Schwäbische Zeitung (Biberach)
63-Jähriger muss lebenslang in Haft
Angeklagter wegen Mordes an einer Riedlinger Seniorin verurteilt
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RAVENSBURG/RIEDLINGEN Ein 63-jähriger Mann ist am Dienstag vom Landgericht Ravensburg wegen Mordes an einer 80-jährigen Frau in Riedlingen zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Der Mann hatte die Frau vor knapp einem Jahr schwerst misshandelt und gequält, die Seniorin ist an den Folgen der Misshandlungen gestorben. Das Gericht folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die auf Mord plädiert hatte.
In der Verhandlung über mehrere Prozesstage wurden etliche Zeugen, Gutachter sowie Angehörige und Polizeibeamte gehört. Danach sah es das Gericht unter dem Vorsitzenden Stefan Maier als zweifelsfrei erwiesen an, dass die Frau rund einen Monat nach der Tat in der Universitätsklinik Ulm an den Folgen der schweren Misshandlungen gestorben ist.
Der Mann habe in „zumindest bedingter“Tötungsabsicht gehandelt, da es ihm egal gewesen sei, dass die körperlich unterlegene hochbetagte Frau an den massiven Schlägen sterben könnte. Allein schon anhand der Verletzungen wurde deutlich, was für ein Martyrium die Frau erlebt haben müsse, sagte Maier. Wie berichtet, hat der 63-Jährige am 24. Juni 2017 die Vermieterin seiner Freundin im Flur abgepasst und über eine Stunde mit massiven Tritten in den Bauch und Schlägen ins Gesicht gequält. Zudem hat er sie mehrfach gewürgt.
Der Richter sprach in seiner Urteilsbegründung von einem „ungewöhnlichen Tötungsdelikt, das in seiner Intensität weit über das hinausrage, was üblicherweise am Landgericht verhandelt wird“. In seiner Begründung beschrieb er das Opfer als eine rüstige 80-jährige Frau, die bis zum 23. Juni 2017 mitten im Leben stand, ihren Haushalt komplett allein führte, von Kindern und Freunden als lebenslustig und fit beschrieben wurde, täglich mit dem Hund spazieren ging, begeistert Auto fuhr und gerne mit ihren 17 Enkeln oder dem Urenkel unterwegs war. Einen Tag später wurde sie als Notfall mit schwersten Verletzungen in die Klinik eingewiesen und verstarb dort nach rund einem Monat.
Zahlreiche Untersuchungen
Die drei Richter der Schwurgerichtskammer haben es sich bei der Beweisführung nicht leicht gemacht: Es stellte sich lange die Frage, ob die Seniorin an einer älteren Grunderkrankung verstorben sein könnte. Nach zahlreichen Untersuchungen durch Ge- richtsmediziner, Blutspuren am Tatort und den einstimmigen Aussagen aller Zeugen konnte erst im Verlauf des Verfahrens der exakte Tathergang inklusive Intensität und Dauer der Misshandlung entschlüsselt und die Kausalität zum späteren Tod zweifelsfrei festgestellt werden.
Dennoch präsentierte der Angeklagte immer wieder neue Geschichten, die erneut auf den Wahrheitsgehalt hin untersucht werden mussten. Der 63-Jährige verneint bis zum Prozessende, die Frau geschlagen oder misshandelt zu haben. Stattdessen erzählte er mehrfach, dass er sie hilflos im Treppenhaus gefunden habe und ihr helfen wollte. Auch, dass er mit der Frau befreundet gewesen sei, und dass die Kratzspuren in seinem Ge- sicht sowie die Blutspuren an seiner Kleidung und den Wänden daher kommen würden, weil er sich beim Rasieren geschnitten habe oder heißes Fett ins Gesicht gespritzt sei.
Erleichterung bei Angehörigen
Bis zum letzten Tag im Gerichtssaal wirkte er fast teilnahmslos, hatte immer ein Rätselheft dabei und zeigte weder Reue noch entschuldigte er sich bei den Angehörigen des Opfers, die bei jeder Verhandlung dabei waren. Da er bei Gericht als gewalttätig bekannt ist und bei der ersten Verhandlung fliehen wollte, musste er bei jeder weiteren Verhandlung Fußfesseln tragen. Zudem waren immer zwei oder drei bewaffnete Beamte wachsam in seiner Nähe stationiert.
Durch das Gutachten des Psychiaters Tobias Hölz vom ZfP Weissenau wurde deutlich, dass der Mann so herzlos und unbeteiligt ist, wie er im Gerichtssaal auftrat. Er habe nach Ansicht von Hölz eine dissoziale Persönlichkeitsstörung, die dadurch gekennzeichnet sei, dass er kein Mitgefühl oder Empathie für andere Menschen empfinde, Lügen an der Tagesordnung seien und er absolut kein Schuldbewusstsein habe. Bei kleinsten Problemen werde ein solcher Mensch schnell reizbar, aggressiv und er verachte andere Menschen, vor allem Frauen. Gleichzeitig könne er die Gefühle anderer für eigene Zwecke nutzen, wirke manchmal sogar charmant und eloquent. Er habe querulatorische, psychopathische Züge und sehe die Schuld immer bei anderen.
Die Angehörigen zeigten sich sichtlich erleichtert, als der Vorsitzende Richter das Urteil gesprochen hatte. Die Tochter des Opfers und ihr Bruder waren als Nebenkläger bei allen Verhandlungstagen dabei und beschrieben ihre Angst angesichts der vom Psychiater dargestellten Persönlichkeitsstruktur als sehr konkret: Der Mann könnte nach Absitzen einer Haftstrafe sie oder ihre Kinder ausfindig machen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Angeklagte hat bereits angekündigt, dass er gegen das Urteil Revision beim Bundesgerichtshof einlegen will. Dazu hat er jetzt eine Woche Zeit und danach muss die Revision schriftlich begründet werden.