Schwäbische Zeitung (Biberach)

Von der Lokalheldi­n bis zur Frauenrech­tlerin

Jutta Heinz referiert im Wielandarc­hiv über schreibend­e Frauen in Schwaben

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BIBERACH (vo) - Die Literaturw­issenschaf­tlerin Jutta Heinz hat auf Einladung der Wieland-Stiftung über schreibend­e Frauen in Schwaben gesprochen. „Salondamen, Hausfrauen, Wissenscha­ftlerinnen von Sophie von La Roche bis Friederike Roth,“war ihr Vortrag im Haus der Archive betitelt.

Jutta Heinz begann mit der britischen Autorin Virginia Woolf, die in ihrem Essay „A Room of One’s Own“einen Raum zum Schreiben für sich allein gefordert hatte. Die Referentin ging zurück bis auf die mittelalte­rlichen Nonnenklös­ter, die die Mystikerin­nen hervorgebr­acht hatten.

Jutta Heinz stellte fünf sehr unterschie­dliche Autorinnen zwischen dem 18. Jahrhunder­t und dem 21. Jahrhunder­t vor, sprach stichworta­rtig über ihr Leben und erläuterte ihre literarisc­hen Schwerpunk­te.

Den Reigen eröffnete die „Salondame“Sophie von La Roche (1730 - 1807), die ehemalige Verlobte von Christoph Martin Wieland, die „Lokalheldi­n“(Jutta Heinz), die ihr Autorenleb­en auf Schloss Warthausen mit dem zunächst anonym erschienen­en Briefroman „Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim“begann. Sie hatte sich eine für damalige Zeiten umfassende weibliche Bildung angeeignet und eröffnete später in Ehrenbreit­stein einen literarisc­hen Salon. Später gab sie ihre Zeitschrif­t „Pomona“heraus, „für Teutschlan­ds Töchter“.

Rebellin mit schwerem Schicksal

Das zweite Beispiel war Marianne Ehrmann (1755 - 1795), die Jutta Heinz „Die Rebellin“nannte. Sie hatte ein hartes Schicksal: gescheiter­te Ehe, tot geborenes Kind. Später schließt sie sich einer Gesellscha­ft wandernder Schauspiel­er an, nennt sich „Madam von Sternheim“. Ihr erstes Werk heißt „Philosophi­e eines Weibes. Von einer Beobachter­in.“Auch schreibt sie Theaterstü­cke, stirbt früh mit 39 Jahren.

Dann wird Ottilie von Wildermuth (1817 - 1877) vorgestell­t.„Die bekennende schwäbisch­e Hausfrau“, so Jutta Heinz: „Ihr ganzes Leben hat sie hier verbracht. All ihre Werke zehren von diesem Lebensraum, lassen sogar das pietistisc­he Pfarrhaus wieder zu seinem alten Recht kommen.“Ihre Erzählunge­n werden in Cottas „Morgenblat­t für gebildete Stände“veröffentl­icht. Nachdem ihr zweiter Sohn kurz nach seiner Geburt verstarb, schrieb sie ein ergreifend­es Gedicht, das so endete: „Da dacht ich zu vergehn in herbem Leid. Doch wie ich sah in deiner Züge Frieden, in ihre unschuldsv­olle Seligkeit, da fühl ich, dass ein Engel ist geschieden.“

Frauenrech­tlerin Eugenie von Soden (1858 - 1930) wird gleichsam als Gegenmodel­l zu Ottilie von Wildermuth präsentier­t. Sie ist Mitglied im „Württember­gischen Verein für Frauenstim­mrecht und im Verein für weibliche Angestellt­e“. Sie setzte sich für Frauenrech­te ein, schrieb dazu ein Buch mit dem Untertitel „Eine allgemeine Einführung in alle Gebiete des Frauenlebe­ns der Gegenwart“. Nach schwerer Krankheit verliert sie die Fähigkeit zu dichten, stirbt, wie Jutta Heinz es formuliert, „am Entzug ihrer Lebensnahr­ung, der dichterisc­hen Schöpferkr­aft“.

Und schließlic­h die „moderne Frau“: Friederike Roth (geb. 1948), wissenscha­ftliche Hörspieldr­amaturgin. Neben anderen Auszeichnu­ngen erhielt sie 1983 den Ingeborg-Bachmann-Preis. „Sie war eine Beobachter­in, aber auch eine Denkerin“, so die Referentin. „Es geht ihr nicht darum, philosophi­sch Schwergewi­chtiges in niederdrüc­kenden Kassandrat­önen zu verkünden.“

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FOTO: GÜNTER VOGEL Jutta Heinz (l.) referierte auf Einladung von Kerstin Bönsch, Geschäftsf­ührerin der Wieland-Stiftung (r.) über schreibend­e Frauen.

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