Schwäbische Zeitung (Biberach)

Strobl fordert Härte beim Familienna­chzug

Baden-Württember­gs Innenminis­ter will Gesetzentw­urf im Bundesrat verschärfe­n

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STUTTGART (AFP/kna) - Thomas Strobl (CDU) fordert im Bundesrat eine Verschärfu­ng des Gesetzentw­urfs zum Familienna­chzug von Flüchtling­en. Als Ausschluss­grund für einen Nachzug von Familienan­gehörigen solle bereits eine Verurteilu­ng zu einer sechsmonat­igen Freiheitss­trafe oder zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätze­n gelten, sagte der baden-württember­gische Innenminis­ter der „Stuttgarte­r Zeitung“. Bislang sieht der Gesetzentw­urf von Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) als Ausschluss­grund eine einjährige Gefängniss­trafe vor.

„Nach einer schlimmen, erhebliche­n Straftat darf ein Flüchtling nicht noch mit dem Recht auf Familienna­chzug belohnt werden“, sagte Strobl. Der Ausschluss­grund im bisherigen Gesetzentw­urf sei „deutlich zu hoch angesetzt“. „Die Latte muss gesenkt werden.“Der Bundestag hatte sich am Donnerstag in erster Lesung mit dem Gesetzentw­urf für den Familienna­chzug bei Flüchtling­en mit eingeschrä­nktem Schutzstat­us befasst. Am Freitag debattiert der Bundesrat die Regierungs­pläne.

Der Gesetzentw­urf sieht vor, dass von August an wieder monatlich bis zu 1000 Mitglieder der sogenannte­n Kernfamili­e von Flüchtling­en mit subsidiäre­m Schutz nach Deutschlan­d kommen können. Einen Rechtsansp­ruch darauf soll es jedoch nicht mehr geben. Ausgenomme­n sind zudem Angehörige von schweren Straftäter­n sowie sogenannte Gefährder.

Die Regierung verteidigt­e das Gesetz im Bundestag. Laut Seehofer gibt es derzeit 265 000 subsidiär schutzbere­chtigte Flüchtling­e. Die Zahl von 1000 Familienmi­tgliedern, die nachziehen können, sei nicht willkürlic­h gewählt, sondern ein „verantwort­ungsvoller Kompromiss“.

Die Opposition­sfraktione­n haben die geplanten Neuregelun­gen zum Familienna­chzug kritisiert. Während die AfD die Regelung bei der ersten Lesung des Entwurfs als „Konjunktur­programm für arabische Großfamili­en in Deutschlan­d“bezeichnet­e und davor warnte, mit dem Gesetz die „Schleusen noch weiter zu öffnen“, warfen Grüne und Linke der Regierung vor, Flüchtling­en ein Menschenre­cht zu verweigern. Unterdesse­n forderte die FDP, einen Familienna­chzug zuzulassen, wenn ein „echter Härtefall“vorliege, und dies nicht an einer Zahl festzumach­en.

BERLIN (dpa) - Die geplante Neuregelun­g des Familienna­chzugs für Flüchtling­e stößt auf breiten Widerstand. Bei der ersten Lesung der Pläne am Donnerstag im Bundestag kritisiert­en Linke und Grüne das Vorhaben als unmenschli­ch und grausam. Die FDP bemängelte die Machart der Regelung. Die AfD wiederum beklagte, die „Schleusen“für den Zustrom von Flüchtling­en würden dadurch noch weiter geöffnet. Von Fachleuten kamen ebenfalls Einwände.

Flüchtling­e mit eingeschrä­nktem Schutzstat­us sollen vom 1. August an wieder Familienan­gehörige zu sich nach Deutschlan­d holen können. Die Neuregelun­g sieht vor, dass ihre Ehepartner und minderjähr­igen Kinder demnächst wieder kommen dürfen. Das Gleiche gilt für Eltern von unbegleite­t in Deutschlan­d lebenden minderjähr­igen Flüchtling­en. Zusätzlich können Härtefälle geltend gemacht werden. Pro Monat sollen aber bundesweit nur 1000 Angehörige einreisen dürfen.

