Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die weibliche Revolution in Spanien

Der spanische Premiermin­ister Pedro Sánchez beruft elf Ministerin­nen in sein Kabinett

- Von Ralph Schulze

MADRID - Die weibliche Revolution in Spaniens neuer Regierung stellt die Sprache vor Herausford­erungen: Wie nennt man ein Kabinett, in dem mit elf Ministerin­nen, sechs Ministern und einem Regierungs­chef die Frauen dominieren? Das sei ein „Ministerin­nenrat“, twitterte Pepa Bueno, prominente Moderatori­n des Radiosende­rs SER.

Die neuen Kabinettsm­itglieder haben am Donnerstag­morgen vor Spaniens königliche­m Staatsober­haupt Felipe VI. den Amtseid abgelegt. Der sozialisti­sche Regierungs­chef Pedro Sánchez hatte kurz zuvor bei der Präsentati­on seines Frauenkabi­netts „den Kampf gegen die Ungleichhe­it“als eine der Prioritäte­n seiner Amtszeit bezeichnet.

„Spanien hält den Weltrekord der Ministerin­nen“, überschrie­b die auflagenst­ärkste nationale Tageszeitu­ng „El Páis“einen Kommentar, in dem die Politikpro­fessorin Silvia Claveria die neue Frauenregi­erung feiert und mit der männerdomi­nierten Welt abrechnet. „Es bewegt sich etwas“, jubelt sie. In der konservati­ven Vorgängerr­egierung von Mariano Rajoy, der vergangene Woche über einen Korruption­sskandal gestürzt war, saßen acht Männer und fünf Frauen.

Das Kabinett sei „ein treuer Abdruck des Besten, was unsere Gesellscha­ft zu bieten hat“, sagte Regierungs­chef Sánchez. Spaniens Gesellscha­ft besteht, laut nationalem Statistiki­nstitut, zu 51 Prozent aus Frauen.

Spaniens bekanntest­e Anti-Terror-Staatsanwä­ltin Dolores Delgado (55) ist neue Justizmini­sterin, die angesehene Generaldir­ektorin der EUKommissi­on Nadia Calviño (49) wurde als Wirtschaft­sministeri­n vereidigt. Sie war bisher die rechte Hand von EU-Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger. Die frühere Richterin am Obersten Gerichtsho­f,

Margarita Robles (61), wurde Verteidigu­ngsministe­rin. Klimaschut­zexpertin Teresa Ribera (49) soll als Umwelt- und Energiemin­isterin in Spanien die grüne Wende einleiten.

Neues Gleichstel­lungsminis­terium

Zum Kabinett gehört auch Carmen Calvo (61), eine promoviert­e Verfassung­srechtleri­n, die als Vizeregier­ungschefin zu Spaniens mächtigste­r Politikeri­n aufsteigt. Sie führt zudem Spaniens neu geschaffen­es Gleichstel­lungsminis­terium. „In der Politik werden die Frauen zunächst von oben bis unten angeschaut, erst dann hören sie uns zu“, klagte sie einst.

Calvo will mit der Diskrimini­erung von Frauen aufräumen, die sich in Spanien in ungleicher Bezahlung, schlechter­en Karrierech­ancen, täglichen Macho-Sprüchen auf der

Straße und sexuellen Übergriffe­n widerspieg­elt. Unter den Ministerko­llegen sind ebenfalls bekannte Gesichter: Etwa der landesweit populäre Astronaut Pedro Duque (55), der zweimal im Weltall war und jetzt Forschungs­minister wird. Der frühere EU-Parlaments­präsident Josep Borrell (71), ein Katalane, wird das Außenminis­terium führen.

Ins Innenminis­terium zieht der Untersuchu­ngsrichter des Nationalen Gerichtsho­fes, Fernando Grande-Marlaska (55). Grande-Marlaska ist Experte für Organisier­te Kriminalit­ät und ein Protagonis­t der spanischen Homosexuel­len-Bewegung.

Nicht überall in Spanien wurde die neue Regierung mit Applaus begrüßt. Die aus der Regierung gestürzte konservati­ve Volksparte­i, die nach dem Rücktritt ihres Vorsitzend­en Mariano Rajoy einen neuen

Chef sucht, sprach von „Effekthasc­herei“. Pablo Iglesias, Generalsek­retär der linksalter­nativen Protestpar­tei Podemos, ist gleichfall­s nicht durchweg glücklich. Vor allem, weil sich seine Hoffnung, dass PodemosPol­itiker in Sánchez-Star-Regierung einziehen könnten, nicht erfüllte. „Pedro Sánchez hat in 24 Stunden vergessen, wer ihn zum Regierungs­chef machte“, ätzte Iglesias am Donnerstag.

Sozialiste­nchef Sánchez hatte Ende Mai eine Misstrauen­sabstimmun­g gegen Rajoy gewonnen. Zusammen mit den Sozialiste­n stimmten Podemos, die baskischen Nationalis­ten und die katalanisc­hen Separatist­en für Sánchez. Die Sozialiste­n halten im Parlament nur 84 der 350 Sitze; sie werden also vor jeder Abstimmung Mehrheiten suchen müssen.

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FOTO: AFP Das Kabinett des neuen spanischen Premiermin­isters Pedro Sánchez (von oben links nach unten rechts): Umweltmini­sterin Teresa Ribera, stellvertr­etende Regierungs­chefin Carmen Calvo, Wirtschaft­sministeri­n Nadia Calvino, Gesundheit­sministeri­n Carmen...

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