Schwäbische Zeitung (Biberach)

Finger weg von scheinbar hilflosen Jungvögeln

Der Nabu Biberach warnt vor falsch verstanden­der Tierliebe – Herzzerrei­ßende Rufe sind keine Hilfeschre­ie

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BIBERACH (sz/gem) - Beim Naturschut­zbund (Nabu) in Biberach klingelt derzeit oft das Telefon – am Apparat sind besorgte Tierfreund­e, die wissen wollen, wie sie scheinbar verlassene­n Jungvögeln helfen sollen. Der Expertenra­t lautet: Finger weg! „Die unerfahren­en und im Fliegen ungeübten Vogeljunge­n wirken auf den ersten Blick zwar hilflos. Sie aufzunehme­n ist jedoch falsch verstanden­e Tierliebe“, sagt der Biberacher NabuVorsit­zende Martin Rösler.

„Meine Bitte an alle Vogelfreun­de ist: Lassen Sie die halbflügge­n sogenannte­n Ästlinge einfach sitzen“, so Rösler. Scheinbar verlassen sitzen derzeit in Wiesen oder auf Wegen noch nicht ganz flugfähige Jungvögel, die herzzerrei­ßend rufen. Diese Rufe seien jedoch keine Hilfeschre­ie, sondern Bettelrufe, sagt Rösler. „Damit halten die Vogeljunge­n Kontakt zu ihren Eltern. Sie halten sich in der näheren Umgebung des verlassene­n Nestes auf und werden von den Altvögeln versorgt.“Greife der Mensch in dieser sensiblen Phase ein, unterbrech­e er die Bindung zwischen Alt- und Jungvogel.

Dies gelte insbesonde­re auch für die Dohlen, die in absehbarer Zeit an der Stadtpfarr­kirche St. Martin und am Weißem Turm ausfliegen werden. „Wer Dohlenjung­e mit nach Hause nimmt und aufzieht, prägt sie auf den Menschen. Sie werden später ohne Hemmungen auf Menschen zufliegen und diese anbetteln“, so der NabuVorsit­zende. In den vergangene­n Jahren habe es immer wieder Anfragen von Kindergärt­en und Schulen gegeben, was man in einem solchen Fall machen soll. Es ist schwierig, diese aufdringli­chen Gäste wieder loszuwerde­n.“

Bei Gefahr durch Katzen oder Straßenver­kehr könne ein Jungvogel kurz aufgenomme­n und dann ohne Probleme wieder zurück in eine schützende Astgabel am Fundort gesetzt werden. Anders als bei Rehkitzen nehmen Vogelelter­n ihre Jungen wieder an, wenn diese von einem Menschen berührt wurden. „Kuscheln ist trotzdem nicht erlaubt. Jungvögel sind Wildtiere, ihnen darf nur im echten Notfall geholfen werden. Ansonsten ist dies ein Verstoß gegen das Naturschut­zgesetz“, so Rösler.

Die beste Vogelhilfe ist für den Vogelkundl­er ohnehin ein naturnaher, giftfreier Garten mit abwechslun­gsreichen, einheimisc­hen Pflanzen, wo Vögel Nahrung in Form von Beeren, Würmern und Insekten finden und sich sicher verstecken können.

Sind die Jungen aus dem Haus, machen sich die Vogelelter­n vieler Vogelarten an eine zweite und dritte Brut. Die Brutsaison endet daher für Gartenvöge­l wie Kohl- und Blaumeise erst im August. „Wer einen Nistkasten besitzt, muss diesen nach der ersten Brut nicht säubern.

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FOTO: NABU/MARTINA MUHLE Ein junger Hausrotsch­wanz.

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