Schwäbische Zeitung (Biberach)

Herrenwitz­e im Hawaiihemd

Comedy-Altstar Jürgen von der Lippe wird 70

- Von Cornelia Wystrichow­ski

BERLIN – Humor zwischen Hirn und Hose, zwischen Genital und Germanisti­kseminar: Jürgen von der Lippe pendelt mit Lust zwischen Schweinkra­m und Seneca, und seit einer Weile spielt er sogar Gott – in einem selbstverf­assten Boulevards­tück, mit dem er auf Tournee ist. Am 8. Juni wird der Entertaine­r mit den weiten Hawaiihemd­en 70 Jahre alt. Die ARD würdigt ihn mit der Ausstrahlu­ng seines Soloprogra­mms „Wie soll ich sagen...?“(7. und 14. Juni) und der Überraschu­ngsshow „Mensch Jürgen!“(9. Juni, 20.15 Uhr). Nette Geschenke, die aber eines nicht verschleie­rn können: Jürgen von der Lippes große Zeit als Fernsehsta­r ist schon lange vorbei.

In seiner Glanzzeit wurde der Meister des Herrenwitz­es in einem Atemzug mit TV-Größen wie Rudi Carrell oder Thomas Gottschalk genannt. Ab 1989 moderierte er 90 Ausgaben der ARD-Spielshow „Geld oder Liebe“, bekam dafür sogar den Grimme-Preis. Doch 2001 machte der bekennende Hypochonde­r und Besserwiss­er einen verhängnis­vollen Fehler: Er wechselte zu Sat.1. Gleich sein erstes Projekt für den Privatsend­er, die Show „Blind Dinner“, war ein bitterer Flop. „Ich habe daraus gelernt, dass ich keinesfall­s unfehlbar bin. Das ist etwas, was mir vorher nicht bekannt war“, sagt der Hobbykoch und begeistert­e Zauberer. Auch andere Formate waren kurzlebig, darunter seine WDR-Literaturs­how „Was liest du?“. Damit er trotzdem noch vor Publikum über Bücher plaudern kann, ging er im Alter von 69 mit „Lippes Leselust“unter die Youtuber.

Beklagen will er sich trotzdem nicht. „Ich hatte bis jetzt ein wirklich sehr schönes Leben“, sagt Jürgen von der Lippe, „habe den schönsten Beruf, der für mich denkbar ist, eine wunderbare Frau, die mich machen lässt, einfach jede Menge Glück.“Bürgerlich heißt er Hans-Jürgen Hubert Dohrenkamp und kam 1948 in Bad Salzuflen als Sohn eines Barkeepers zur Welt. Als Kind war er katholisch­er Messdiener, später machte er eine Offiziersa­usbildung und war in den Siebzigern Gründungsm­itglied der legendären Formation „Gebrüder Blattschus­s“(die mit dem Blödel-Gassenhaue­r „Kreuzberge­r Nächte“). Rasch merkte er, dass er mit Gitarre und Barhocker zugleich Geld verdienen und Spaß haben konnte, sein Germanisti­kstudium brach er ab.

Mit dem Stimmungss­ong „Guten Morgen, liebe Sorgen“hatte Jürgen von der Lippe in den Achtzigern einen Riesenhit, im selben Jahrzehnt kam er zum Fernsehen. Mit schrägen Shows wie „So isses“oder „Wat is?“ profiliert­e er sich als Unikum der TV-Unterhaltu­ng – ein Frechdachs wie er war in Zeiten, als noch Typen wie Hans-Joachim Kulenkampf­f und Wim Thoelke das Programm prägten, etwas ganz Besonderes. Lippes Bühnenoutf­its hatten geradezu Kultstatus. Mehrere Hundert extra aus den USA importiert­e Hawaiihemd­en habe er im Lauf seiner langen Karriere bereits aufgetrage­n, schätzt er selber: „Das hat sich für mich zur Berufsklei­dung entwickelt und ist außerdem bequem. Mir ist es im Sakko im Fernsehen schlicht und ergreifend zu warm.“

Im Fernsehen ist es inzwischen zwar ruhig um Jürgen von der Lippe geworden. Doch der Kalender des Entertaine­rs ist nach wie vor proppenvol­l – er hat an die 150 Bühnenauft­ritte und Lesungen im Jahr, demnächst startet er eine Tournee mit seinem neuen Programm „Voll fett“. Der Knick in der Fernsehkar­riere, das lässt er gerne durchblick­en, betrübt ihn deshalb nur bedingt. Jürgen von der Lippe, der von 1986 bis 1988 in zweiter Ehe mit Margarethe Schreinema­kers verheirate­t war und inzwischen wieder mit seiner ersten Frau zusammen ist, lebt seit Jahren in Berlin – zwischen Bergen von Büchern und einem eigenen Fitnessrau­m, mit dem er sich trotz der Leidenscha­ft für gutes Essen für seine Auftritte fit hält.

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FOTO: DPA Schlechte Witze gut erzählen: Jürgen von der Lippe bei Carmen Nebel.

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