Schwäbische Zeitung (Biberach)
„Pink Warrior“fährt den Männern davon
Motorradfahrerin Ana Carrasco führt als erste Frau eine Straßen-WM an – „Sie strengen sich mehr an gegen mich“
DONINGTON (SID) - Ana Carrasco fällt auf. Mit ihren pinken Rennhandschuhen und der dazu passenden Helmlackierung sticht die 21-Jährige in der Startaufstellung heraus, inzwischen noch viel mehr als früher – schließlich steht sie regelmäßig weit vorn. Die Spanierin führt als erste Frau die Gesamtwertung einer Straßen-WM an, nach dem zweiten Saisonsieg ist ihr alles zuzutrauen.
Carrasco mischt mit ihrer Kawasaki Ninja eine Männerdomäne auf. In der Klasse Supersport 300 hat sie nach vier von acht Läufen 22 Punkte Vorsprung an der Spitze. Härtester Verfolger ist der deutsche Youngster Luca Grünwald (Waldkraiburg/23). Die Supersport 300 wird im Rahmen der Superbike-Weltmeisterschaft durchgeführt, die vom Berkheimer Sandro Cortese angeführt wird.
„Der zweite Sieg in Serie, das ist unglaublich“, sagte Carrasco nach ihrer perfekten Vorstellung am Wochenende in Donington. Sie startete in England von der Pole, fuhr die schnellste Rennrunde und feierte einen Start-Ziel-Sieg. Ein wenig unheimlich ist ihr der derzeitige Erfolg mit dem DS Junior Team schon, auch wenn er keinesfalls aus dem Nichts kommt.
Carrasco hat in ihrer Motorradkarriere schon mehrfach Geschichte geschrieben. Im Oktober 2013 wurde sie in der Straßen-WM beim Moto3Rennen von Sepang 15. und fuhr damit als erste Frau seit Katja Poensgen in die Punkte. Die heute 41-Jährige aus Mindelheim war 2001 bei den 250ern in Mugello 14. geworden.
So richtig durchgestartet ist Carrasco aber erst nach ihrem Wechsel in die Supersport-WM, in der seriennähere Maschinen zum Einsatz kommen. Nach drei Moto3-Jahren (2013 bis 2015) ging es 2017 in die Supersport 300. Schon nach wenigen Monaten triumphierte Carrasco in Portimao als erste Rennfahrerin bei einem Lauf in einer Straßen-WM.
„Die Frauen werden niemals in der Überzahl sein, so viel ist klar“, sagte Carrasco damals, hoffte aber: „Die Zahl der Frauen wird ansteigen, aber das Level in der WM ist sehr hoch. Das macht es noch schwieriger.“
Bislang ist der große Aufschwung ausgeblieben. Im vergangenen Jahr war nur noch Carrascos frühere Rivalin Maria Herrera in der Moto3 unterwegs, inzwischen fahren keine Frauen mehr in einer der drei bedeutendsten Motorrad-Klassen (MotoGP, Moto2, Moto3).
Auch Herrera, ebenfalls 21, ist nun Gegnerin Carrascos in der Supersport 300. Mit 15 Punkten ist die Yamaha-Pilotin aus Toledo im Klassement derzeit 15., die Mehrzahl der männlichen Konkurrenten steht hinter ihr. Für die Highlights der etwas anderen „Grid Girls“sorgt aber ihre Landsfrau.
„Pink Warrior“Carrasco, die sich in Assen einmal einen „Grid Boy“in die Startaufstellung geholt hatte, stammt aus einer Motorradfamilie. Ihr Vater war Mechaniker und Rennfahrer, mit drei Jahren bekam sie ihr erstes Motorrad. Dass sie eine Frau ist, bekommt Carrasco auf der Strecke zu spüren. „Wenn sie gegen mich fahren, strengen sie sich mehr an“, sagt sie über die männlichen Kollegen, „aber das ist mir egal.“