Schwäbische Zeitung (Biberach)
Bericht bestätigt Missbrauch in Kinderheimen
Ergebnisse zu Evangelischer Brüdergemeinde präsentiert – Erzieher fühlten sich als „Stellvertreter Gottes“
STUTTGART/WILHELMSDORF Prügel, sexuelle und physische Gewalt haben die Kinder in den Heimen der Evangelischen Brüdergemeinde Korntal in Korntal im Landkreis Ludwigsburg und in Wilhelmsdorf im Landkreis Ravensburg erfahren müssen. Das geht aus einem Aufklärungsbericht hervor, der am Donnerstag in Stuttgart bei einer Pressekonferenz vorgestellt worden ist. Der mehr als 400 Seiten starke Bericht befasst sich mit der Zeit zwischen den Jahren 1950 und 1990.
„Wir haben die traurige Gewissheit, was damals geschehen ist und wir müssen anerkennen, dass Kindern in unseren Einrichtungen schweres Unrecht angetan und Leid zugefügt worden ist“, sagte Klaus Andersen, der weltliche Vorsteher der Evangelischen Brüdergemeinde Korntal und bat alle Betroffenen um Entschuldigung. Bislang habe es bereits sogenannte Anerkennungsleistungen der Brüdergemeinde an die Opfer gegeben. Diese liegen zwischen 1000 und 20 000 Euro bei schwerwiegenden Fällen. Über die Zahlungen entschied eine Verteilungskommission.
Die beiden eingesetzten Aufklärer Brigitte Baums-Stammberger, ehemalige Richterin, und Benno Hafeneger, Erziehungswissenschaftler, erstellten den Bericht auf Grundlage von Interviews mit Opfern, ehemaligen Mitarbeitern und Archivarbeit. Zwar habe sich kein System der Gewalt bestätigt, aber Gewalt und Missbrauch seien systematisch möglich gewesen. Hafeneger spricht von einem Angstraum mit Gewaltkultur, in dem Kinder Objekte der Erziehung gewesen seien. Kinder hätten in den Archivtexten fast ausschließlich „negative Etikettierungen“gehabt. Die Erzieher hätten sich als Stellvertreter Gottes zum Austreiben des Bösen befugt gefühlt.
Die Mehrheit der Interviewten sei von sexualisierter Gewalt betroffen gewesen. Diese reichte von der verbalen Belästigung über ungewollte Berührungen bis hin zum Geschlechtsverkehr. Von den 81 beschriebenen Tätern hätten sich acht als Intensivtäter herausgestellt. Immer wieder sei in diesem Zusammenhang die Sprache von einem Hausmeister gewesen. Juristisch sind die Taten aber verjährt, wie die ehemalige Richterin Brigitte BaumsStammberger erklärte. Insgesamt habe sie 105 Betroffene interviewt.
Initiator Zander ist zufrieden
Der Aufklärungsbericht steht am Ende eines langwierigen Aufarbeitungsprozesses, der immer wieder von Rückschlägen und gegenseitigem Misstrauen geprägt war. Jetzt, so scheint es, sind Betroffene und Brüdergemeinde zufrieden mit dem Ergebnis. Das gilt auch für das ehemalige Heimkind Detlev Zander, das den Missbrauchsskandal 2014 mit seiner eigenen Geschichte öffentlich gemacht hat. Am Ende der Pressekonferenz sagte er: „Ich sehe das als mein Lebenswerk.“Endlich sehe man, dass die Betroffenen nicht gelogen hätten, sondern dass die Dinge wirklich geschehen seien, von denen sie über die Jahre gesprochen hätten.