Schwäbische Zeitung (Biberach)
Zuschlag für Nato-Kommando fast sicher
Hauptquartier für schnelle Truppen- und Materialtransporte in Ulm geplant
ULM - Die Nato wird ihr neues Kommando, das Logistik, Nachschub, Transport von Material und Waffen, Truppenverlegungen und den Schutz Alliierter Streitkräfte in Europa planen und koordinieren soll, in Ulm beim Multinationalen Kommando Operative Führung ansiedeln.
Der formelle Beschluss soll diese Woche bei der Frühjahrstagung der Verteidigungsminister in Brüssel gefasst werden. Doch die Entscheidung sei gefallen, nun gehe es um Details: „Das deutsche Angebot, das Kommando in Ulm aufzubauen, wird angenommen“, hieß es übereinstimmend aus Nato-Kreisen und auch aus dem Bundesverteidigungsministerium. Deutschland hatte das Angebot im Februar unterbreitet, damals waren noch Bonn oder Ulm als mögliche Standorte genannt worden.
In der Ulmer Wilhelmsburg-Kaserne wird die Entwicklung positiv gesehen: „Wir würden uns sehr freuen, wenn Ulm den Zuschlag für das neue Kommando bekommen würde“, formulierte Oberstleutnant Hagen Messer, Pressesprecher des Ulmer Kommandos, diplomatisch zurückhaltend. Nach dem bestandenen „Nato-TÜV“sei der mögliche Zuschlag ein Beweis für das Vertrauen der Nato ins Ulmer Kommando. Im Joint Warfare Centre (JWC) der Nato in Stavanger hatte das Multinationale Kommando im Mai bei der Übung „Trident Jaguar“bewiesen, dass es Einsätze von bis zu 60 000 Soldaten von Land-, See- und Luftstreitkräften sowie von Armeen mehrerer Länder in Krisengebieten rasch organisieren und stabsmäßig führen kann.
Das letzte Wort zum neuen Kommando liege bei den Ministern und dann bei den Staats- und Regierungschefs, die im Juli zum zweitägigen Nato-Gipfel zusammenkommen, betonten sowohl Messer als auch ein NatoSprecher im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
Derweil hat der Befehlshaber des Ulmer Kommandos, Generalleutnant Jürgen Knappe, bereits Pläne, wie der Beschluss der Regierungen umzusetzen sein könnte: „Sollte die Entscheidung für dieses neue Kommando auf Ulm zukommen, dann werden wir dagegenlegen, was wir an Infrastruktur haben und welche Aufgaben auf uns zukommen.“
General ist optimistisch
Viele Fragen sind noch offen: Aus wie vielen Soldaten das Logistik- und Nachschubkommando insgesamt bestehen wird, ist derzeit nicht abschließend entschieden. Knappe: „Daraus wird sich möglicherweise für die eine oder andere Ergänzung ein Nachbesserungs- oder Nachsteuerungsbedarf ableiten.“Aber mit Blick auf die großen Baumaßnahmen sei er „äußerst optimistisch gestimmt“. In der Wilhelmsburg-Kaserne investiert die Bundeswehr derzeit erheblich, insgesamt wird mit mehr als 60 Millionen Euro gerechnet.
Weiter steht nicht fest, ob das neue Kommando als eigenständige Dienststelle neben dem bestehenden Ulmer Kommando oder als Abteilung inner- halb des Kommandos aufgestellt wird. Möglich ist auch, dass sich Auftrag und Charakter des Ulmer Kommandos, das auf die Führung von Auslandseinsätzen ausgelegt ist, ändern.
Im Ulmer Kommando sind neben der Planung des künftigen Transportund Logistikstabs zwei weitere Aufgaben zu bewältigen: Ab Juli steht das Kommando der Nato in einer einjährigen Phase ständiger Bereitschaft als „operatives Hauptquartier“zur Verfügung. In dieser Zeit können die Ulmer jederzeit kurzfristig mit der Führung von Nato-Militäreinsätzen in Krisenregionen mit bis zu 60 000 Soldaten beauftragt werden. Weiter hat das Ulmer Kommando einen EU-Auftrag.
Kein schweres Gerät für Ulm
Dem in der Ulmer Wilhelmsburg-Kaserne stationierten Kommando gehören Stabsoffiziere aus 17 Ländern sowie mehrere Hundert Soldaten an. Generalleutnant Knappe erklärt: „Jetzt müssen wir die verschiedenen Aufgaben nebeneinanderlegen und ich werde dann bewerten und meine Entscheidung geben, wie wir dieses zeitlich abarbeiten werden.“
Fest steht, dass die Nato ausschließlich Fachleute, also Stabssoldaten, nach Ulm entsenden wird. Befürchtungen, Logistik- und Nachschubbataillone mit Lkw und schwerem Gerät könnten in Ulm stationiert werden, trat ein Nato-Sprecher entgegen. Das neue Kommando müsse vor allem in Osteuropa Brücken, Straßen, Flughäfen, Wasserstraßen und Häfen prüfen, heißt es in Nato-Kreisen. In Deutschland kenne man die Verhältnisse, in Osteuropa nicht. Konkret gehe es um praktische Fragen. Einige Beispiele: „Wir müssen wissen, wo es Nachschub geben könnte, in welchem Zustand sich die Infrastruktur befindet, wer und wo Ansprechpartner ist.“In den vergangenen Jahrzehnten seien Bahnen, Flughäfen oder Häfen privatisiert worden.
Praktische Fragen in Osteuropa
Auch sei es wichtig zu wissen, welche geeigneten Verkehrswege es beispielsweise zwischen den Nachschubhäfen Antwerpen oder Bremerhaven und Osteuropa gebe. Es sei zu fragen: „Sind Autobahnen und Brücken eigentlich für schwere Panzer geeignet?“Sorgen bereiten neben dem Zustand von militärisch nutzbaren Straßen- und Schienenverbindungen in Richtung Osten vor allem bürokratische Hürden beim Transport von Truppen und Ausrüstung.
Den aktuellen Plänen zufolge soll bereits im Juli mit dem Aufbau begonnen werden. Bereits im Oktober 2019 könnte das Kommando dann seine Arbeit aufnehmen. Die volle Einsatzbereitschaft ist für 2021 vorgesehen.