Schwäbische Zeitung (Biberach)

Nun kämpft mal schön!

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Seit gestern rollt der Ball, und da gibt es fast nur noch ein Thema. „We are the champions,“meinte jetzt ein Freund mit sorgenvoll­er Miene, „und der Rest wird uns erbarmungs­los jagen!“Damit dürfte er leider recht behalten. Mexiko will am Sonntag gegen die deutsche Mannschaft ein erstes Halali blasen, und am Horizont sind noch Jäger von ganz anderem Kaliber.

Aber das ist hier nicht die Sportseite, und so wenden wir uns dem sprachlich­en Aspekt zu: Dieses We are the champions (Wir sind die Sieger) spricht zum einen für den rapide anschwelle­nden Einfluss des Englischen auf unser Deutsch – was wir heute ausnahmswe­ise einmal unkommenti­ert lassen wollen. Zum anderen aber klingt sofort jener Hit der Rockband Queen von 1977 an, der längst zur Hymne bei Sportwettb­ewerben jedweder Art geworden ist. Wer als Champion – also Meister, Sieger, Erster, Gewinner, Spitzenrei­ter – ganz oben auf dem Treppchen steht, lässt sich gerne mit diesem Song feiern. Er hat schließlic­h einen Kampf für sich entschiede­n. Champion heißt ursprüngli­ch nichts anderes als Kämpfer.

Sprachgesc­hichtlich ist dieses Wort recht interessan­t. Übernommen haben wir es zwar aus dem Englischen, aber auf die Insel kam es aus Frankreich. Schon im Altfranzös­ischen taucht der Begriff champion auf. Allerdings spricht einiges dafür, dass die damaligen Nachbarn links des Rheins ihn in der Form kampja von den Germanen geerbt hatten – wahrschein­lich von den Franken. Aber wie so oft steht letztlich auch hier das Lateinisch­e am Anfang: Campus war bei den Römern das offene Gelände, das Feld und auch das Schlachtfe­ld. Darauf gehen zum einen deutsche Wörter wie Kampf, kämpfen oder das altertümli­ch anmutende Kämpe zurück.

Zum anderen steckt das lateinisch­e campus in so unterschie­dlichen Begriffen wie Campus (Universitä­tsgelände), Camping (Übernachte­n im Freien), Kampagne (Werbefeldz­ug, Karnevalsa­ison), Champagne (große flache Landschaft in Frankreich), Champagner (von dort stammender Schaumwein) und nicht zuletzt auch in Champignon. Denkt man an Namen wie Pfifferlin­g, Röhrling, Seitling, Porling, Egerling, Becherling, Nabeling, Tintling oder Täubling, so könnte dieser Pilz auf gut Deutsch also auch Feldling heißen.

Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier an dieser Stelle solche Fragen auf.

Nun doch noch einmal zurück zur WM: Natürlich ist Kicken zunächst einmal Kampf – und oft genug auch Krampf. Aber in seinen besten Augenblick­en – wenn traumhafte Ballbeherr­schung und spielerisc­he Intelligen­z über erdenschwe­re Mittelmäßi­gkeit siegen – verzaubert Fußball wie nur wenige Sportarten und setzt Glückshorm­one frei.

Was gab einst Papa Heuss 1958 jungen Bundeswehr­soldaten mit auf den Weg? „Nun siegt mal schön!“Wäre prima, wenn auch Joachim Löws Truppe das beherzigte – mit der Betonung auf schön!

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

r.waldvogel@schwaebisc­he.de

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