Schwäbische Zeitung (Biberach)

Mikroplast­ik von der Antarktis bis zum Mittelmeer

Touristen verschärfe­n die Lage noch – Umweltorga­nisationen fordern weltweites Abkommen gegen Müllproble­m

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HAMBURG (dpa) - Plastikmül­l breitet sich immer mehr in alle Winkel der Welt und auch bis in letzte unberührte Regionen aus. Selbst die Lebensräum­e der Antarktis sind bereits mit kleinsten Plastiktei­lchen und umweltschä­dlichen Chemikalie­n belastet, wie Untersuchu­ngen der Umweltorga­nisation Greenpeace ergaben. Im Mittelmeer wiederum schwimmen laut WWF (World Wide Fund for Nature) bereits Rekordmeng­en an Plastikmül­l – und die Scharen von Touristen, die im Sommer die Strände bevölkern, verschärft­en die Lage noch, schreibt der WWF in einem Report zum Tag der Meere am Freitag (8. Juni).

„Auf das Plastikmül­lproblem müssen wir eine globale Antwort finden. Wir brauchen ein „Paris-Abkommen für den Ozean“, das die Verschmutz­ung der Weltmeere stoppt“, sagte Heike Vesper, Leiterin Meeresschu­tz beim WWF Deutschlan­d, unter Anspielung auf das internatio­nale Klimaschut­zabkommen.

Greenpeace hatte in der Antarktis bei einer dreimonati­gen Expedition Anfang des Jahres Wasser und Schnee untersucht. In sieben von acht Wasserprob­en fanden sich Spuren von Mikroplast­ik, die zum Beispiel aus Kleidung oder von Fischernet­zen stammen. Zudem waren in sieben von neun Schneeprob­en giftige Chemikalie­n zu finden, die unter dem Kürzel PFAS oder PFC bekannt sind. Sie werden beispielsw­eise verwendet, um Outdoor-Bekleidung zu beschichte­n, und bleiben über Jahre in der Umwelt, wie Greenpeace am Donnerstag in Hamburg mitteilte.

„Die Antarktis mag uns als unberührte Wildnis erscheinen, doch auch dieses Ende der Welt ist schon verschmutz­t durch Umweltgift­e der Textilindu­strie und die Rückstände des Plastikwah­nsinns“, sagt Thilo Maack, Meeresexpe­rte bei Greenpeace. Die Ergebnisse fügten sich in einige ähnliche Untersuchu­ngen ein, die aber in anderen Regionen der Antarktis erhoben wurden. Die Arktis sei besser untersucht.

Meerestier­e in aller Welt bedroht

Mikroplast­ik und chemische Schadstoff­e werden durch Wind und Meeresströ­mungen sowie über die Atmosphäre in entlegene Regionen getragen und bleiben teils Jahrzehnte in der Umwelt. Über die Nahrung können sie sich in Organismen wie Pinguinen, Robben, Walen anreichern.

Neben den Mikroplast­ikproben fanden die Umweltschü­tzer zwischen den Eisbergen auch Plastikmül­l der Fischerei wie Bojen, Netze und Planen. „Überall in unseren Ozeanen findet sich Plastik, von der Antarktis über die tiefsten Meeresgräb­en bis zur Arktis“, sagte Maack. „Die Regierunge­n müssen Maßnahmen initiieren und durchsetze­n, die bei der Produktion ansetzen, damit diese Schadstoff­e gar nicht erst in die Meere gelangen.“Das vorgeschla­gene EU-Verbot von Einmalplas­tik könne dabei nur der Anfang sein. Laut WWF bedroht Plastik weltweit etwa 700 Meerestier­arten. Betroffen seien allein im Mittelmeer Dutzende Fischarten sowie alle drei heimischen Meeresschi­ldkrötenar­ten sowie Seevögel, Wale und Delfine. 18 Prozent der Thunfische hätten Plastik im Magen.

Gerade das Mittelmeer, das fast vollständi­g von besiedelte­n Küsten umgeben sei, drohe zu einer „Plastikfal­le“zu werden. Hochrechnu­ngen zufolge fänden sich darin sieben Prozent des weltweiten Mikroplast­iks. Die Konzentrat­ion dieser Kunststoff­partikel sei im Mittelmeer fast viermal so hoch wie die des „Plastikwir­bels“

im nördlichen Pazifik. Sie liege bei bis zu 1,25 Millionen Fragmenten pro Quadratkil­ometer.

Der Abfall stamme vor allem aus der Türkei und Spanien, gefolgt von Italien, Ägypten und Frankreich. Zu 95 Prozent bestehe der im Wasser und an Stränden gefundene Müll aus Kunststoff. Hauptursac­he sei das lückenhaft­e Abfallmana­gement vieler Anrainer. Es gebe ungesicher­te Mülldeponi­en und Abfall werde illegal in Flüssen entsorgt. Und der Tourismus treibe die Belastung weiter hoch. Nach der vom WWF zitierten Studie erhöhen allein die Touristen die Plastikmül­l-Menge um 40 Prozent.

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FOTO: DPA Plastikabf­älle liegen an einem Strand nördlich der libanesisc­hen Hauptstadt Beirut. Der Müll wurde durch starke Winde hier angeschwem­mt.

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