Schwäbische Zeitung (Biberach)
Straße verwandelt sich in Dinnertafel
Musik, Essen und Geselligkeit erfreut Besucher der Schussenrieder Einkaufsnacht
BAD SCHUSSENRIED - Wenn der Gewerbeund Handelsverein Bad Schussenried zur Dinnertafel und Einkaufsnacht einlädt, dann verbreitet sich in der oberschwäbischen Stadt ein mediterranes Flair. Die Veranstalter umschreiben das Fest als „Musiknacht“und „Kulinarische Reise von Nord nach Süd“– und an jeder der 14 Stationen wartet etwas Besonderes auf die Besucher.
Ohne Autos ist die WilhelmSchussen-Straße ein Erlebnis. Jetzt hört der Besucher nicht mehr die Abrollgeräusche der Autoreifen auf dem Kopfsteinpflaster, sondern ganz viel Musik und Gläserklingen. 550 Meter lang ist die rot-weiß geschmückte Dinnertafel und die Geschäfte haben länger auf als gewöhnlich. Schauen und Shoppen sind dabei bei manchen eher zweitrangig. „Einkaufen kann ich sonst auch, heute wollen wir nur Spaß haben“, sagt eine Besucherin. Bringt Einkaufen keinen Spaß? Die meisten geben zu, dass es ihnen normalerweise an der Hauptstraße zu laut und zu hektisch sei. „Aber jetzt, jetzt isch des halt a Sach“, lobt Erika Wieland und dieses schöne Schwäbisch vermischt sich mit dem Sprachkauderwelsch der internationalen Vereinigung der lebenswerten Städte „Citta Slow“. Was das heißt? Kaum jemand kann es übersetzen, viele hören es zum ersten Mal. Bei der „Citta Slow“sollen neben einer Entschleunigung regionaltypische Produkte, Geschmack und Qualität im Mittelpunkt stehen und eine Bewusstseinsbildung für Kultur und Tradition stattfinden.
Bank serviert Strafzins
Zur Tradition darf sie gerne werden, diese Dinnertafel. Dass sich Otto Frey mit seinem Hohnerinstrument und dem Lied „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins ...“im Breitengrad geirrt hat, macht überhaupt nichts aus. Die Musik der zehn Livebands vermischt sich beim Flanieren im Ohr, ebenso wie die Gerüche in der Nase. Breite Vielfalt ist gefragt. Witz zeigt sich, wenn eine Bank Drinks mit dem Namen Strafzins, Haftpflicht oder Bonus ausschenkt. So wie sich Mundharmonika und Kontrabass, rauchiger Blues und Rock mischen, so harmonieren Quiche Lorraine und Räucherlachs, Parmaschinken und die Rinderhüfte mit Mango-AnanasChutney.
Bescheiden schleicht sich ein Flädle mit auf die kulinarische Liste und gibt sich mit Spargel und Filetstück eine vornehme Note. Eine Urlauberfamilie aus Hessen hat diese auf dem Teller liegen und bestätigt, bei ihnen würde das auch Flädle heißen. Bernhard Zeintl spricht bayrisch, ist zur Reha in Bad Schussenried und lobt seinen Burger und die Bands. Auch die Weinfest-erprobten Damen des Pfälzer Musikvereins Cäcilia finden die Tafelidee super. Heidrun und Gottfried Gruber kommen aus Aulendorf herüber, weil sie „Straßenfestle“gemütlich finden. Dank des gnädigen Wettergotts passt auch das „Nights in White Satin“– und die Mitglieder des Gewerbe- und Handelsvereins dürfen zufrieden ins Bett sinken, weil sie so viele Menschen in der „Citta Slow“entschleunigt haben.