt. Vorher sind die Jüngeren dran. „Das ist nur ein Provisorium bis zum Ende der Pfingst-
ferien. Dann starten wir in die neue Saison.“In dieser will Desweemèr auf drei Kurse aufstocken. Die genaue Alterseinteilung stehe noch nicht fest. Aber: „Ich übernehme alle, die kommen.“Auch die Jugendkunstschule in Biberach bastelt derzeit an ihrem Jahresprogramm. Leiterin Susanne Maier will ihr Angebot ausweiten. Derzeit gibt es drei Bal-
lettkurse, unterschieden nach Alter und Tanzlevel: „Hier werden wir auf alle eingehen und zusätzliche Kurse schaffen.“Ende Juni soll das Programm stehen.
Aber um Plätze allein geht es den Harzers nicht. Denn: „Die Schulen haben einen anderen Anspruch an das klassische Ballett als Frau Betzler“, erklärt Verena Harzer. Effi hätte frü-
her woanders Unterricht gehabt und sich kürzlich eine andere Tanzstunde angeschaut. Aber der Unterricht laufe dort anders ab als gewohnt.
Der Ballettunterricht von Regina Betzler ist zweigeteilt: „Die kleinen Mädchen machen erst mal nur Gymnastik, um die Muskulatur zu stärken. Ab sieben kommt dann das Ballett hinzu.“Die Einheiten dauern je 50 Minuten. Die extra Gymnastikund Akrobatikeinheiten seien tatsächlich einmalig in Biberach, bestätigt Barbara Clarke, Ballettlehrerin an der Juks. Sie hat selbst schon Tanzstunden bei Betzler genommen. Die fragte sie einmal, ob Clarke nicht die Ballettschule übernehmen wolle. Clarke lehnte ab: „Ich komme mehr vom Tanz und mache viel Choreographie. Ich könnte das, was Frau Betzler macht, fortsetzen. Aber das ist nicht meine Spezialität und es wäre auch eine andere Qualität.“Jeder Lehrer unterrichte schließlich auf seine eigene Art.
An der Juks feilt Clarke gerade mit am neuen Kursprogramm: „Ich würde gerne eine reine Choreografiegruppe einführen. Vielleicht gibt
„Ich muss aufhören, wenn es mir gut geht. Ich arbeite nicht, bis ich umfalle. Ich weiß ja nicht, was kommt.“
Regina Betzler, Inhaberin der Ballettschule Luzie Müller
es bald auch 90-minütige Ballettkurse.“Mangelnde Zeit sei oft der Grund, warum klassisches Balletttraining zu kurz komme, sagt Clarke: „In 60 Minuten kann ich nicht alles unterbringen. Wenn wir für eine Aufführung trainieren, gibt es mehr Proben und Choreografiestunden.“Clarke empfiehlt: „Wer beides haben möchte, kann sich zusätzlich in einem Turnverein anmelden.“So könne man das Gymnastiktraining auffangen und die Beweglichkeit erhalten.
Eine Nachfolge für Regina Betzler zu finden, stuft sie als schwierig ein: „Am besten wäre jemand, der erfahren ist, seine Tanzkarriere aber schon beendet hat. Ansonsten hält den nichts hier in Biberach.“Entscheidend sei vor allem die Nachfrage: „Die Eltern müssen konkret nach Kursangeboten fragen und genau wissen, welche Vorstellungen sie und die Kinder vom Unterricht haben. Sonst wird auch nichts anderes angeboten.“