Schwäbische Zeitung (Biberach)
Jahrgänger sollen sich zurückhalten
Der beliebte Umzug soll nicht zum Ballermann verkommen.
BIBERACH - Sichtlich angetrunkene Umzugsteilnehmer, die größere Mengen an Alkohol mit sich führen und spärliche oder unpassende Kleidung – alles Dinge, die die Schützendirektion und die Verantwortlichen der Jahrgängergruppen beim diesjährigen Jahrgängerumzug des Biberacher Schützenfests am 14. Juli nicht mehr erleben möchten. Nach Beschwerden über derartige Missstände in den vergangenen Jahren üben beide Seiten nun den Schulterschluss und appellieren an die Teilnehmer.
„Ich habe mir den Jahrgängerumzug im vorigen Jahr angesehen und teilweise war es zum Fremdschämen“, sagt Ina Billwiller. Zusammen mit Martina Schmalzing bildet sie in diesem Jahr das Organisationsteam des Jahrgangs 1978, also aller, die dieses Jahr ihren 40. Geburtstag feiern und folglich das erste Mal am Jahrgängerumzug teilnehmen dürfen.
Vor allem bei den 40er- und 50erJahrgängern seien ihnen immer wieder negative Dinge aufgefallen. „Da waren Leute dabei, die sichtlich so betrunken waren, dass sie nicht mehr richtig gehen und reden konnten. Andere hatten Bierfässer und Bierkisten dabei oder auch Trichter, aus denen getrunken wurde“, sagt Billwiller. Sie habe nichts gegen Alkohol am Schützenfest, „aber man sollte wissen, was wann angemessen ist und was nicht. Im Jahrgängerumzug braucht es keine Kiste Bier“.
„Nur noch als große Partymeile“
Sie beobachte diese Entwicklung schon seit einigen Jahren kritisch, sagt auch Angelika Schuck, Jahrgang 1958 und dieses Jahr im Orgateam der 60er. „Immer mehr sind alkoholisiert und sehen den Jahrgängerumzug nur noch als große Partymeile, um sich selbst zu inszenieren“, sagt sie. Zum Umzug gehöre für sie auch eine angemessene Kleidung. „Wenn ich sehe, dass manche in alten Jeans, halbnackt, mit FlipFlops oder barfuß unterwegs sind, dann hat das für mich nichts mehr mit Heimatverbundenheit, Jahrgängertradition und der Ehre zu tun, die wir früher empfunden haben, bei dem Umzug dabei sein zu dürfen“, sagt Angelika Schuck.
Eine Ehre, die Bruno Albinger, Jahrgang 1943 und im Orgateam der 75er, noch immer empfindet. „Wir sind als 40er und 50er mit Anzug und Krawatte mitgelaufen“, erzählt er. Viele seiner Jahrgänger werden es auch 2018 so halten. Für Partyexzesse im Umzug wie am Ballermann hat er kein Verständnis: „Das darf so nicht sein. Da schäme ich mich für Biberach.“
Die Verantwortlichen der diesjährigen Jahrgänger haben deshalb den Schulterschluss mit der Schützendirektion gesucht. „Wir haben einfach keine Lust darauf, dass am Ende die Kritik auf uns alle zurückfällt, nur weil ein paar aus dem Rahmen fallen“, sagt Martina Schmalzing.
Bei der Schützendirektion treffen die Jahrgänger auf offene Ohren. „Auch wir beobachten seit einigen Jahren, dass manche Umzugsteilnehmer dazu neigen, sich in einer Weise zu präsentieren, wie es uns nicht gefällt“, sagt Guido Mebold vom Vorstand der Schützendirektion und jahrelang für den Jahrgängerumzug verantwortlich. Auch er nennt die Punkte Alkohol und Kleidung und weiß um die Beschwerden von anderen Umzugsteilnehmern und Zuschauern.
Gerne kreativ
Mebold stellt jedoch klar: „Wir wollen niemandem die Freude am Umzug vermiesen und es hat auch keiner etwas gegen eine kreative Verkleidung, im Gegenteil.“Übermäßiger Alkoholkonsum vor oder im Umzug zeuge aber nicht von Kreativität. „Ich muss mir als Teilnehmer im Umzug auch mal überlegen, wer mich dort alles sieht – unter Umständen auch mein Arbeitgeber“, so Mebold.
„Schick und adrett, gerne auch pfiffig und kreativ“sollen sich die Jahrgänger präsentieren, sagt Ralf Rothenbacher, der zusammen mit Matthias Herzog in der Schützendirektion für den Jahrgängerumzug zuständig ist. „Ein Bierfass auf dem Rücken und einen Trichter im Mund verstehen wir darunter nicht.“Die Schützendirektion könne und wolle niemanden vom Umzug ausschließen.
Er appelliere vielmehr an die Vernunft der Teilnehmer, sagt Rothenbacher, und er gibt zum Schluss noch eines zu bedenken: „Es gibt viele ältere Menschen in der Stadt, die sonst nicht im Mittelpunkt stehen. Sie freuen sich zum Teil jahrelang darauf, beim Jahrgängerumzug über den Marktplatz zu gehen, und ein Mal bejubelt und beklatscht zu werden.“Das sei vergleichbar mit der Freude von Kindern an Heiligabend, so Rothenbacher. „Ich bin immer wieder erstaunt, welche Kräfte gerade die ganz Alten mobilisieren, um das zu erleben. Wir sollten diesen alten Menschen diese Freude nicht dadurch zerstören, dass einige sich auf falsch verstandene Weise selbst inszenieren.“Der Jahrgängerumzug solle ein gutes, fröhliches Miteinander sein, sagt Guido Mebold.
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