Schwäbische Zeitung (Biberach)
Vermisste Susanna ermordet
Tatverdächtiger Flüchtling setzt sich in den Irak ab
WIESBADEN (dpa) - Ein 20 Jahre alter irakischer Flüchtling soll die 14-jährige Susanna in Wiesbaden vergewaltigt und ermordet haben. Der Verdächtige ist nach Polizeiangaben auf der Flucht – nach Ali B. wird im Irak gefahndet. Zuvor hatte die Polizei einen weiteren festgenommenen Tatverdächtigen wieder freigelassen, weil kein dringender Tatverdacht mehr gegen den 35-jährigen Asylbewerber mit türkischer Staatsangehörigkeit bestehe. Zwei Wochen war nach Susanna gesucht worden. Ihre Leiche war dann in einem Erdloch in einem schwer zugänglichen Gelände bei Wiesbaden gefunden worden.
Der tatverdächtige Iraker ist wohl mit seiner Familie vor gut einer Woche von Düsseldorf über Istanbul ins irakische Erbil geflogen, berichtete die Wiesbadener Polizei. Auf den Flugtickets seien andere Namen angegeben gewesen als auf den am Flughafen vorgelegten Aufenthaltspapieren.
WIESBADEN - Freiburg, Kandel – und nun Wiesbaden? Der grausige Fall der von zwei Männern vergewaltigten und ermordeten 14 Jahre alten Susanna F. ist nicht nur ein erschütterndes Verbrechen. Er ist politisch hochbrisant. Durch die Tat dürfte die Debatte um kriminelle Flüchtlinge und den Umgang mit abgelehnten Asylbewerbern neue Nahrung bekommen. Denn unter dringendem Verdacht steht ein 20-jähriger Flüchtling aus dem Irak – der sich ins Ausland abgesetzt hat.
Der 20 Jahre alte Ali B. konnte nach dem Verbrechen ungehindert das Flugzeug Richtung der irakischen Heimat besteigen. Er sei vermutlich am vergangenen Donnerstag mitsamt Familie überhastet abgereist, berichtete der Wiesbadener Polizeipräsident Stefan Müller. Die Familie, bestehend aus Vater, Mutter und sechs Kindern, habe zuletzt in einer Flüchtlingsunterkunft in Wiesbaden gelebt. Sie sei nach bisherigen Erkenntnissen von Düsseldorf aus nach Istanbul und von dort aus weiter ins irakische Erbil geflogen. Auf den Flugtickets seien andere Namen angegeben gewesen als auf den ebenfalls am Flughafen vorgelegten Aufenthaltspapieren für Deutschland, sagte Müller. Die Gruppe habe aber auch sogenannte Laissez-passer-Dokumente – eine Art Passierschein – in arabischer Sprache mit Passbildern dabeigehabt, die von der irakischen Botschaft ausgestellt worden seien. Am Flughafen seien nach bisherigen Erkenntnissen zwar die Passfotos, aber nicht die Namen abgeglichen worden.
Ein weiterer Tatverdächtiger, ein türkischer Asylbewerber, wurde indes wieder freigelassen. Wie Oberstaatsanwalt Oliver Kuhn am Donnerstagabend in Frankfurt sagte, besteht nach neuesten Ermittlungserkenntnissen kein dringender Tatverdacht mehr gegen den 35-Jährigen, der am Mittwochabend festgenommen worden war. Er habe das Justizgebäude bereits wieder verlassen und könne sich frei bewegen.
Auf die Behörden kommen voraussichtlich unangenehme Fragen zu. Der 20-jährige Iraker war in diesem Jahr bereits mehrfach polizeilich aufgefallen. Neben Pöbeleien und Prügeleien soll sein Name auch im Zusammenhang mit der Vergewaltigung eines elfjährigen Mädchens aus der Flüchtlingsunterkunft gefallen sein, erklärte der Polizeipräsident. Die Hinweise hätten sich aber nicht erhärten können. Es habe daher keine Gründe für eine Inhaftierung gegeben. Susanna soll sich öfter in der Flüchtlingsunterkunft in Wiesbaden-Erbenheim aufgehalten haben und den Bruder des tatverdächtigen Irakers näher gekannt haben, sagte der Polizeipräsident. Der Asylantrag des 20-Jährigen war Ende 2016 abgelehnt worden. Da ein Rechtsanwalt dagegen eine Klage eingereicht habe, laufe das Verfahren noch.
Der entscheidende Hinweis kam von einem 13-jährigen Jungen, der ebenfalls in der Flüchtlingsunterkunft wohnte. Zwei Wochen war zuvor nach Susanna gesucht worden. Ihre Leiche war dann in einem Erdloch in einem schwer zugänglichen Gelände bei Wiesbaden gefunden worden. Die Schülerin wurde erwürgt oder erdrosselt. Es habe eine „Gewalteinwirkung“auf den Hals gegeben, erklärte der Leitende Oberstaatsanwalt Achim Toma. Die Ermittler gehen davon aus, dass das Mädchen ermordet wurde, um die Vergewaltigung zu vertuschen.
Susanna war am 22. Mai von ihrer Mutter als vermisst gemeldet worden. Sie war mit Freunden in der Wiesbadener Innenstadt unterwegs gewesen und abends nicht wie abgesprochen nach Hause zurückgekehrt.
Mitglied der Jüdischen Gemeinde
Der Zentralrat der Juden zeigte sich tief betroffen über das Verbrechen. „Susanna und ihre Mutter waren bzw. sind Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Mainz“, hieß es in einer Mitteilung. „Wir erwarten von den Strafverfolgungsbehörden eine rasche und umfassende Aufklärung sowie harte Konsequenzen für den oder die Täter. Alle voreiligen Schlüsse oder gar Ressentiments verbieten sich jedoch.“
Der Fall erinnert an den Mord in Freiburg, wo ein Flüchtling eine junge Frau vergewaltigt hatte und sie ertrinken ließ. Hussein K. wurde dafür im März zu lebenslanger Haft verurteilt. Auch im pfälzischen Kandel ist seit dem Tod der 15 Jahre alten Mia kurz nach Weihnachten nichts mehr so, wie es einmal war. Als dringend tatverdächtig gilt der Ex-Freund des Mädchens, ein Asylbewerber aus Afghanistan. Der Prozess beginnt diesen Monat. Seit der Tat kommt der Ort nicht zur Ruhe. Immer wieder demonstrieren Gruppen gegen die Flüchtlingspolitik und treffen dabei auf Gegendemonstrationen.