Schwäbische Zeitung (Biberach)
Herr, wo wohnst Du?
Zwei Jünger des Täufers Johannes folgen neugierig Jesus. Er wendet sich um und fragt sie: „Was wollt ihr?“(Joh 1, 35 ff). Sie antworten: „Meister, wo wohnst du?“Jesus lädt sie ein und sie verbrachten den ganzen Tag mit ihm.
Wir wissen nicht was sie miteinander gesprochen haben, was sie erlebt und unternommen haben, doch am Ende jenes Tages waren sie fest überzeugt: „Wir haben den Messias gefunden“– so berichteten sie es dem Simon Petrus. Offensichtlich hatte das Bei-Jesus-Sein in ihnen einen so starken Eindruck hinterlassen, ja, mehr noch, sie selbst verwandelt in Menschen der Überzeugung für Jesus und seine Botschaft. Immer wieder war Jesus zu Gast bei Menschen, Sündern, gesellschaftlich Stigmatisierten, Menschen an den Rändern und immer wieder geschah dieses Wunder der Verwandlung durch die Begegnung mit Jesus. Den „ach so äußerlich frommen“Gesetzeslehrern und Pharisäern war das immer ein Dorn im Auge, doch Jesus entgegnet ihnen wiederholt: „Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat“(Mk 2,27) – „Das Gesetz ist für den Menschen da, nicht der Mensch für das Gesetz“. Gesetze und Normen brauchen wir, auch in der Kirche, aber Jesus stellt unmissverständlich den erlösungsbedürftigen Menschen in den Mittelpunkt, nicht die Applikation von Gesetzen.
In diesem Zusammenhang sollten wir auch einen Gedanken an die derzeitige Diskussion über den Kommunionempfang evangelischer Partner in konfessionsverbindenden Ehen verschwenden. Können Menschen (egal welchen Standes) sich anmaßen, Jesus vorgeben zu wollen, wen er in seine Wohnung nehmen darf? Hier wäre es angebrachter nicht mit Überängstlichkeit etwas preiszugeben zu reagieren, sondern mit dem entschiedenen Blick auf die gemeinsame biblische Botschaft, mit dem Blick auf Jesus selbst. „Kommt und seht!“ist die Einladung Jesu, nicht „ich werde erst einmal prüfen lassen, ob ihr würdig seid, bei mir zu sein“.
Wohnt nicht Gott in jedem Menschen, ob er sich dessen bewusst ist oder nicht, oder sich sogar dagegen sträubt? Die Botschaft von der Menschwerdung Gottes ist hier eindeutig. Und er will immer neu in uns Wohnung nehmen, um uns zu stärken, zu inspirieren mit seinem Geist und und um uns hinzuführen zur Freiheit der Kinder Gottes.
Jesus begegnet uns auf vielfältige Weise, diese Erfahrung haben die Jünger nach der Auferstehung immer wieder gemacht: an unterschiedlichen Orten, in unterschiedlichen Erscheinungsweisen. Aber alle kommen schließlich darüber überein: „Es ist der Herr“(Joh 21,7).
Jesus lädt uns ein, bei ihm zu sein, bei ihm zu verweilen und das Bei-Jesus-Sein hat verwandelnde Kraft. Mut zur Wandlung!