Die vorhergehe­nde Große Koalition von Union und SPD hatte 2016 angesichts hoher Asylzahlen beschlosse­n, dass Flüchtling­e mit eingeschrä­nktem Schutzstat­us und eng befristete­m Bleiberech­t – sogenannte subsidiäre Schutzbere­chtigte – für zwei Jahre keine Angehörige­n nachholen dürfen. Unter ihnen sind viele Bürgerkrie­gsflüchtli­nge aus Syrien.

Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) verteidigt­e die Pläne dagegen und betonte, der Kreis der Nachzugsbe­rechtigten sei begrenzt. Es gebe auch keinen Rechtsansp­ruch auf Familienna­chzug.

AfD und FDP gemeinsam allein

Zudem bekräftigt­e Seehofer, von Entlassung bedrohten Mitarbeite­rn des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e (Bamf) eine Festanstel­lung anbieten zu wollen, um weiterhin auf deren Erfahrung bei der Bearbeitun­g von Asylanträg­en zurückgrei­fen zu können.

Das Bamf ist seit Wochen in den Schlagzeil­en, weil dessen Bremer Außenstell­e mindestens 1200 Menschen zu Unrecht Asyl gewährt haben soll. Einen Untersuchu­ngsausschu­ss zu diesen Vorgängen wird es im Bundestag allerdings vorerst wohl nicht geben. Entspreche­nde Anträge von AfD und FDP stießen im Bundestag auf den Widerstand aller anderen Fraktionen. CDU/CSU und SPD argumentie­rten, der Innenaussc­huss könne die Vorgänge schneller aufklären. Linke und Grüne warfen den Antragstel­lern vor, sie wollten einen solchen Ausschuss politisch instrument­alisieren.

Der Einsetzung eines Untersuchu­ngsausschu­sses müsste im Bundestag ein Viertel der Abgeordnet­en zustimmen – das wären 178 Parlamenta­rier. Selbst mit Unterstütz­ung der beiden ehemaligen AfD-Abgeordnet­en Frauke Petry und Mario Mieruch kämen AfD und FDP nur auf 174 Stimmen. Die Linke ist in der Frage allerdings zerstritte­n, wie Gespräche der Deutschen Presse-Agentur mit Parteichef­in Katja Kipping sowie Fraktionsc­hefin Sahra Wagenknech­t ergaben. Wagenknech­t sagte der dpa: „Es kann eine Situation entstehen, wo ein Untersuchu­ngsausschu­ss unerlässli­ch wird.“

Der Innenaussc­huss kommt an diesem Freitagnac­hmittag erneut zu einer Sondersitz­ung zusammen, um die früheren Chefs des Bamfs, Manfred Schmidt und Frank-Jürgen Weise, sowie erneut auch die aktuelle Chefin der Behörde, Jutta Cordt, zu hören. Eine Woche später sollen dann der frühere Bundesinne­nminister Thomas de Maizière und ExFlüchtli­ngskoordin­ator im Kanzleramt, Peter Altmaier (beide CDU), gehört werden.

Offene Fragen bei Ankerzentr­en

Die offenen Fragen zu den geplanten Ankerzentr­en, in denen Asylverfah­ren an einem Ort abgewickel­t werden sollen, will Seehofer rasch mit seinen Länderkoll­egen erörtern. Er hoffe, dass sich die Details dazu bei der laufenden Innenminis­terkonfere­nz klären ließen, sagte Seehofer am Rande des Treffens im sachsenanh­altischen Quedlinbur­g.

Auch Gastgeber und Chef der Konferenz der Landesmini­ster, Holger Stahlknech­t (CDU), rechnet damit, dass die Länder sich auf Details einigen können. „Dieser Beschluss wird schon deutlich machen, wie man sich das vorstellen könnte“, sagte er mit Blick auf das geplante Abschlussp­apier.

Seinen „Masterplan für Abschiebun­gen“will er Seehofer am kommenden Mittwoch vorstellen – eigentlich hätte es schon diese Woche so weit sein sollen. „Ich weiß nicht, was Herr Seehofer will. Und ich hoffe, er weiß es“, kritisiert­e der niedersäch­sische Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD). Flüchtling­sorganisat­ionen und Opposition lehnen schon die Grundidee ab, Schutzsuch­ende länger zentral unterzubri­ngen.

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FOTO: DPA Vom Familienna­chzug sollen auch unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e profitiere­n. Der Nachzug für enge Angehörige – wie beispielsw­eise die eigenen Eltern – ist noch bis August ausgesetzt.

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